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Wie so oft die letzten Nächte wurde Jimin von einem lauten Schrei aus dem Schlaf gerissen. Und wie so oft rannte er sofort aus dem gemeinsamen Schlafzimmer, um nach seinem Sohn zu sehen. Denn dieser schien wieder in einem Flashback gefangen zu sein.
Jungkook rieb sich müde die Augen, ehe er sein Nachtlicht anstellte. Jimin hatte bei dem ganzen Schwung die Bettdecke von ihm gerissen, sein Kissen war ebenfalls zu Boden gefallen.
Er verstand plötzlich, wie schlimm die Situation für Chanhyun sein musste. Er hatte von den letzten Anfällen immer nur von Jimin über das Telefon erfahren, aber seinen Sohn so schreien zu hören, ließ ihn mehr als nur hilflos fühlen.
Denn er konnte nichts machen.
Weder aufstehen, noch ihn beruhigen.
Er hatte die Hoffnung, dass Jimin mit Chanhyun zu ihm kommen würde. Denn dann könnte er seinen Sohn ebenfalls in den Arm nehmen.
Geräuschvoll zog sich Jungkook an seinem Aufrichter hoch, es war fürchterlich anstrengend. Aber sobald er ein wenig besser saß, konnte er aus der Zimmertür schauen. In Chanhyuns Zimmer brannte Licht, anscheinend war Jimin noch mit ihm vor Ort. Kurz schaute er zu seinem Rollstuhl. Die Idee überfiel ihn, in diesen zu klettern und zu den beiden zu gelangen. Immerhin hatte Jungkook die letzte Woche lang nichts anderes außer den Transfer in und aus diesem Hilfmittel geübt, dazu hatte er viele Kraftübungen in beiden Armen machen müssen.
Der Gedanke war schnell wieder verflogen, als Jimin mit Chanhyun auf dem Arm in ihr Schlafzimmer kam. Chanhyun krallte sich fest in Jimins Tshirt, er hatte seine Augen fest geschlossen und schniefte leise. So verstört aussehend hatte Jungkook seinen Sohn noch nie gesehen.
"Siehst du Channie? Appa ist hier, ihm geht es gut. Er ist nicht böse auf dich." Jimin wippte den Jungen sanft auf und ab. Und dabei schien er sich gut zu beruhigen. Das hatte ihn schon als Baby immer ruhig gebracht. Anscheinend änderten sich manche Dinge nie.
"Channie." Jungkook versuchte ohne Wortpausen zu sprechen, um den Jungen nicht weiter zu verstören.
"Möchtest- du zu- Ap-pa?"
Vorsichtig öffnete der Junge die Augen. Und als er seinen Vater im Bett sitzen sah, schien er tief durchzuatmen. "Appa!" Sofort wollte er sich aus Jimins Armen befreien, um zu dem Mann zu kommen. Und Jimin kämpfte dagegen an, damit er nicht auf den Boden fiel. Vorsichtig setzte er ihn auf die Bettkante. Und Chanhyun setzte sich sofort in Jungkooks Schoß.
"Es tut mir so leid Appa", weinte er, während er sich an Jungkooks nackte Brust drückte. "Ich wollte nicht weinen. Aber die Küche- die Küche war in meinem Traum und-" "Schatz." Sanft hauchte Jungkook dem Jungen einen Kuss auf die Lippen. "Es ist- okay. Je-der darf wei-nen. Auch du. Auch ich. Auch Dad-dy. Auch Danbi. Je-der darf trau-rig sein. Möchtest- du bei Dad-dy und mir schla-fen?" "Ja. Ich will nicht mehr daran denken müssen, Appa. Warum macht mein Kopf das immer? Ich will das ja gar nicht." Jungkook strich ihm sanft über die Haare. Und seine linke Hand wanderte ganz langsam und zitternd zu Chanhyuns Hand. Sanft legte er sie auf seine, weshalb Chanhyun sie ganz fest griff.
Und Jimin setzte sich neben die beiden.
"Du bist traumatisiert", begann Jimin dann. "Das heißt, dass du immer wieder daran denkst, ohne dass du das möchtest. Und das heißt auch, dass du immer gleich empfindest, wenn du daran denkst. Deshalb gehen wir ja jeden Dienstag und jeden Donnerstag zu Dr Cheng. Und deshalb reden wir da so oft drüber. Möchtest du mit uns darüber reden?"
"Ich will nicht."
"Okay."
Jimin hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. "Wenn du doch darüber reden möchtest, darfst du uns auch wecken. Oder wenn etwas anderes ist. Soll ich dein Kissen holen?"
"Ja."
Chanhyun strich sich mit seiner freien Hand die Tränen aus dem Gesicht. Und Jimin stand schnell auf, um das Licht in dem Kinderzimmer zu löschen sowie das Kissen und das Kuscheltier des Jungen zu besorgen.
"Hast- du immer sol-che Angst?" Jungkook strich dem Jungen über die nassen Wangen. Und Chanhyun nickte kurz. Es war ihm peinlich, immer noch so darüber zu weinen. Jungkook nickte verstehend. "Ich las-se mir da-für etwas- einfallen. Ist- das okay?" "Ja Appa." Müde gähnte Chanhyun. Und Jimin legte sofort sein Kissen in die Mitte des Bettes.
"Channie, musst du Pipi machen?"
"Mhm. Hatte keinen Unfall."
"Ich bin stolz auf dich!"
Jimin nahm den Jungen sanft in seinen Arm, ehe sie den Raum wieder verließen. In der Zeit legte Jungkook das Kissen ordentlich hin, der Plüschhund wurde ordentlich auf das Kissen gelegt, damit Chanhyun ihn gleich fest in den Armen halten konnte.
Es verursachte Jungkook Bauchschmerzen, wenn er daran dachte, wie sehr sein Sohn litt. Er musste dringend mit Jimin eine Lösung finden. Denn das war so kein Zustand. Der Junge durfte nicht jede Nacht schreiend aufwachen, weil er an den schrecklichen Morgen dachte. Er sollte nachts schöne Träume haben, wie andere Jungen in seinem Alter spielen und Freunde treffen. Und das war momentan alles andere als möglich. Denn durch die ganzen schlaflosen Nächte und Therapien hatte er keine Zeit oder Kraft, um Freunde einzuladen. All das, was Jungkook seinen Kindern immer gewünscht hatte, war nicht möglich. Es war schrecklich.
Er brauchte Lösungsvorschläge.
Und das schnell.
Jimin kam leise mit Chanhyun an der Hand in den Raum gelaufen. Chanhyun wirkte wieder deutlich ruhiger, Bauchschmerzen hatte Jungkook nach wie vor. Denn er hasste es, so machtlos neben der Situation zu stehen.
"Appa, darf ich mit dir kuscheln?" Chanhyun kletterte vorsichtig in die Mitte des Bettes, ehe er sich auf sein Kissen legte und sein Kuscheltier fest umarmte.
"Na-türlich, mein- Schatz. Ich kann- dich viel-leicht nicht- so gut fest-halten." "Okay. Dann halte ich dich fest."
Der Junge drückte sich sofort gegen die Brust seines Vaters. Und Jimin deckte sie allesamt vorsichtig zu, ehe er sein Nachtlicht ausstellte.
Kurz war es still, bis Chanhyun zu summen anfing.
Anscheinend beruhigte es ihn.
"Du Appa?"
"Ja?"
"Sind wir jetzt eigentlich arm? Weil du keine Arbeit mehr hast?"
Jungkook schmunzelte kurz. Und danach hörte Jimin, wie sein Partner ihrem Sohn einen Kuss aufhauchte. "Nein, Dad-dy arbeitet- noch. Und ich- klage ge-gen meine Ar-beit. Also kann- es sein, dass- ich- bald wieder ar-beiten darf." "Im Rollstuhl?" "Im- Rollstuhl." "Und was ist, wenn du deine Arbeit nicht bekommst? Sind wir dann arm?"
Jimin drückte sich von hinten an den Jungen. Jungkook hatte wieder Probleme mit seiner Sprache, normalerweise brauchte er immer viel Wasser. Und das hatte er gerade nicht. Deshalb beschloss er das Reden zu übernehmen.
"Ich gehe ja arbeiten, Channie. Und wenn wir Probleme mit dem Geld haben, dann werden unsere Freunde uns garantiert helfen. Da bin ich mir sehr sicher." "Meinst du Onkel Joon? Weil der hat ganz viel Geld." "Mhm. Aber das Geld verdient doch Onkel Jinie." "Mit den Fotos?" "Genau mein Schatz. Wir sollten jetzt unsere Augen zu machen."
"Warum?"
"Weil es mitten in der Nacht ist."
"Ich will nicht schlafen."
Chanhyun drückte sich fest an Jungkook, weshalb dieser laut ausatmete. "Habe Angst. Ich habe dann immer den bösen Traum."
Jimin schwieg. Er wusste nicht, was er darauf antworten sollte.
"Wenn du wieder böse träumst, dann hast du Appa und Daddy direkt bei dir. Dann sagst du uns sofort bescheid. Wir halten dich ganz fest."
"Ganz- dolle", ergänzte Jungkook sofort. Auch er wollte seinem Sohn positiv zusprechen. Chanhyun murmelte leise gegen Jungkooks Brust.
Diese Attacken laugten ihn immer aus. Eigentlich schlief er danach immer sofort leise weiter. Und meistens schlief er danach ruhig bis zum nächsten Morgen.
"Ji-min?"
"Ja?"
"Ich ha-be eine- Idee. Gegen Chan-hyuns Träume."
"Ist sie jetzt einsetzbar?"
"Nein."
"Dann lass uns morgen darüber reden, ja? Es ist spät und wir sollten schlafen." Jimin strich sanft über Jungkooks Wange. Er spürte, wie sein Partner sich in diese einfache Berührung lehnte.
"Schlaf- gut. Ich liebe dich."
"Ich dich auch, Jungkook."
Mit einem warmen Gefühl im Bauch schloss Jimin die Augen. Er hoffte, dass Jungkook eine gute und vor allem eine umsetzbare Idee hatte. Denn vielleicht würde es alles verbessern können. Lebensqualität würde allen von ihnen guttun. Denn Jimin merkte, wie er langsam für alles seine Kraft verlor.

Au Pair ^JiKook^Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt