Kapitel 26

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~ Elyanor ~ 

„Ich bin ja so froh, dass wir endlich auf dem Weg nach Hause sind", sagte Amelia zu Calder, der neben ihr in der Kutsche saß und wandte sich dann an mich. „Ich muss dich dafür bewundern, dass du so ruhig geblieben bist und das bis zum Ende durchgehalten hast. Am liebsten wäre ich jedes Mal aufgesprungen, wenn einer der anderen mal wieder gesagt hat, was für ein Schwachsinn diese und jede Idee ist."

„Ich war gut damit beraten, dich nach einer Stunde hinauszuschicken. Man hat es dir angemerkt. Es war aber auch ein langer Tag." Ich schmunzelte und sah aus dem Fenster. Die vorbeiziehende Landschaft veränderte sich allmählich und anstatt Waldränder sah man nun zunehmend große Felder und weitläufige Wiesen. Ich sah wieder zu Amelia.

„Hast du dich denn eigentlich ein wenig bei den Kandidaten umgehört? Weißt du inzwischen mehr?" Ich warf Frederick und Calder, die gerade ihrerseits in ein Gespräch vertieft waren, einen kritischen Seitenblick zu, kam dann aber zu dem Schluss, dass ich ihnen vertrauen konnte. „Hast du inzwischen schon eine Idee, wer der Spion sein könnte?"

Sie verzog das Gesicht und schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein, leider nicht. Aber ich bin an der Sache dran. Ich habe eine Spur, allerdings will ich dich nicht einweihen, bis sich der Verdacht bestätigt."

Überrascht hob ich die Augenbrauen. Sie hatte also jemanden in Verdacht?

„Warum das? Ich wüsste gerne, wer es ist."

„Deshalb sage ich es dir auch nicht. Wenn ich falsch liege, ist dein Vertrauen in die Person vielleicht für immer verloren und ich will dir dadurch nicht deine Selection ruinieren." Amelia sah mich eindringlich an. „Stell dir nur vor, ich hätte Dashiell oder Lucian in Verdacht. Du würdest sie nicht mehr sehen und nichts mehr mit ihnen zu tun haben wollen. Aber dann würde sich herausstellen, dass die beiden unschuldig sind. Das Vertrauen wäre nie wieder dasselbe, obwohl sie nichts getan haben."

Dashiell. Ich hatte bereits einiges über ihn erfahren, das mich erschreckt hatte. Und wenn er wegen des Geldes bei der Selection teilnahm - vielleicht konnte man ihn dann noch mit ganz anderen Mitteln bestechen. 

Ich schüttelte leicht den Kopf und wollte den Gedanken loswerden. Ich war es müde, über diese Dinge nachzudenken. „Wenn sich der Verdacht erhärtet, gibst du mir aber sofort Bescheid", forderte ich.

„Na klar." Amelia nickte und lehnte sich dann wieder zurück. „Freust du dich schon, wenn wir wieder in Arvandor sind?"

Ich dachte an meinen Balkon, die Obstwiese davor, die im rötlichen Abendlicht geradezu magisch aussah und musste lächeln. Dann fiel mir jedoch wieder ein, dass ein Berg Arbeit auf meinem Schreibtisch wartete und mein Lächeln schwand.

„Nicht auf die Arbeit. Aber auf den Rest schon, ja." Mir entging Amelias besorgter Blick nicht. „Was ist denn?"

„Du weißt doch, dass ich dir von unserem Einsatz berichtet habe", erklärte sie und wies mit einem Nicken auf Calder. „Die drei Spione im Kellerraum einer Bar in der Innenstadt."

Ich nickte und war gespannt, was das nun mit meiner Rückkehr nach Arvandor zu tun haben sollte.

Amelia sah aus dem Fenster und schien einen Moment zu überlegen, bevor sie sich wieder an mich wandte. „Das Gespräch, das Calder und ich damals mitbekommen haben, drehte sich um einen möglichen zweiten Anschlag."

Erschrocken richtete ich mich auf und sah sie an. „Davon hast du mir aber noch nichts erzählt. Hast du denn Einzelheiten?"

Sie schüttelte leicht mit dem Kopf und nahm in einer beruhigenden Geste meine Hand. In Gedanken spürte ich die Kugel, die meine Schulter gestriffen hatte. Die Wunde war noch nicht einmal verheilt.

Selection - ElyanorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt