Kapitel 35

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~ Elyanor ~

Calder stützte sich an der Wand ab und sank daran zu Boden. Dann drehte er seinen Kopf in meine Richtung. „Geht es dir gut? Bist du verletzt?"

„Ich glaube nicht", antwortete ich zitternd und kam langsam auf ihn zu. „Wie sieht es mit dir aus? Er hat dich erwischt, oder?"

„Calder!" Seine Antwort ging in einem Schrei unter, als Amelia im Laufen um die Ecke bog, auf ihn zustürzte und sich vor ihn kniete. „Bist du in Ordnung?"

Sie nahm seinen Arm und zog ihn langsam von seinem Bauch weg, um die Verletzung zu sehen.

„Es ist nicht so schlimm." Er versuchte sie zu beruhigen, doch sie schob sein Hemd nach oben, auf dem sich ein Blutfleck ausbreitete, um sich selbst davon zu überzeugen. „Die Wunde ist nur oberflächlich."

Calder legte eine Hand auf ihre Wange, damit sie ihm in die Augen sah. „Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht", versicherte er ihr erneut und Amelia war wohl endlich vom Gegenteil überzeugt, denn sie ließ sein Hemd fallen und küsste ihn stürmisch.

„Du hast mir Angst gemacht", sagte sie und sah Calder lange an. „Was machst du nur für Sachen!"

„Ich rette unsere Königin vor einem mutwilligen Attentat." Calder brachte ein Schmunzeln zustande, um die Situation zu entschärfen. Mir war nicht danach.

Amelias Blick wanderte zu mir und sie stand auf, um die paar Schritte zu mir herüberzukommen. „Elyanor." Sanft sah sie mich an und setzte sich neben mich. „Ist alles in Ordnung? Er hat dich nicht verletzt, oder?"

Ich schüttelte den Kopf, immer noch wie erstarrt. Amelia ergriff meine zitternde Hand und drückte sie vorsichtig. „Calder konnte es gerade noch verhindern", brachte ich heraus.

Mein Blick war immer noch auf meinen Retter gerichtet, der aufstand und sein Kurzschwert aufhob, das ihm aus der Hand gerutscht war. Dann kam er zu uns.

„Ich glaube wir sollten beide auf die Krankenstation gehen."

Ich nickte wie automatisch, machte jedoch keine Anstalten, aufzustehen. Meine Beine fühlten sich zu schwach an.

„Komm, ich helfe dir auf", bot Amelia an und zog mich an meinem Arm auf die Beine, die wegzusacken drohten, als wären sie aus Pudding.

Langsam gingen wir den Flur hinunter auf die brennenden Kerzen zu. „Er ist durch die Geheimgänge verschwunden", sagte ich schließlich, als ich meine Gedanken wieder halbwegs geordnet hatte.

„Das bedeutet, er weiß mehr als wir gedacht haben. Er hat tatsächlich die Pläne für die Geheimgänge", presste sie zwischen zusammengebissen Zähnen hervor.

Ich nickte. Dashiell war der einzige Kandidat, der meines Wissens nach diese Pläne besaß. Wir bogen in den Flur ein, in dem sich die Krankenstation befand. 

Langsam wurde ich wieder sicherer auf den Beinen und konnte eigenständig gehen. Ich löste mich von Amelia, die mich gestützt hatte und sah zu Calder hinüber.

Ich runzelte die Stirn. Er hielt sich die Brust, dabei war er doch weiter unten, an seinem Bauch verletzt worden. Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn.

„Calder, geht es dir gut?", fragte ich und machte damit auch Amelia darauf aufmerksam, dass etwas nicht stimmte.

Er machte den nächsten Schritt, kam ins Straucheln und fiel zu Boden. Amelia kniete sich sofort neben ihn und packte ihn bei den Schultern. Seine Augen waren weit aufgerissen und als ich herantrat, erkannte ich, dass seine Pupillen unnormal vergrößert waren.

„Gift", stellte ich fest und lief los, um eine Krankenschwester zu holen, während Amelia Calder aufhalf. Bewusstlos schien er nicht zu sein.

Eine Schwester hatte unseren Tumult auf dem Flur glücklicherweise bemerkt und war aus einem der Zimmer gekommen. „Er wurde vergiftet", rief ich ihr zu und deutete auf Calder. „Wir brauchen Hilfe."

Selection - ElyanorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt