Kapitel 31: Im kleinen Dorf

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• Vittorius •

Mein vampirischer Nachwuchs bereitet mir ziemliche Sorgen, denn die Wundheilung geht nur schleppend voran. Ich fahre wirklich besonders vorsichtig, aber die Erschütterungen reichen schon aus, um den Prozess zu erschweren. Und die inneren Verletzungen an seinem Rücken scheinen sich entzündet zu haben, Lucan braucht dringend eine bessere medizinische Versorgung. Blöd nur, dass ich noch einen guten Tag Fahrt auf beschwerlichem Weg vor mir habe.

Es ist nicht lebensgefährlich, aber die unangenehme Reise würde ich ihm gerne ersparen.

„Nun lass mich doch helfen!", ermahne ich Lucan, der sich unbedingt selbst den neuen Verband um den Oberkörper wickeln will.

Nur kommt er nicht weit damit, weil die Schmerzen zu groß sind. Laut fluchen und die Bandagen beleidigen, klappt aber wunderbar

„Ich kann das alleine!", behauptet Lucan weiterhin strikt und müht sich ab. Er kann sich aber kaum zur Seite drehen, ohne seine Mimik zu verziehen und dann innezuhalten, weil ihm Sterne in sein Blickfeld wandern.

Warum nur habe ich so eine sturen Spross abbekommen?

„Offensichtlich nicht, nun gib schon her. Das ist kein Problem, wirklich", versuche ich es noch ein letztes Mal auf die sanfte Tour.

„Verzieht euch, Adelsarsch!", haut Lucan raus.

Dieses mal erspare ich ihm eine Standpauke, die Not ist viel zu groß und er handelt eher aus dem Affekt heraus. Also ergreife ich nun die Bandage und halte Lucan fest, um noch ein wenig mehr von der heilenden Salbe auf seinem Rücken zu verteilen, wo er selbst nicht ran kam und dann wickele ich ihm den Verband fachmännisch um den Oberkörper. Was ziemlich anstrengend ist, weil er sich wehren will und ihn dabei zu seinem Selbstschutz festzuhalten, alles andere als leicht ist. Aber auch das meistere ich, er ist nicht der erste wehrhafte Patient. Die anderen waren nur Menschen und keine Vampire mit mehr Muskelkraft.

Als ich ihm aber helfen will sein Oberteil wieder über den Kopf zu ziehen, reißt er es mir mit einem gemurmelten „Danke, das geht schon" aus der Hand und zieht sich dann selbst wieder an.

Lucan macht es sich dann so bequem wie möglich und versucht ein bisschen Puffer mit den Decken im Rücken aufzubauen, was aber leider nur bedingt gut funktioniert. Ich lenke die Kutsche nun auf dem letzten Rest des Weges, wo die steile Hanglage teils eine ziemliche Herausforderung ist und meinen armen Spross gut durchrüttelt.

Merke: Für die Zukunft immer einen Notfall Kasten mit den wichtigsten medizinischen Dingen mitführen, vor allem im erweiterten Sinne mit starken Schmerzmitteln und einer Dosis zur Betäubung. Am liebsten würde ich Lucan nämlich gerade schlafen legen, damit seine angestrengten Muskeln sich nicht bei jeder Unebenheit anspannen müssen.

Nun, er wird es schon überleben.

Und wer auch immer dafür verantwortlich ist, den werde ich heimsuchen und ihm mindestens genauso wehtun!

Immerhin kommen wir dann endlich in dem Dorf beim Kaltbergpass an, in dem sich der gute Freund von mir niedergelassen hat. Mittlerweile ist der Mann aber auch schon in die Jahre gekommen, als Vampir verpasst man schnell mal die Blüte des Lebens von Freunden. Das habe ich bereits schmerzlich erleben müssen und keiner kann sich vorstellen, wie sich das anfühlt, wenn man versehentlich 20 Jahre zu spät kommt. Bei ihm ist das aber nicht so, ich habe seine Höhen und Tiefen hautnah mitbekommen.

Die Kutsche lenke ich durch das Schneetreiben des Abends und so erreichen wir am dritten Tag des zwölften Monats das kleine Örtchen Tannenberg, das von einer Vielzahl an Tannen umgeben und so leicht vor dem kalten Wind des Kaltbergpasses geschützt ist.

Prinz LucanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt