Kapitel 3: Der nächste Tag

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• Vittorius •

Warum nur haben die Menschen immer solch eine Angst vor mir, wenn ich ihnen erzähle, dass ich ein Vampir bin?

Als ob ich mein Bluttrieb nicht im Griff habe. Ich trinke nie von Menschen, die nicht willig sind. Und ich biete immer einen fairen Handel: Blut gegen Taler.

Ab und an, wenn ich keinen Menschen finde, gebe ich mich auch mit dem Blut eines Tieres zufrieden. Einige Mahlzeiten tierisches Blut kann ich zu mir nehmen, aber es wird auf Dauer nicht die benötigten Nährstoffe liefern.

Alles ausprobiert, leider.

Mein Weg führt mich nun zurück in das Haus von Fyodor Fleischer und seiner Familie. Die sitzen im Schein einiger Kerzen noch am Tisch und essen verhältnismäßig spät zu Abend.

„Mein Herr, willkommen zurück. Wie es der Zufall so will, sind wir noch am Speisen. Das Fleisch und die Wurst ist frisch geschlachtet. Mögt Ihr euch dazu setzen? Natürlich seid Ihr eingeladen, mein Herr", sagt Fyodor in besonders freundlichem Tonfall.

Ja, was für ein Zufall und bestimmt nicht so geplant.

„Ich bin versorgt, ich danke euch, Herr Fleischer", entgegne ich höflich und lehne ab.

„Darf es ein edler Tropfen sein? Ich habe einen edelsten Whiskey oder einen wohlschmeckenden Rum im Hause", schleimt der Fleischer drauf los.

Nun, gegen einen Schluck habe ich nichts.

„Whiskey, ich danke euch", erwidere ich und setze mich dann an die andere Stirnseite des Tisches, auf die der Fleischer mit freundlich ausladender Geste zeigt.

Er füllt nun zwei Gläser, vermutlich die saubersten Exemplare aus seinem Schrank, mit dem edlen Tropfen und überreicht mir ein Glas davon.

Dann setzt er sich zurück auf die andere Stirnseite und hält das Glas in die Höhe. Mit einem Trinkspruch des Fleischers landet der erste Schluck dann in meinem Mund, der ein vertraut brennendes Gefühl in der Kehle auslöst.

„Ich bringe die Kinder zu Bett, ich wünsche einen angenehmen Abend", schaltet seine Frau sich ein und die Kinder springen wie von einer Tarantel gestochen auf.

Und schon verlassen sie den Raum und ich bin der Plauderlaune des Fleischers ausgesetzt, der mir von Schluck zu Schluck noch eine seiner exzellenten Wurstzubereitungen andrehen will.

Wenn er wüsste, dass ich ein Vampir bin, würde er das wohl lassen. Aber nach der Reaktion von diesem Lucan behalte ich den Fakt für mich.

Aus der Kinderstube, die ein Stockwerk über uns liegt, höre ich nun dank meines Vampirgehörs die leisen Stimmen der Knaben.

„Mutter, warum hat der Mann rote Augen?", will der ältere Bub wissen.

„Kümmere dich nicht darum, schlaf nun", wehrt die Frau ab.

„Er hat so lange Zähne. Ist er ein Ungeheuer?", will das kleine Mädchen wissen.

„Das sind doch nur Märchen, Kleines. Er sieht eben ein wenig anders aus, nicht mehr, nicht weniger", erklärt die Frau in ruhigem Tonfall.

Ihre nervöse Ausstrahlung zeugt aber davon, dass sie nicht ruhig ist. Schließlich lässt sie von den Kindern ab und geht dann in das Schlafgemach für sie und ihren Mann.

Normalerweise lausche ich nicht, denn ich empfinde genug Respekt den Personen gegenüber, als dass ich das tun würde.

Zugegeben, es gibt dann Ausnahmen wie diese. Manchmal besprechen die Menschen nämlich auch, wie sie mich ausrauben wollen oder dergleichen. Vorsicht ist da besser als Nachsicht. Auch ich kann hinter stählernen Gittern eingesperrt werden und beispielsweise verdursten.

Prinz LucanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt