Kapitel 4: Der Mensch und der Vampir

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• Lucan •

Mein Abend verläuft wieder so, wie viele andere Abende auch: Alleine und ohne ein Ziel in meiner Hütte.

Es gäbe noch ein kaputtes Dach, was ich reparieren könnte, aber mir fehlt die Kraft und Motivation.

Mittlerweile ist nun auch die Sonne hinter dem Horizont ins Meer gefallen und es ist Zeit fürs schäbige Bett. Vorher muss ich aber dringend meine Blase erleichtern, also gehe ich durch die kühle Nachtluft zum Donnerbalken, um das zu erledigen.

Auf dem Rückweg öffne ich wieder meine Tür und trete zwei Schritte in den dusteren Raum, da bekomme ich den Schreck meines Lebens.

„Einen schönen guten Abend, Lucan", begrüßt der Vampir mich mit guter Laune.

Er sitzt gelassen auf dem Stuhl und sieht aufmerksam in meine Richtung. Heute leuchtet der Mond bereits hell am sternenklaren Himmel, weshalb der Mondschein das blasse Gesicht des Vampirs beinahe zum Leuchten bringt.

Und die weißen, scharfen Zähne blitzen bei seinem Lächeln hervor.

Es reicht.

„Meine Fresse, ich will meine Ruhe!", sage ich komplett abgenervt.

„Du hast es niemandem erzählt. Dabei bot Ludolf Rauriss dir eine lukrative Bezahlung", gibt der Vampir von sich.

Ich drehe mich um und will einfach aus der Hütte gehen. Kein Problem, bei der Kuh im Unterstand ist auch für einen Hünen wie mich noch Platz.

Allerdings stoße ich gegen seine muskulöse Brust und pralle einen halben Schritt nach hinten, zurück in meine Hütte.

„Warum hast du niemanden erzählt, dass ich ein Vampir bin?", will er nun wissen.

Dieser arrogante und hoch nervtötende Adelsarsch geht mir so sehr auf den Puffer!

Vampir hin oder her!

Er soll mich verdammt noch mal in Ruhe lassen!

„Ist doch euer Geheimnis, was kümmert mich das? Außerdem habt Ihr es mir hier im Vertrauen und nicht auf dem Dorfplatz erzählt. Ist nicht meine Sache", haue ich raus.

Sagen will ich es ihm nicht, aber ich habe auch eine Ehre. Und ich erzähle nicht einfach Dinge weiter, die ich nicht einschätzen und begreifen kann. Sowas macht man einfach nicht.

In der nächsten Sekunde gehen mir die Lichter aus.

• Vittorius •

Den muss ich mitnehmen, ein Mensch wie er gehört nicht in so ein Dorf. Und er braucht die richtige Art von Aufmerksamkeit, um was aus sich zu machen.

Das Bewusstsein kann ich ihm Dank meiner Vampirschnelligkeit schnell nehmen und schon sackt er in meine Arme.

Bei seiner Statur ist er kein Fliegengewicht, aber meine vampirische Stärke bekommt das locker hin. Ich lasse mein Blick nun durch seine Hütte schweifen und ziehe die erdrückende Atmosphäre in mir auf. So leben zu müssen ist wahrlich kein Zustand und sein Vater ist ein richtiger Unmensch, wenn er seinem Sohn sowas als Strafe zukommen lässt.

Hab und Gut besitzt Lucan nicht, also werfe ich mir seinen Körper über die Schulter und trage ihn dann aus der Hütte. Ins Dorfzentrum gehe ich so nicht, denn dann wäre was los.

Der zwielichtige Mann mit den tiefroten Augen trägt einen bewusstlosen Dorfbewohner mit sich herum, das wirkt nicht gerade alltäglich und freundlich. Mein Weg führt mich dann direkt in den angrenzenden Wald, weit genug weg vom Dorf aber noch nah genug an der Zivilisation.

Mit der Erdmagie erhebe ich einen kleinen Unterstand und eine steinerne Liegefläche. Lucan halte ich nebenbei fest, seine Arme schwingen dabei leicht hin und her. Dann rupfe ich einige der Blätter der nahen Büsche mit großem Farn zusammen und schaffe so eine weiche Unterlage. Geschickt löse ich von meinen Schultern dann meinen schwarzen Umhang aus edlem Stoff, ziehe ihn halb unter Lucans Gewicht hervor und lege den Stoff auf die Blätter. So kann ich Lucan erst einmal ablegen, für einen Menschen ist das aber noch zu kalt.

Prinz LucanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt