Kapitel 23: Nach dem Wutausbruch

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• Lucan •

Ich erwache in meinem Bett und mich überkommt direkt die Scham, weil ich nach meinem ellenlangen Ausraster gestern wohl einfach vor Erschöpfung eingeschlafen bin.

Und der ging echt lange.

Vittorius lehnt in lockerer Hose und mit einem engen ärmellosen Oberteil seitlich an der Wand neben meinem Bett an. Er mustert mich aufmerksam, er selbst sieht aber auch leicht fertig aus.

„Ihr könnt ruhig schlafen gehen", murmle ich, drehe mich von ihm weg und wende ihm meinen Rücken zu.

„Bitte nähre dich erst", sagt er und ich spüre dann, wie sein Arm über meiner Schulter gebeugt ist und mir eine Karaffe mit frischem Menschenblut hinhält.

Mein Körper wird sofort mit Leben durchflutet und ich ergreife die Karaffe. Mit gierigen Schlücken leere ich das Behältnis und seufze dann zufrieden vor mich hin.

Blut hat so eine Macht ...

Vittorius klopft auf meine Schulter und ich sehe hoch in seinen friedlichen Blick. Eine Sekunde später umklammert er mit seinen Klauen meinen Hals und drückt mich streng auf die Matratze. Ich erschrecke mich dabei total und schaue mit großen Augen hoch in zornige tiefrote Augen.

„Du hast mich mehrfach beschimpft, angeschrien und angegriffen! Andere Meister haben vielleicht erbarmen, aber da kannst du bei mir lange drauf hoffen! Ich werde eine gerechte Strafe aussprechen, die du voller Demut hinnehmen wirst!", betont er wirklich erbost.

Das erste Mal erlebe ich ihn so und ich sag es, wie es ist: Noch nie habe ich so großen Respekt empfunden.

„J-ja, Vampirmeister", betone ich stammelnd.

Vittorius schaut noch einen Moment über alle Maße streng, dann weicht ihm sein vernichtender Blick für ein leichtes Lächeln.

„Mehr Lese- und Vorlesestunden, alles in deiner freien Zeit. Das ist eine gerechte Strafe. Gleich morgen, heute ruhen wir uns aus", befiehlt er dann.

Ich nicke stumm.

Dann löst Vittorius seinen Griff und lässt mich in meinem Gemach zurück. Er wird sich nun ohne jeden Zweifel eine Portion Schlaf genehmigen.

Und im Ernst?

Lesen und Vorlesen als Strafe?

In welchem seiner Gedankengänge ergibt es Sinn, sowas als Strafe zu definieren? Er weiß doch genau, wie gerne ich das bei ihm erlerne.

Mit einem breiten Grinsen schwinge ich mich dann aus dem Bett, um mich für den Tag fertig zu machen. Von wegen ausruhen, ich fühle mich, als könne ich Bäume ausreißen!

• Vittorius •

Ich nehme noch wahr, wie Lucan aufsteht und in seinem Bad verschwindet. Dort wird er wieder einmal eine ausgiebige Badewanne genießen, weil er von diesem Luxus noch immer nicht genug bekommen kann.

Eine Strafe, in der er sein Gemach nicht verlassen darf, wäre nicht wirkungsvoll bei ihm.

Er braucht eine strenge Hand, aber vor allem braucht er einen Freund. Erst recht nach dem, was er durch Samael erleiden musste

Ich habe es neulich in seinem Blick gesehen, als Samael ihn zum Lesen gezwungen hat und mich schlagen ließ. Große Wut und der Drang nach Auflehnung hin oder her, aber Lucan hätte sich lieber selbst eine gefangen, statt dass es mir zustieß.

Und mich anzugreifen macht er nur, weil er weiß, dass er freie Bahn hat und dass er so seine Wut rauslassen kann.

Fürs Erste hat Lucan aber recht: Ich muss dringend ins Bett gehen und mich ausruhen. All diese Strapazen und diese ganzen Bilder setzen selbst mir als Jahrhunderte alter Vampirmeister zu.

Prinz LucanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt