Kapitel 29: Die erste Reise

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• Lucan •

Mit großen Augen stehe ich vor einer schwarzen Kutsche, die jetzt nicht enorm pompös aussieht, aber sehr stabil und hochwertig. Das Holz von außen ist besonders gegen das Wetter behandelt, ganz gleich, ob die heiße Sonne im Sommer draufbretzelt oder der heftige Schneesturm im Winter anklopft. Ich blicke dann neugierig hinein, das Innenleben ist mit weichem und robustem Stoff verkleidet und es sieht sogar echt gemütlich da drin aus.

Fast wie eine kleine eigene Welt da drin. Eines Tages muss ich mal meine Familie in einer Kutsche durch die Gegend fahren! Sofern das als Vampir überhaupt geht mit der Familiengründung.

„Lucan, jetzt verstau deine Koffer endlich, ich will heute noch losfahren", ertönt Vittorius' Stimme hinter mir, der nun ebenfalls seinen Koffer auf der Rückseite festzurrt.

Ich tue es ihm dann gleich und er muss mir dann auch noch helfen, bevor wir mein Gepäck unterwegs noch verlieren. Ich schaue aber dabei zu, damit ich das beim nächsten Verladen und Sichern ganz alleine hinbekommen kann. Wie er diesen strammen Knoten da aber gesetzt hat, habe ich mir nicht merken können. Was soll's.

Kyrill kommt nun auf uns zu, er wird aber hier bleiben. Ihm übertrage ich in unserer Abwesenheit die Führung von Lilienhain, weil dieser Mann dazu mehr als fähig ist und durch die ganzen gemeinsamen Besprechungen ist Kyrill eh über alles im Bilde. Und er ist so überaus streng und dominant in seiner Umgehensweise mit den Wachmännern unter ihm, dass er alles im Griff haben wird. Wer aber seine Befehle befolgt, braucht vor ihm nichts zu befürchten.

„Fürst Lucan, darf ich fragen was mit Rory geschehen soll?", hakt Kyrill noch nach.

Der ehemalige Wachmann sitzt seit Wochen in der Zelle ein, denn ich habe nicht die Schnitte, um ihn vor allen Wachmännern hinzurichten. Rory lässt sich aber brav inhaftieren und versorgen, er wird nie laut oder dergleichen. Vermutlich hofft dieser Mensch auf seine Freiheit, die Frage von Kyrill ist durchaus berechtigt.

„Unter uns, was rätst du mir, Kyrill?", frage ich meinen Hauptmann.

„Nun, Rory hat unter Samael stets treu gedient und seine Befehle ausgeführt. Sicher würde er dies weiterhin so tun, nur unter eurem Namen. Beide Vorgehensweisen wären logisch und verständlich", erwidert Kyrill ehrlich.

Wenn ich an dem Hauptmann etwas schätze, dann ist es, dass er nie ein Blatt vor den Mund nimmt.

„Hole ihn aus der Zelle und teile ihn als untersten Helfer Burschen der Stadtwache ein. Er soll die Räumlichkeiten schrubben, für energiereiche Speisen sorgen und die Rüstungen pflegen. Er selbst darf weder Rüstung noch Waffe tragen. Und dann beobachte ihn, Kyrill. Wenn er sich bewährt, sehe ich weiter", spreche ich mein Urteil.

Das erstaunt sowohl Vittorius, als auch Kyrill. Aber natürlich stellt Kyrill das nicht in Frage und nickt. Er wird die Anweisung also umsetzen und wenn ich zurückkehre, bekomme ich meinen Bericht über Rory. Dann verabschiedet sich der Hauptmann von uns und ich rechne ihm hoch an, dass er nicht mal nervös ist, jetzt wo er die alleinige Verantwortung für kurze Zeit trägt.

Vittorius schwingt sich mit der Luftmagie auf den Kutscherplatz, dann rutscht er ein Stück zur Seite und klopft neben sich auf die Bank. Mit einem Lächeln nehme ich daneben Platz, denn mein Vampirmeister weiß ganz genau, dass ich von hier oben gucken will. Vor uns schaue ich nun auf die zwei Skelettpferde, die Vittorius in die Halterungen für die Pferde eingehangen hat.

Praktisch, dass die eine schier unendliche Kondition haben.

Und schon setzt Vittorius die Skelettpferde in Bewegung, Kyrill hebt zum Abschied die Hand und wird nun ganz Lilienhain stellvertretend im Blick haben. Ich schaue die erste Kurve, die vom Palast wegführt, staunend dabei zu. Dann ist es mit meiner Geduld aber vorbei.

Prinz LucanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt