• Lucan •
Ich befinde mich mitten in einem friedlichen Traum, in dem Carlotta und ich wieder jung sind und ein Leben als Schattengerechte führen. Wie wir den Armen helfen, wie wir für genug Speisen sorgen, wie wir für warme Kleidung und ausreichend Holzscheite für den Winter sorgen. Und immer wieder lächelt Carlotta mich sehr zufrieden an, weil wir Gutes tun.
„Lucan, du musst aufwachen", rüttelt mich die Stimme des Vampirmeisters aus dem Schlaf.
Mein Blick geht durch das Gästegemach, was noch überwiegend im Dunkeln liegt. Der Morgen steht erst noch bevor, aber Vittorius ist der Meinung, dass die Nacht nun vorbei ist. Ich will ihn wegdrängen, aber er packt mein Handgelenk und sieht mir in die Augen.
„Geh zu Carlotta. Jetzt. Tu es einfach, Lucan", betont er mit ruhiger und ernster Tonlage.
Mehr braucht er nicht sagen, denn ich schwinge mich sofort aus den Federn und ziehe mir ein lockeres Oberteil und eine Hose über. Seit Vittorius und ich hier angekommen sind und eigentlich nur kurz zu Besuch bleiben wollten, sind fast drei Wochen vergangen. Draußen wird es wärmer und die ersten Blumen strecken uns ihre Blüten entgegen.
Kleine weiße Launen der Natur, die Carlotta immer freudig in ihre Hand nimmt und daran schnuppert.
Seit drei Tagen tut sie das aber nicht mehr, weil ihr Zustand schlechter wird. Auch die vielen Kräuter und Tränke helfen nicht mehr. Oft verbringen wir Zeit an ihrem Bett und machen es ihr so angenehm wie möglich. Ich träume jede Nacht von unseren Abenteuern und heule mir unter der Dusche meine Augen aus, weil ich damit nicht klarkomme.
Alle anderen, aber nicht Carlotta.
• Vittorius •
Das hier fühlt sich echt viel schlimmer an, als die Abschiede, die ich bisher durchgestanden habe. Dieses Mal habe ich nämlich ein Familienmitglied, welches dieses Leid empfindet und aushalten muss. Und ich stehe daneben und kann nichts tun, außer ihm zu signalisieren, dass ich mit ihm mitfühle.
Und wie ich mit ihm mitfühle, das könnt ihr euch nicht vorstellen.
Lucan eilt nun gemeinsam mit mir aus seinem Gästegemach, ich habe auch noch schnell Maurice aufgeweckt. Unsere Annahme lag leider richtig: Er ist ein alleinstehender Graf mit der Verantwortung der Führung einer ganzen Stadt und das Territorium ringsherum.
Ganz ohne Frau und ohne Erben.
In den letzten Tagen habe ich Maurice in vielen Belangen unterstützt und ihm Ratschläge erteilt. Mit von der Partie war auch immer sein Hauptmann Rickmer, beziehungsweise Rick, wobei nur Maurice ihn so als engen Freund nennt.
Jetzt stehen wir aber vor dem Moment, vor dem ich mich gefürchtet habe: Carlottas letzte Stunde.
Meine Brust füllt sich mit unsagbar großem Gefühl des Verlusts, welches sich bei dem Anblick von Lucan, der wie ein Geist auf das Gemach von Carlotta blickt, nur verstärkt. Lucan reißt sich nun aber zusammen, genau wie Maurice. Zusammen gehen wir dann leise in das Gemach und setzen uns zu Carlotta an das Bett.
Als Vampir habe ich gelernt den Vampirkreislauf von mir wahrzunehmen, so habe ich Lucans Gesundheit auch immer im Blick, wenn ich das will. Ich habe aber auch festgestellt, dass ich den Lebenskreislauf der Menschen im Ansatz wahrnehmen kann. Und der von Carlotta ist nur noch schwer schwach, schwächer als in den letzten Tagen.
Maurice kann sich nicht beherrschen, er liegt seiner Mutter einige Minuten in den Armen und weint bittere Tränen.
Und dann ist Lucan dran.
• Lucan •
Das erste Mal in meinem Leben nehme ich bewusst und aktiv wahr, wie jemand die letzten Atemzüge seines Lebens tätigt.
DU LIEST GERADE
Prinz Lucan
FantasyIch werde im Leben nicht gegen diesen erhabenen Vampir ankommen, was mich aber nicht davon abhält, es zu versuchen. Immer und immer wieder aufs Neue. Das bin ich: Lucan, 23 Jahre jung und ein Ackermann ohne jeglichen Wert. Auf ewig dazu verdammt, ei...