Die Euphorie ihrer Verlobung hielt lange an. Jeden Tag wachte Jimin in Jungkooks Armen auf, jeden Tag küssten sie sich als erstes, ehe sie gemeinsam die Kinder weckten und für den Tag fertig machten. Da Jungkook nach wie vor keine Arbeit hatte, blieb er den Tag Zuhause und fuhr mit Bam zu einem Hundetrainer, während Jimin tagsüber in seinem neuen Krankenhaus arbeiten war.
Es war tatsächlich wie immer, wenn da nicht immer wieder im Hinterkopf die Angst über die nächsten achtzehn Monate auftauchen würde.
Denn morgen wäre es soweit.
Morgen musste Jimin in den Wehrdienst, zusammen mit Taehyung. Jimin hatte viel mit Taehyung über die nächste Zeit geredet. Für die ersten sechs Wochen wären sie in derselben Basis, um das Grundtraining zu absolvieren. Danach wären sie getrennt, da Taehyung und er sich für unterschiedliche Wege innerhalb des Militärs entschieden hatten.
Jimin hatte herausgefunden, dass er neben dem normalen Wehrdienst als Pflegekraft arbeiten konnte. Zwar nicht so, wie außerhalb des Militärdienstes, aber immer noch so, dass es ein wenig Normalität in diese schwierige Zeit bringen würde.
Es war früher Nachmittag. Jimin hatte heute eine Frühschicht angenommen, um mehr von dem letzten Tag zu haben.
Er wollte so viel Zeit mit seiner Familie verbringen, wie es möglich war. Bis er morgen seinen Verlobungsring ablegen würde, seine liebsten Habseligkeiten in einen Rucksack stecken würde und dieses Haus die nächsten Monate quasi nie betreten würde.
Er hatte einen fürchterlichen Kloß im Hals.
Und das schien Jungkook zu bemerken. Denn eigentlich wollte er vor einigen Minuten ins große Badezimmer gehen, war aber nie von dem Bett im Schlafzimmer aufgestanden.
"Jimin?"
Langsam und leise kam Jungkook in ihr gemeinsames Schlafzimmer. Jimin saß schon seit Minuten still auf seiner Seite, hielt seinen Verlobungsring in den Händen und schaute diesen durch das verschiedene Licht an.
Er wollte nicht aufstehen.
Er wollte nicht, dass die Zeit verging.
Er wollte nicht in das Militär.
Er wollte kein Soldat werden.
Er wollte einfach nur hier bei seiner Familie bleiben. Aber das war nicht möglich, und das bekam er gerade wieder mit.
Denn er musste sich seine Haare abrasieren.
Er hatte doch erst jetzt Gefallen an sich und seiner Frisur gefunden.
"Kommst du?"
Neben Jimin lagen viele Fotos auf dem Bett. Fotos von Jungkook, Chanhyun, Danbi und ihren Freunden. Er wollte sie alle einpacken und mitnehmen. Er hatte Angst, dass er sonst alle Gesichter vergessen würde.
Still stand der junge Mann auf. Er hatte heute erneut still geweint. Er hasste es.
Leise lief er in das Badezimmer. Jungkook hatte einen Stuhl vor ihr Waschbecken gestellt, neben ihm lag eine Haarschere sowie ein Rasierer. Jimin mochte diesen Anblick nicht. Aber er war notwendig. Denn er musste sich die Haare abrasieren, um den Dienst anzutreten. Er hatte sich von Jungkook sowie seinen Freunden erzählen lassen, was ihn erwarten würde.
Jungkook hatte gemeint, dass die Zeit gut machbar war. Seokjin hatte gesagt, dass er aufgrund pyschisher Probleme seinen Aufenthalt verlängern musste, da er den Ersatzdienst hatte antreten müssen. Yoongi hatte von Anfang an den Ersatzdienst angetreten. Aufgrund einer Verletzung konnte er nicht den normalen Anforderungen gerecht werden, er hatte drei Monate länger bleiben müssen. Aber auch er hatte gemeint, dass es machbar wäre.
Hoseok hatte ihm einige Tipps gegeben. Er sollte im Winter immer zwei Paar Socken in den Stiefeln tragen, am besten dicke Tennissocken, er sollte immer ein Tshirt unter einem Pullover tragen und sich Wärmekissen für die Nächte mitnehmen, zusätzlich eine Schlafmaske und Ohrenstöpsel, um eine ruhige Nacht zu bekommen.
Und Namjoon hatte ihm eine Horrorgeschichte nach der anderen erzählt gehabt. Er war nahe der nordkoreanischen Grenze gewesen, musste auf hartem Holzboden schlafen, die Schlafplätze waren zu klein und nicht zeitgemäß, er hatte oft gefroren und gehungert, er hatte sich aufgrund von Schlafmangel oft verletzt. Es hatte Jimin stark verunsichert. Und Seokjin hatte ihn direkt danach angemeckert, dass er nicht so einen Blödsinn erzählen sollte. Es hatte alles nicht geholfen.
"Setz dich."
Ebenso schweigsam setzte sich Jimin hin. Fast sofort schloss er seine Augen, damit er das Grauen nicht mit ansehen musste. Jungkook biss sich auf die Lippe. Er wusste, wie sehr sein Partner darunter litt. Das hatte er ihm auch niemals gewünscht, aber er konnte es nicht verändern. Denn dafür hatte er nicht das Recht.
Aber wenn er könnte, würde er für Jimin das Gesetz erneut erfinden.
Leise begann er, Jimins Haare zu schneiden. Im Hintergrund hatte er sanfte Musik angemacht, damit er sich beruhigen konnte. Er war ebenfalls stark nervös.
Nachdem Jimins Haare grob geschnitten waren, nahm er den Rasierer in seine Hände.
Jimin hatte nach wie vor die Augen fest geschlossen, aus ihnen liefen regelmäßig einige Tränen.
Vorsichtig begann Jungkook, dem Mann die Haare zu rauben. Er fand es nicht fair.
Aber er wusste, dass Jimin die Kraft dafür nicht hatte. Deshalb half er ihm bei diesem schwierigen Schritt.
Und als er fertig war, Jimins Haare nicht mehr als ein hässlicher Buzzcut waren und ihr Boden voll mit der langen Haarpracht des jungen Mannes war, gab Jungkook dem Mann einen sanften Kuss auf die Wange.
"Deine Haare sind jetzt ab, Schatz."
Jimin öffnete vorsichtig seine Augen. Und danach begann er einfach zu weinen.
Still nahm Jungkook ihn in seine Arme.
Er wusste nicht, wie er helfen konnte. Deshalb hielt er ihn einfach ganz fest, während er weinte.
Zitternd strich sich Jimin über sein Gesicht. Er hatte sich dicke Klamotten angezogen, es war sehr kalt heute. Zusätzlich schneite es. Er hatte es gestern nicht geschafft, seinem Freund Seokjin richtig zum Geburtstag zu gratulieren. Eine kurze Textnachricht war bei ihm angekommen, mehr nicht. Er war nun vierzig Jahre alt, er hatte laut Jungkook den ganzen Tag gemeckert, dass Alter nur eine Zahl wäre und er gar nicht so alt wäre, wie alle behaupten würden. Anscheinend war der Tag sehr angenehm und lustig gewesen, Jimin hatte einfach seinen Rucksack gepackt gehabt.
Diesen hatte er nun auf seinem Rücken, die Kinder saßen im Auto und schienen nur noch zu warten. Jimin wollte ein letztes Mal sein Gesicht sehen, bevor er in diesen Horror musste.
"Kommst du, Jimin?"
Jimin nickte. Mit zitternden Händen entfernte er seine Ohrringe, die er danach auf die Anrichte neben ihre Schale für Schlüssel legte. Direkt danach folgte sein Verlobungsring.
"Komme."
Still lief Jimin nach draußen. Es war kalt, Jimin hasste diesen Tag. Und die nächsten, die kommen würden.
Er hasste so vieles.
Ebenso still stieg Jimin in Jungkooks Auto. Er fuhr seit wenigen Wochen wieder selbstständig Auto, er hatte dafür sein okay von seinem Arzt erhalten. Und das erfreute ihn doch sehr. Denn dadurch hatte er einen großen Schritt der Selbstständigkeit bekommen.
Egal, wie laut Chanhyun und Danbi auf der Rückbank auch waren, Jimin war es egal. Denn er blieb leise. Das bemerkten irgendwann auch die Kinder. Sie begannen auch zu schweigen. Denn sie bemerkten, dass etwas nicht stimmte.
Jimin war eine Autofahrt noch nie so lange vorgekommen wie gerade.
Denn die Basis lag ein wenig außerhalb von Seoul. Er hatte sich die Basis nicht aussuchen können, er hatte einfach zu Taehyung gewollt. Also hatte er sich für diese Basis entschieden.
Still stieg er aus. Neben ihm waren viele andere Männer hier. Sie waren fast alle jünger als er, sie schienen gerade erst alle volljährig.
Jimin fand es schade, dass sie ihre Jugend für so etwas opfern mussten.
Er hasste dieses System fürchterlich.
"Jimin."
Jungkook hatte mit Jimin gesprochen, wie er ihn verabschieden würde. Denn Homosexualität war in Korea nicht angesehen, Homophobie wurde quasi in Schulen gelehrt. Deshalb würden sie nicht offenbaren, dass Jimin mit Jungkook verlobt war.
"Wir müssen uns verabschieden."
"Okay."
Jimin lief eine Träne über die Wange. Und danach schmiss er sich förmlich in Jungkooks Arme. "Ich will nicht gehen."
"Ich weiß."
Die Kinder schienen verwirrt. Sie verstanden nicht, warum sie heute hier waren. Sie wussten nur, dass Jimin sie heute verlassen würden. Sie wussten aber auch, dass sie Jimin in achtzehn Monaten wieder sehen würden. Chanhyun hatte ihm einen Kalender gebastelt, mit dem Jimin die Tage zählen konnte. Genau so einen hatte er neben seinem Hochbett hängen. Er hatte Jimin einen Anhänger gebastelt, damit er ihn nicht vergessen würde. Danbi hatte ihm ebenso einen Anhänger gebastelt. Denn diese durfte er mitnehmen.
"Komm schon." Jungkook grinste. "Du schaffst das. Du schaffst das, weil du stark bist. An Weihnachten bist du doch schon wieder bei Namjoon Zuhause. Ich rufe dich an. Ich schreibe dir jeden Tag. Wir müssen dich nur jetzt anmelden, sonst kannst du rechtliche Strafen bekommen."
Jimin nickte. Er wollte nicht sprechen.
Kurz drückte er Jimins Hand, ehe dieser die Kinder fest umarmte. Er wollte es kurz halten, die Angst, sonst nie loslassen zu können, nagte an ihm.
Deshalb schulterte er schnell erneut seinen Rucksack, ehe er zur Basis lief.
Jungkook schaute ihm hinterher, die Kinder hielt er fest an seinen Händen.
Jimin würde zu ihnen zurück kommen.
Denn sie liebten sich.
Sie waren eine Familie.
Und das würden sie auch für immer bleiben, bis er wieder kommen würde. Und danach, für alle Zeit.
Jungkook würde warten.
Jimin würde es schaffen. Und danach würden sie sich nie wieder trennen.
~The End~
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Au Pair ^JiKook^
ФанфикшнJeon Jungkook ist Geschäftsmann in einem erfolgreichen Unternehmen. Er würde sich selber als Workaholic bezeichnen, wenn ihn jemand nach einer kurzen Vorstellung fragen würde. Jedoch vernachlässigt er dadurch seine zwei Kinder, wie all seine Freunde...
