Kapitel 36

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~ Elyanor ~

Ich hatte schlecht geschlafen. Die Ereignisse des gestrigen Abends hatten mich noch lange wach gehalten, bis ich schließlich in einen unruhigen Schlaf gefallen war.

Ich war mit Rose und einem Wachmann aus meiner Leibgarde, die Calder befehligte, auf mein Zimmer gegangen, um mich umzuziehen. 

Ich hatte mich dafür entschieden, vorläufig niemandem von dem nächtlichen Attentat zu erzählen, um die anderen Staaten nicht zu verunsichern. Immerhin stand viel auf dem Spiel.

Rose hatte sich für ein royalblaues Kleid mit Goldfäden und Stickereien an den Säumen entschieden, das gleichermaßen elegant wie zeitlos wirkte. Dazu zauberte sie mir eine fabelhafte Hochsteckfrisur, die meinen Gesamteindruck vervollständigte.

Zusammen mit meiner Zofe und dem Wachmann war ich nun auf dem Weg zum großen Saal, in dem schon alles für die Unterzeichnung vorbereitet war. 

Wir gingen schweigend den Flur hinunter und auch wenn es mitten am Tag und ich nicht alleine war, hatte ich doch Angst, dass jeden Moment die dunkle Gestalt aus einem der Geheimgänge kommen konnte.

Mit klopfendem Herzen blieb ich schließlich vor der Flügeltür stehen, die offenstand und den Blick in den großen Saal freigab, in dem schon die meisten Vertreter und Mitglieder der Königsfamilien versammelt waren. So viele wie beim Friedensgipfel waren es nicht, was mich ein wenig beruhigte.

„Danke euch beiden", sagte ich zu Roselyn und dem Wachmann, bevor ich den Saal betrat. Alistair kündigte mich wieder mit meinen verhassten Namenszusätzen an, was ich versuchte zu ignorieren.

Der Saal war festlich geschmückt, doch die Stimmung schien angespannt. In vier verschiedenen Delegationen waren die Länder vertreten, jeweils mit einem Teil des Hofstaates und natürlich den Königsfamilien. Einzig der Botschafter von Eswa war allein, mit drei weiteren Soldaten, die ihn offenbar begleitet hatten.

Ich betrat den Raum und strebte auf ein kleines Podest zu, das am vorderen Ende des Saales angebracht war, direkt vor den Delegationen der fünf, sodass sie mich alle gut im Blick hatten. Dann räusperte ich mich und trat noch einen Schritt nach vorne, um mir Gehör zu verschaffen.

Das leise Gemurmel der Delegierten verstummte und nach einigen weiteren Minuten hatte ich schließlich die vollste Aufmerksamkeit der Versammelten.

„Ich danke euch allen, dass ihr heute hierhergekommen seid, um über die Zukunft Ikrisons und die Stabilität unserer territorialen Ordnung zu entscheiden. Wir gehen mit dieser Entscheidung einen weiteren Schritt in die richtige Richtung."

Ich musterte die Deligierten. Manche sahen aufmerksam nach vorne, während mich der Botschafter Eswas demonstrativ ignorierte. Die Berater des Königspaares aus Creyca hingegen, unterhielten sich leise. Nicolas und Grace lächelten mir zu.

Den Blick zu den Gesandten aus Krynn vermied ich, denn ich hatte noch immer die seltsame Situation mit dem Kronprinzen Raphael von gestern Abend im Kopf. 

Rachel und Aiden waren noch nicht zu sehen, doch ich hatte mit ihnen vereinbart, dass ich zuerst mit den Ländern sprechen wollte, bevor ich sie dazuholte.

„Es ist an der Zeit, dass wir unsere Differenzen beiseitelegen und gemeinsam für den Frieden arbeiten, den wir uns geschaffen haben", fuhr ich fort. „Ikrison hat in den letzten Jahrzehnten viel gelitten und es ist unsere Pflicht, ihre Stimme zu hören und ihre Wünsche zu respektieren."

Erneut ließ ich meinen Blick über die Anwesenden sprechen und machte eine kurze Pause. Der Botschafter von Eswa sah nun zumindest in meine Richtung, sein Gesichtsausdruck jedoch war äußerst skeptisch.

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