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In der nächsten Woche war Jimin endlich wieder so fit, dass er wieder zur Schule konnte. Er hatte alles an Unterricht nachholen können, weshalb er nächste Woche seine Abschlussprüfung hatte. Und er war ziemlich nervös. So nervös, dass er teilweise vergaß, was er machte.
Deshalb hatte Seokjin etwas organisiert. Er hatte seinen Make-Up-Assistant angerufen, welcher ihn zum Tanzen abgeholt hatte. Damit wollte Jimin eigentlich gewartet haben, aber er hatte den jungen Mann nicht überreden können, wieder zu gehen. Und deshalb war er gerade beim Sport.
"Du kannst sehr schön tanzen, Jimin", lächelte Hoseok, Seokjins Make-Up-Assistant. Er war derjenige, der Jimin über Namjoon einen Platz hier beschaffen hatte. Und dafür war der Amerikaner ihm doch sehr dankbar.
"Möchtest du gleich noch mit zu mir? Also privat?"
Euphorisch stimmte Jimin zu. Vielleicht war Hoseok ein netter Zeitgenosse, die Zeit mit ihm hier hatte ihm schon sehr gefallen.
"Ich muss nur kurz Jungkook anrufen. Damit er sich keine Sorgen macht."
"Ist in Ordnung", lächelte Hoseok, während er seine Tasche aufhob.
Zu zweit liefen sie in die Umkleidekabine, um anschließend duschen zu können. Denn sie hatten bis gerade durchgehend getanzt.
"Jimin, magst du deine Familie?"
"Ja, total. Ich liebe die Kids", begann Jimin sofort. "Und Jungkook ist sehr nett. Ich verstehe mich gut."
"Das freut mich zu hören."
"Denkst du anders über meine Familie?"
Hoseok schien nachzudenken, ehe er den Kopf schüttelte.
"Ich habe nicht viel positives über Jungkook gehört. Er soll sehr laut sein, wenn ihm etwas nicht passt. Familie soll er gar nicht können."
"Er ist ein großartiger Vater. Er ist manchmal streng, aber das ist jeder. Vor allem dann, wenn es sein muss. Ich mag es sehr gerne dort." "Dann ist ja alles prima. Seokjin meinte, ich soll ein Auge auf dich halten. Weil er Angst um dich hat." "Ich mag Seokjin. Er ist sehr nett." "Das ist er. Ich mache meinen Job gerne bei ihm. Er ist immer freundlich zu mir."
"Was machst du denn genau?"
"Ich bin Make-Up-Assistant. Ich kümmere mich um seine Haare und sein Make-Up. Und Styling und so etwas." "Du kannst Make-Up?"
"Ja, ist das etwa nicht normal in Amerika? Dass Männer da so etwas tragen?"
"Nein, da wird man teilweise für so etwas geschlagen. Ich würde es gerne einmal ausprobieren."
"Wenn du möchtest, dann kann ich dich gleich einmal dezent schminken. Wenn du möchtest, natürlich."
Jimin schien nicht lange nachzudenken.
"Sehr gerne. Danke Hoseok-Hyung."
"Für Freunde bin ich Hobi. Nenn' mich ruhig Hobi."
"Oh. Okay."
"Wie nennen dich deine Freunde?"
"Chris. Oder Chrissy, aber das mag ich nicht gerne."
"Darf ich dich Minie nennen? Jimin? Jiminie? Minie?"
"Sehr gerne alles. Danke Hobi."
"Keine Ursache, Minie."

Es war spät am Abend, als Jimin Heim kam. Er hatte den ganzen restlichen Tag mit Hoseok verbracht, der sich als sehr angenehmer Zeitgenosse entpuppt hatte.
Sie hatten sofort Nummern ausgetauscht und für nächste Woche ein Treffen vereinbart. Sobald Jimin mit der Schule durch wäre, würden sie noch mehr Zeit miteinander verbringen wollen.
Jimin hatte endlich einen Freund gefunden.
Müde ließ er im Eingangsbereich seine Tasche fallen, ehe er seine Schuhe in die Ecke kickte.
Er war fürchterlich müde.
Jungkook müsste schon im Bett sein, fiel Jimin auf. Es brannte nirgends wirklich Licht, man konnte leise den Fernseher ausmachen. Vielleicht war der Geschäftsmann wieder beim Fernsehen eingeschlafen. Das passierte in letzter Zeit ziemlich häufig.
Auf leisen Sohlen tappste Jimin dann in Richtung Wohnzimmer.
Wie erwartet lief dort der Fernseher, Jungkooks Silhouette konnte man in der Ecke des Sofas ausmachen. Er schien ziemlich müde zu sein, aber noch nicht am schlafen.
Und als er Jimin sah, setzte er sich sofort aufrechter hin, ehe er eine auf dem Tisch stehende Glasflasche umstieß.
Schnell eilte Jimin auf den Mann zu, der fluchend auf den Teppich vor dem Sofa fiel. Irgendwie war der Mann anders, fand Jimin. Etwas passte nicht ins Bild. Und als er die kleine Lampe hinter dem Sofa anknipste, konnte er erkennen, warum.
Jungkook war betrunken.
Er hatte gerade eine Flasche Wein umgestoßen. Aber laut der wenigen Flecken auf dem hellen Teppich war die Flasche schon so gut wie leer gewesen. Lediglich das halbvolle Glas ließ darauf schließen, dass Jungkook diesen getrunken hatte. Und die Röte in seinem Gesicht verriet den Rest.
"Du hast getrunken", hauchte Jimin, während er dem Geschäftsmann die Flasche aus der Hand nahm. Vorsichtig stellte er diese wieder auf den Tisch, ehe er Jungkook zurück auf das Sofa setzte. Oder fallen ließ, wie man es nennen konnte.
"Ja", hauchte Jungkook nur, ehe er schnell mit seiner Hand über die Wange strich.
"Ich bin kein guter Vater", hauchte er dann, ehe er den Wein in seinem Glas anstarrte. Erschöpft ließ sich Jimin neben ihm nieder.
"Was lässt dich das denken?"
Jimin nestelte an den Ärmeln seines Pullovers. Er war neu, stellte Jungkook fest. Als sie letztens zusammen einkaufen gewesen waren, hatte sich Jimin in diesen Pullover verguckt. Deshalb hatte Jungkook ihm diesen sofort gekauft. Und, weil der Amerikaner keinen einzigen warmen Pullover besaß. In Fresno hatte er diese nicht wirklich benötigt.
"Danbi hat sich heute verletzt", antwortete Jungkook. "Und ich habe es nicht mitbekommen. Erst, als Chanhyun laut geschrien hat. Sie hat so lange geweint und ich hatte meine Kopfhörer auf und konnte sie nicht hören." "Aber ihr geht es gut, oder?"
Jungkook zuckte kurz mit seinen Schultern, ehe er sich müde über die Augen rieb.
"Die anderen Eltern aus dem Kindergarten reden schon schlecht hinter meinem Rücken", fuhr er fort.
"Sie nennen mich egoistisch und Rabenvater. Sie reden nicht mit mir, wenn ich Chanhyun abhole. Sie mögen mich nicht."
"Man muss nicht allem gerecht werden können. Einige Eltern werden dich immer hassen, auch für total banale Dinge", antwortete Jimin sofort. Er verstand diese Äußerungen nicht. Hatte Jungkook deshalb den komplette Wein getrunken? Weil er sich unfähig fühlte?
"Auf der Arbeit wirft man mir so vieles vor." Jungkooks Stimme glich einem Hauchen.
"Ich würde weder Arbeit noch Familie hinterher kommen. Ohne Frau wäre ich einfach total der Lappen." "Was heißt Lappen?"
"Ein Loser bin ich!"
Taumelnd richtete sich Jungkook auf.
"Ich kriege nichts geschissen, okay?! Seokjin will mir die Kinder wegnehmen, weil sie bei ihm besser aufgehoben wären. Er hat mich diese Woche schon wieder darauf angesprochen! Namjoon steht natürlich auf seiner Seite und meint, ich würde dich ungerecht behandeln. Und meine Frau will plötzlich das Sorgerecht zurück und geht deshalb vor Gericht! Jimin, man wird mir meine Kinder wegnehmen. Ich kann das nicht gewinnen!"
Weinend fiel Jungkook nach hinten.
Jimin starrte auf seine Hände.
Er hatte mitbekommen, wie sehr Seokjin diese Kinder als seine eigenen behandelte. Aber er hätte niemals gedacht, dass er sie Jungkook wegnehmen wollen würde.
Und seine Frau?
Sie kannte die Kinder doch kaum. Warum wollte sie plötzlich das Sorgerecht? Wollte sie Jungkook einfach nur wehtun? Oder woher dieser Sinneswandel?
"Ich weiß nicht welche Worte du brauchst", hauchte Jimin.
"Warum sollen die Kids weg? Sie sind hier Zuhause. Du bist ihr Vater, ihr Vorbild. Sie lieben dich."
"Seokjin ist psychisch krank. Er kann nicht anders. Er hat an seinen Gedanken keine Schuld. Und Namjoon geht den Weg des geringsten Übels. Also bleibt er bei Seokjin und seiner Meinung."
Geschafft strich sich der Geschäftsmann über das Gesicht.
"Und meine Frau ist eifersüchtig. Sie hat von dir erfahren und will deshalb meinen Babys."
"Wieso sollte sie eifersüchtig sein?" Jimin verstand diese Aussage nicht. "Auf mich?"
"Weil ich bei dir glücklich bin, Jimin", hauchte Jungkook. "Du machst mich glücklich."
"Wie meinst du-"
Sanft legte Jungkook seine Hand an Jimins Wange. "Bei dir bin ich so glücklich, Jimin."
Er kam Jimin immer näher. Und dieser spürte sein Herz so intensiv in seiner Brust klopfen, dass es fast wehtat. "Glücklich", murmelte Jimin, ehe er bemerkte, wie Jungkooks Blick zu seinen Lippen wanderte.
