Kapitel 11

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"She's not afraid."

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Ich wusste nie wirklich was ich in meinem Leben erreichen wollte. Ich wusste immer nur, welchen Traum ich zu verfolgen versuchte. Ich hätte niemals gedacht, dass ein einfacher Junge aus Köln alles auf den Kopf stellen sollte. Und ich hätte niemals gedacht, dass ich so viel Hass und Wut auf mich selbst empfinden konnte, wie ich es den Tag darauf tat. Ich hasste mich dafür, dass ich einfach gegangen war. Und das, obwohl ich wusste, dass es das Richtige gewesen war. Ich änderte damit mein Leben, doch ließ Menschen zurück, die in meinen Augen glücklich aussahen, doch es nicht waren. Nie empfand ich solch eine belanglose Leere neben mir, wie an diesem Tag. Nie wünschte ich mir mehr, ihn bei mir zu haben. Ardian bei mir zu haben und ihm alles der letzten Jahre zu erzählen. Endlich wieder diese Zweisamkeit zu genießen. Doch ich musste auch der schmerzhaften Wahrheit ins Gesicht sehen. Er war nicht mehr er. Und die frühere Zeit war nicht mehr die frühere Zeit. Die Bindung zwischen uns bestand nicht mehr, doch das transparente Seil, welches uns immer zu einander zog, das bestand noch. Denn ich war wieder hier und er war noch immer dort. Wir zwei lebten zur Zeit in der selben Stadt, und umgingen uns doch geschickt. Es war alles zum verrückt werden, und ich glaube ohne Julien wäre ich durchgedreht. Ju war meine Stütze in dieser dunklen Phase, aber an dem folgenden Tag war er nicht bei mir. An dem Tag, an dem ich mich so elend wie noch nie fühlte und noch viel viel weiter an mir zweifelte.

Ich versuchte so stark die Puzzelteile um Ardian zusammen zu setzen. Aus meinem Wissen schlau zu werden und ihn endlich zu finden. Ich setzte es mir so sehr in den Kopf, dass ich nichts anderes mehr sah, als seinen Geist immer wieder vor mir. Aber nicht nur die Tatsache, dass Luna perfekt für ihn und sie seine Freundin war, ließ mich aufschrecken. Sondern auch einen Punkt, den ich übersehen hatte und noch herausfinden wollte.

Wieso wurde die Autowerkstatt geschlossen?

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Unter Tränen und vollgeschnieften Taschentüchern begraben lag ich in meinem Bett und weinte mir meine Seele aus dem Leib. Meine Haare klebten in meinem genässten Gesicht, meine Lippen waren unangenehm spröde und trocken. Mir schien alle Feuchtigkeit entwichen zu sein. Ich konnte nicht einmal genau erklären, wieso ich so fürchterlich weinte. Ich konnte es auf Ardian, New York oder der Angst vor der Zukunft schieben, doch das wäre falsch. Es war allein mein Wahnsinn und meine Einsicht, die mich plagte und der ich mich stellen musste. Ich musste nicht nur Ardian finden, sondern auch mein Ich. Ich musste in mich horchen und anfangen zu erkennen, was ich denn überhaupt wollte.

Als meine Uhr an der Zimmerwand die volle zwei schlug, legte ich meinen Kopf auf die Seite um die Zeiger zu beobachten. Es war bereits Nachmittag und mein Körper fühlte sich mit Steinen beladen an. Ich kam mir so müde und träge vor - versuchte mich genau deshalb aufzurappeln. Es war nicht der richtige Zeitpunkt um den Kopf hängen zu lassen. Ich musste stark bleiben.

"Guten Morgen", brummte ich zu meiner Mutter, als diese mir im Flur entgegen kamen.

"Schätzchen, es ist bereits Nachmittag.", erinnerte mich meine Mutter und kratze sich mit ihren langen Fingernägeln an ihrer Wange.
"Ich muss leider zur Arbeit, tut mir leid.", sagte sie noch und verschwand dann schnell mit ihrer grauen Handtasche um den linken Arm.

Und somit war ich wieder alleine in dem Haus, das mir über all die Jahre so fremd geworden war. Nachdem ich etwas Obst gegessen und mit Melody telefoniert hatte, begann ich die Türschwelle zu übertreten und Antonio einen Besuch abzustatten.
Ich fuhr Bahn, wollte mich den Menschen anpassen und nicht gefahren werden. Ich hasste es, wenn die Bahn bis zum Rande gefüllt und keine Plätze mehr vorhanden waren. Ich hasste es so sehr, doch musste es aushalten um zu meinem Ziel zu gelangen.

Innocent | Erkenne dein wahres Ich 2 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt