Kapitel 20

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"I don't know where i'm going, but i'm finding my way."

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Julien schlief im Endeffekt doch ruhiger, als es anfangs schien. Ich machte mir immer wieder einen Kopf darum, dass er in mich verliebt war, mit dem Entschluss, dass es nichts Schlimmes seie. Ihm ging es gut so, mir ging es gut und er tat alles um mich glücklich zu sehen. Er war einfach für mich da. Niemals wollte ich ihn in Köln lassen. Niemals wollte ich wieder gehen.

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Ardian zu sehen war in Köln keine Seltenheit, wenn man Könner darin war, sich an den selben Orten aufzuhalten, wie er es tat. Ich war kein großer Könner in sowas, doch an diesem einen Dienstag sah es ganz danach aus, als ich mich davor drückte mit Ju bei dem hitzigen Wetter Boardfahren zu gehen. Er meinte, er wolle mir beibringen, wie ich "vorbildlich" auf einem Longboard fahren könne, doch ich suchte mir meinen Ausweg mit einem morgendlichen Besuch bei mir Zuhause und einem nachmittags Bummel durch die Stadt. Wenn Ju mich schon umbringen wollte, dann bitte nicht mit einer Longboardtour durch das 33 Grad erhitzte Köln. Ich glaube, er fuhr am Ende doch allein, da er sich sein Vorhaben nicht von mir vermiesen lassen wollte. Wenn er sich etwas in den Kopf setzte, dann zog er es auch durch. So war er, ein Dickkopf. Genau wie Felix, bloß dessen Dickkopf war ihm zu Nutze als er Ardian's Glasflasche gegen seinen Kopf bekam, in einer der Nächte als seine Betrunkenheit ihn übernommen hatte. Ich weiß, dass der Ausdruck Dickkopf im Bezug auf Felix' Angelegenheit mit Ardian falsch ist, aber der Junge besaß anscheinend einen Schädel aus Stahl, sonst hätte die Flasche ihn wohl nicht unverletzt gelassen.

Zurück zu Ardian und meinem Glück ihn zu sehen. Ich ging also erst durch die Stadt und dann weiter am Kölner Dom entlang. Die Sonne brannte sich auf meiner Haut nieder und ich hatte Angst Hautkrebs zu bekommen, da ich mich nicht eingekremt hatte. Seine Kette legte ich diesen morgen wieder um, ich fühlte mich irgendwie nackt ohne sie. Sie beschützte und behütete mich die letzen Jahre. Ich durfte mir noch Melody's grenzendes Gerede an meinem Handy anhören, da sie durchklingelte, als ich gerade zur Haustür heraus wollte. So gerne ich auch mit ihr sprach, es kam unpassend.
Meine Augen senkten sich auf den mit Kaugummi beklebten Asphalt unter meinen Füßen, als ich die Treppen vor dem Dom herunter lief. Und da kam Ardian ins Spiel. Ich sah erst auf, als ich gegen jemanden lief und somit auch beinahe hin fiel und mir meine Knie aufgescheuert hätte. Aber, Gott sei dank, tat ich es nicht, denn zwei tätowierte Hände hielten mich an meinen Schultern fest, sodass mein Körper unfähig zum Fall war. Als ich in die Augen meines Retters sah, strahlten mich blau-grüne Augen an, die aber eher grün wirkten, durch die grelle Sonne, die vom Himmel hinab schien. Eine Basecap saß auf seinen braunen Dreadlocks, die ausgefranst und trocken aussahen, an einigen Stellen unter der weißen Farbe der Cap hinaus schauten, um sich der Welt zu zeigen.

Völlig sprachlos sah ich ihn an, wusste nicht wie ich reagieren sollte, was er mir natürlich gleich tat. Keiner von uns beiden hatte damit gerechnet den anderen so plötzlich wieder zu sehen. Und genau da dachte ich an Ju's Worte:
»Du liebst ihn.«
»Er liebt dich, ist aber zu feige es sich einzugestehen.«

Es war so, als hätte jemand die heilige Stoptaste gedrückt und die Welt um uns herum angehalten. Mein schnelles Herz und sein hörbares Ausatmen schienen die einzigen Geräusche in meinen Ohren zu sein. Das Gerede der Personen um uns herum vergas ich völlig.

"A-Ardian ...", fing ich an zu stammeln und vergas ebenfalls zu schlucken. Die Folge war kurzes Röcheln, was ihn zum Lachen brachte. Wieder verstand ich ihn nicht. Wieso lächelte er mich an, wenn er noch mit mieser Miene von mir gegangen war, als wir zuletzt unterwegs waren?

"So sieht man sich wieder ...", setzte auch er an, ihm verging sein Lächeln aber prompt wieder. Sein Gesichtsausdruck versteinerte sich, sodass mit bei der Hitze schon nahezu kalt wurde. Das Brusttatoo, von dem Ju mal gesprochen hatte, zeichnete sich wirklich auf seiner Haut ab. Sein Körper war zwar nicht so ein riesiges Kunstwerk wie Ju's, dennoch blieb er für mich irgendwo interessanter.

Innocent | Erkenne dein wahres Ich 2 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt