Kapitel 34

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~ Elyanor ~

Nachdem das Bankett beendet war, wurden die breiten Flügeltüren des großen Saales wieder geöffnet und die Gäste strömten in den Ballsaal gegenüber, in dem bereits das große Orchester seine Position bezogen hatte. An einer Wand war wie immer eine lange Tischreihe aufgestellt, auf dem es Erfrischungen und kleine Häppchen gab.

Als alle Gäste im Raum waren, stellten sich bereits die ersten Paare auf der Tanzfläche auf, und die Musiker spielten die ersten Takte an, um die Instrumente zu stimmen. 

Ich sah mich ebenfalls nach einem Tanzpartner um und bemerkte Lucian, der hinter mich trat. „Hast du schon einen Partner für den ersten Tanz?", fragte er.

Ich drehte mich um und lächelte ihn an. „Nein, tatsächlich nicht. Du kommst wie gerufen."

Er umrundete mich daraufhin, nahm meine dargebotene Hand und führte mich auf die Tanzfläche, gerade als das Orchester zu spielen begann. Lucian legte seine Hand an meinen unteren Rücken und zog mich ein Stück an sich heran.

Dann sah er auf und lächelte mich an, als er den ersten Schritt machte. Seine grünen Augen funkelten und es lag ein Ausdruck in ihnen, den ich nicht ganz deuten konnte. Aber ich spürte in diesem Moment, dass ich ihm ebenso etwas bedeutete.

Mir lief ein angenehmer Schauer über den Rücken, als ich Lucian über die Tanzfläche folgte und wir uns zwischen den anderen Paaren sachte hin- und herwiegten.

Ich musste wieder an Raphaels seltsamen Antrag denken. Warum hatte ich da nicht an Lucian gedacht? Er war so sanft, verständnisvoll und lieb. Ich verstand mich ausgesprochen gut mit ihm und fand ihn sehr attraktiv. 

Warum also galt mein erster Gedanke Dashiell, der doch so ganz anders war als Lucian? Seine rebellische Art passte überhaupt nicht zu einem zukünftigen König.

„Über welche schwerwiegenden Entscheidungen denkst du gerade nach?", fragte Lucian.

„Sieht man mir das an?"

Lucian nickte amüsiert und wartete auf meine Antwort.

„Ich habe im Moment einfach nur viel um die Ohren", meinte ich schließlich ausweichend.

„Willst du darüber reden? Ich bin immer für dich da, wenn du jemanden dafür brauchst."

„Danke, Lucian. Das weiß ich sehr zu schätzen." Ich lächelte ihn an und er zog mich aus meiner Position heraus. Ich drehte mich einmal um mich selbst, bevor ich in seine Arme zurückkehrte.

Er betrachtete mich eine Weile schweigend, während wir gemeinsam über die Tanzfläche schwebten. Ich versank in seinem Blick und konnte mich nicht mehr von seinen grünen, schimmernden Augen lösen. 

Als wären wir in unserer eigenen kleinen Blase gefangen, blendete ich den Rest der Welt vollkommen aus.

„Manchmal fühle ich mich dir so nah, dass ich fast glaube, deine Gedanken lesen zu können", wisperte er.

Als die Musik verklang, brauchten wir einen Moment, bis wir uns wieder voneinander lösen konnten. Lucian lächelte mich liebevoll an und sah dann auf. Etwas hinter mir hatte wohl seine Aufmerksamkeit erregt.

Langsam löste ich mich gänzlich von ihm und drehte mich um, damit ich sehen konnte, was ihn scheinbar so irritierte.

Ich erstarrte, als ich erkannte was oder eher wer seine Aufmerksamkeit erlangt hatte. Der Botschafter von Eswa.

Er war nicht eingeladen gewesen, da ich mir gedacht hatte, dass das Königshaus, das sich sowieso von allen abschattete und immer nur den Botschafter schickte, sowieso nicht umzustimmen war, was seine Meinung zur Abspaltung von Ikrison betraf.

Selection - ElyanorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt