Kapitel 40

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~ Dashiell ~ 

Ich stürmte aus dem Krankenzimmer, weg von Elyanor, nur mit einem Gedanken im Kopf. Ich musste zu Lillian. Die Unterkunft, in der ich sie zurückgelassen hatte, lag etwa einen halben Tagesritt entfernt. Was zuallererst einmal bedeutete: Ich brauchte ein Pferd.

Also überquerte ich den Hof und ging hinüber zum Stall, neben dem ich an meinem ersten Tag gezeichnet hatte. Elyanor hatte mir damals ihr Pferd übergeben. Wie war noch gleich der Name der Stute gewesen?

Mit einem kurzen Blick über meine Schulter betrat ich das Gebäude und wurde sofort von dem Geruch nach Heu und frischem Stroh umfangen. Suchend ging die Stallgasse hinunter, während ich die Namen auf den Boxen las.

Midnight. Da war sie.

Ich sah mich um und suchte den Weg zur Sattelkammer. So rasch wie möglich sattelte ich Elyanors Stute und führte sie hinaus in den Hof. Die Wachen patrouillierten auf den Wehrgängen der Mauer, was ein Vorteil war, denn sie achteten nicht besonders auf den Hof. Ich brachte Midnight also so nah wie möglich an das Tor, stieg auf und trieb sie an.

Wir preschten durch das offene Tor nach draußen und ich traute mich nicht, zurückzusehen, aus Angst, was ich möglicherweise erblicken würde. Stattdessen konzentrierte ich mich vollkommen auf den Weg vor mir und auf meine Mission.

Ich musste meine Schwester finden und sie zu mir holen.

*  *  * 

Die Straßen der kleinen Stadt, die etwas außerhalb lag, waren ruhig und ich konnte die Aufregung in meinem Bauch spüren. Ich musste möglichst schnell handeln und hatte keine Zeit zu verlieren. Erleichterung überkam mich, als die Unterkunft in mein Sichtfeld gelangte.

Sie war nicht besonders hübsch, es war ein zweistöckiges, baufälliges Holzhaus, doch die Zimmer waren preisgünstig und wir wollten uns nicht beschweren. Die Besitzerin, eine ältere Dame, hatte sich bereit erklärt, auf meine Schwester aufzupassen, bis ich zurückkam.

Als ich abstieg und Midnight hinter das Haus führte, um sie dort anbinden zu können, entdeckte ich eine Kutsche, aus schwarzem Ebenholz gefertigt und mit abnehmbarem Verdeck. Nicht unbedingt günstig also. Sie passte nicht hierher, genauso wenig wie Elyanors Stute.

Eine schreckliche Vorahnung überkam mich und ich lief um das Haus herum, wo sich der einzige Eingang befand. Ich hastete die knarzende Treppe nach oben in den ersten Stock und nahm dabei immer zwei Stufen auf einmal.

Oben angekommen, bog ich nach links in den Flur ein und sah mit Schrecken, dass die Tür, die zu unserem Zimmer gehörte, offen stand. Erneut beschleunigte ich mein Tempo, mein Herz kräftig in meiner Brust hämmernd, und kam schließlich vor unserem Zimmer zum stehen. Mein Atem ging schnell und flach. Ich hatte panische Angst.

Im inneren des Raumes stand eine Person, ganz in Schwarz gekleidet, mit einer Kapuze auf dem Kopf und hatte Lillian am Arm gepackt. „Lass sie los!", schrie ich und stürmte in das Zimmer. Ich versuchte irgendwie, die Person zu Boden zu werfen, auch wenn ich absolut keine Ahnung vom Kämpfen hatte.

Doch sie wich mir geschickt aus, sodass ich es war, der auf dem Boden landete. Stöhnend rieb ich mir den Kopf und drehte mich um, damit ich die Gestalt endlich sehen konnte.

Endlich nahm sie die Kapuze ab und lächelte mich freundlich an. Ich stutzte. Es war eine junge Frau.

„Dash!" Lillian hatte mich erkannt und sprang sofort auf mich zu, kniete sich zu mir auf den Boden und umarmte mich so fest, als würde sie mich nie wieder loslassen wollen.

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