"Mehr als nur glücklich."
Und bevor Jimin einen weiteren klaren Gedanken fassen konnte, berührten sich ihre Lippen.
Jimin hörte auf zu Atmen.
Er konzentrierte sich sofort auf die angenehme Wärme, die von Jungkook ausging.
Und der süße Geschmack von Wein.
Der Geruch von verblasstem Parfüm.
Der Geruch von Aftershave und Deo.
Der Geschmack von Jungkooks Kirschlippenbalsam, den er viel zu häufig verwendete.
Das Gefühl seiner Bartstoppeln, die er beim Rasieren vergessen hatte.
Das Gefühl von Jungkooks Hand auf seiner Wange.
Das Gefühl der anderen Hand von Jungkook, die plötzlich seine Hand ergriff und nicht mehr losließ.
Die Geräusche der Serie, die im Hintergrund unbeobachtet lief.
Die Geräusche ihrer jetzt parallelen Atmung.
Und als Jimin zu realisieren schien, was passierte, löste sich Jungkook.
"Tut mir leid, ich denke nicht klar", hauchte der Geschäftsmann sofort. Auf seinen Wangen lag eine angenehme Röte, wahrscheinlich so wie auf Jimins eigenen. Denn sie glühten förmlich, fand er.
"Ich hätte dich nicht einfach küssen dürfen. Ich hätte dich nicht mit meinen Problemen überhäufen dürfen, das war falsch."
"Nein."
Verwirrt schaute Jungkook zu Jimin.
"Bitte?"
"Das ist in Ordnung, wirklich."
Jimin suchte nach den passenden Worten. Er wünschte sich, dass Jungkook sein Englisch verstehen würde. Denn dann könnte er sich alles frei von der Seele reden, während er im koreanischen alle gelernten Worte nach seinen Empfindungen durchsuchte.
"Ich zeige es dir."
Jimin wusste plötzlich, warum er Jungkooks Gegenwart so sehr mochte.
Denn er wusste, dass er mehr von diesem ganzen brauchte.
Er brauchte diese Lippen erneut auf seinen.
Die warmen Hände auf seinen eigenen.
Ihre Atmung, die sich begegnete, wenn sie so nah aneinander gelehnt saßen.
"Küss mich."
"Jimin, ich bin betrunken-"
Sanft zog Jimin den Mann näher an sich, ehe er dieses Mal derjenige war, der ihre Lippen vereinte.
Und sofort drückte Jungkook Jimin von sich.
"Ich darf dich nicht so anfassen", murmelte er danach, weshalb Jimin sich gekränkt wegsetzte. "Dann werde ich süchtig."
"Bitte?"
"Du bist so wunderschön, Jimin. Und du besitzt eine so tolle Persönlichkeit, das siehst du nur nicht. Du stehst dir selber im Weg. Du bist zu streng mit dir."
"Also willst du mich eigentlich küssen?"
Jimin hatte das Gefühl, plötzlich kein Koreanisch mehr zu können. Denn er wusste nicht, wie er seine Gedanken zu Wort bringen konnte.
"Ich möchte noch viel mehr als das, Jimin. Aber ich darf das nicht."
"Du solltest ins Bett, Jungkook. Du redest wirres Zeug."
"Nein, tu ich nicht, Jimin."
"Doch. Komm, ich bringe dich ins Bett."
Helfend stand Jimin auf, ehe er dem Geschäftsmann seine Hände hinhielt. Und Jungkook ergriff diese, ehe er Jimin mit einem Ruck auf seinen Schoß zog. "Hör mir zu Jimin."
Lächelnd zog der Mann den Amerikaner enger an sich. Und Jimin ließ ihn einfach machen.
Er fand das ganze fürchterlich aufregend.
"Du bist so schön und siehst es nicht."
Erneut gab Jungkook ihm einen Kuss auf die Lippen.
"So wunderschön."
Ein kurzer Kuss folgte.
"So- wunder-schön."
Müde ließ sich Jungkook fallen, sodass er längs über dem Sofa lag. Und Jimin blieb mit seinem Gesicht kurz über dem von Jungkook stehen.
"Du bist auch wunderschön", lächelte Jimin, ehe er dieses Mal einen kurzen Kuss auf Jungkooks Lippen hauchte. Schmunzelnd erwiederte dieser den Kuss, ehe Jimin sich löste.
Jungkook war innerhalb von Sekunden eingeschlafen.
Deshalb deckte Jimin ihn vorsichtig zu, ehe er das Chaos im Wohnzimmer beseitigte. Chanhyun und Danbi sollten ihre Vater nicht so vorfinden.
Lächelnd stellte Jimin den Fernseher ab, ehe er alles an Licht löschte und in seinem Zimmer verschwand.
Er würde definitiv Hoseok davon berichten.
Und endlich selber ins Bett kommen. Denn sein Tag war ziemlich anstrengend gewesen.

Au Pair ^JiKook^Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt