Kapitel 85: Der endgültige Abschied

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• Lucan •

Der Vormittag im Schloss war wirklich sehr schön. Ich habe mir Lilia gekrallt und habe mir von ihr noch einmal das Schloss zeigen lassen. Dann habe ich der Kleinen meine sämtlichen Weisheiten mit auf den Weg gegeben, wie sie ihre rebellische Seite klug und durchdacht ausleben kann. Und ja: Die Kleine ist mir direkt ans Herz gewachsen und jetzt sitzt sie mit Tränen auf meinen Schoß und umarmt mich, weil unsere Abreise in einer guten Stunde ansteht.

Ich muss mich schwer zusammennehmen die Kleine nicht auch heulend zu umklammern oder sie einfach mit auf Reisen zu nehmen. Auf so ein forsches, kleines Mädchen werden zwei erfahrene Vampire doch locker aufpassen können!

Vittorius' Blick ist aber eindeutig: Abschied.

Und genau das tun wir hier: Mit der gesamten Familie sitzen wir im Speisesaal und trinken einen aromatischen Kaffee oder einen lieblichen Tee. Dazu gibt es Gebäck in verschiedenen Formen und Varianten. Ich schwelge gerade aber sehr gerne in den Erinnerungen und lausche den ganzen „Weißt du noch?" Anekdoten, die unsere engsten Vertrauten an den Tag legen.

Elisa nimmt dann meine Hand und wirft mir ein Lächeln zu.

„Auf ein Spaziergang?", fragt sie und nickt auf die offene Tür zur Terrasse, die den ersten Duft des nahenden Frühlings in den Speisesaal treibt.

Ich setze Lilia dann auf den Stuhl, was sie tapfer hinnimmt und sich dann von mir mit einem Stück Kuchen beschäftigen lässt. Kurz streiche ich ihr über den Kopf und sie sieht mit leuchtenden Augen zu mir auf. Meinen stummen Blick mit der Bitte an Vittorius kommt an, auch ohne diese auszusprechen: Haltet mich bitte davon ab heimlich ein Kind zu entführen.

Elisa und ich gehen nun Arm in Arm, weil die meisten Anwesenden noch immer denken, dass wir ein vermähltes Paar sind, hinaus und erklimmen die kleinen Stufen zum Garten des Schlosses. Ich lege Elisa meinen Umhang um die Schultern und befestige ihn, worin sie sich freudig einkuschelt.

„Willst du ihn als Andenken behalten?", frage ich mit einem Lächeln.

„Das wäre schön", erwidert sie und fühlt den Stoff des Umhangs.

Einige Schritte gehen wir, ohne was zu sagen und genießen einfach unsere letzten Momente. Elisa kann eh nicht mehr so schnell laufen und nach den ersten Ecken suchen wir uns eine Bank, auf der sie ihre Knochen ausruhen kann.

„Ich bin sehr dankbar darüber, dass Vater mich in deine Arme getrieben hat. Ich kann mir kein besseres Leben vorstellen, als das, was ich gelebt habe. Nun kann ich mit einem guten Gefühl die Reise zu Julius antreten. Ich vermisse ihn so sehr und kann es kaum erwarten, ihn wiederzusehen", verrät Elisa dann und schaut mit nassen Augen zu mir hoch.

Und schon liegen wir uns unter Tränen in den Armen.

Scheiße, ich dachte, dass ein Abschied von den Lebenden leichter ist, verdammt!

Elisa und ich sprechen nun noch eine gute Dreiviertelstunde miteinander und schauen aneinander gekuschelt auf die Knospen des Gartens, die bald von den zahlreichen Bediensteten des Schlosses gepflegt werden. Ich spreche meine Gefühle von der Seele und teile mit Elisa meine Gedankengänge, die mich quälen und so eine Trauer empfinden lassen. Und über noch so viel mehr. Auch Elisa nutzt die Gelegenheit und spricht mit einem Freund.

Ganz ohne Adelsnormen oder was auch immer.

„Ich bin so froh, dass wir dieses Gespräch noch führen konnten", sage ich ihr schließlich, während ich ihr von der Bank aufhelfe.

„Dem stimme ich zu, lieber Lucan", erwidert sie und dann umarmen wir uns noch einmal innig.

Mit einem Lächeln hebe ich Elisa dann in meine Arme und trage sie den Weg zurück bis in den Speiseraum, der auch schon die Anzeichen der Aufbruchsstimmung zeigt. Gemeinsam gehen wir als Gruppe dann zum Haus von Vittorius, was nun Talon gehört. Dort holen wir unser Reisegepäck ab und bringen es dann an Vittorius' Kutsche an, die wir zu seinem Haus in der Länderei mit den Himmelslichtern bringen werden.

Prinz LucanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt