Kapitel 16

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~Elyanor~

Verschlafen blinzelte ich und öffnete schließlich meine Augen. Sofort erkannte ich, dass ich nicht in meinem Bett lag. Durch das Fenster, das eine ganz andere Aussicht darbot als sonst, schien sanftes Abendlicht.

Langsam wurde ich mir meiner Umgebung bewusst und ich bemerkte einen dumpfen Schmerz in meinem Oberarm. Ich sah hinunter. Mein Arm war dick mit einem weißen Verband umwickelt und man hatte mir offenbar zuvor noch eine Infusion gegeben.

Mein Blick schweifte weiter über die triste, hellgraue Bettdecke, die ich nur von der Krankenstation kannte. Resigniert ließ ich meinen Kopf zurück in die Kissen fallen und sah zur Decke. Auf mich war tatsächlich geschossen worden.

Wenn ich darüber nachdachte, kam das Kribbeln in meinen Beinen zurück, als wären sie plötzlich blutleer. Das Geräusch des Schusses hallte schmerzhaft in meinen Ohren und es erinnerte mich an jenen Moment auf dem Hof, wo ich das Geräusch schon einmal gehört hatte.

Danach war mein Vater gestorben. Und nun war auch ich nur knapp dem Tod entronnen. Dieser Gedanke machte mich schier verrückt und ich versuchte schnell, an etwas anderes zu denken. Irgendetwas.

„Deine kleine Freundin ist ziemlich rachsüchtig, oder?" Ruckartig setzte ich mich auf. Dashiell saß auf einem Stuhl am Fußende meines Bettes. In der Hand hielt er einen Zettel.

„Was...?", perplex musterte ich ihn und versuchte verzweifelt meinen Herzschlag zu ignorieren, der so schnell war wie die Flügel eines Kolibris.

Ich hatte mich fast zu Tode erschrocken. Zumindest redete ich mir ein, dass das der Grund war. Dashiell lächelte, stand auf und reichte mir den Zettel, den er wohl auf dem kleinen Tisch neben sich gefunden hatte.

Dann setzte er sich wieder auf den Stuhl. Ich runzelte die Stirn, öffnete ihn und las.

Ich werde den Mistkerl kriegen, verlass dich darauf!

~Amelia

Ich sah wieder auf und erinnerte mich, was Dashiell gesagt hatte.

„Ja, sie ist ziemlich rachsüchtig, besonders wenn man sie klein nennt. Pass also besser auf."

Er sah mich belustigt an. „Ich glaube die Medikamente bekommen dir nicht gut, Prinzessin. So unhöflich bist du normalerweise nicht."

„Das kommt immer auf den Gesprächspartner an", antwortete ich zuckersüß und ließ mich zurück in die Kissen sinken.

„Das nehme ich jetzt mal als Kompliment", erwiderte er.

„Besser nicht." Ich musterte ihn mit strengem Blick. „Was machst du überhaupt hier?"

Dashiell zuckte mit den Schultern. „Mir war langweilig. Der Unterricht bei deinem werten Zeremonienmeister ist ja ausgefallen."

„Wenn dir so langweilig ist, kannst du ja auch ein paar meiner Aufgaben übernehmen, bis ich wieder gesund bin."

„Das klingt so, als würdest du eine längere Auszeit planen." Er meinte es nicht als Frage, es kam aber trotzdem so rüber.

„Vielleicht wäre das auch besser."

„So schlimm?", hakte er nach. „Du hast die Macht, das gesamte Land zu verändern."

Ich schnaubte. „Nicht wenn die Abgeordneten des eigenen Parlaments alle deine innovativen Ideen blockiert, weil sie der Meinung sind, eine Frau könnte das Land nicht richtig führen. Sie haben alle insgeheim gehofft, dass mein Bruder an die Macht kommt."

„Das erklärt so einiges", murmelte er. Ich machte ein fragendes Gesicht und er sah auf. „Na wie sie alle so vehement im Parlament diskutiert haben und Ikrison wieder eingliedern wollten. Das war ja praktisch deine erste Amtshandlung."

Selection - ElyanorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt