16

29 4 0
                                    

Ich hatte Evan seit dem Tag nicht mehr gesehen. Das ganze Wochenende kein Lebenszeichen von ihm. Dabei war er mindestens einmal am Tag in meiner Nähe um mich zu schikanieren.

Es war Montag und frei. Da Montags nie wirklich was los sei, haben sie die Bar nur auf Anfrage offen. Aber Derrick, der wuselte im Haus rum und kam einfach nicht zu Ruhe. Er schien nicht wirklich begeistert über einen freien Tag. Er war ziemlich angespannt. Ich wollte wissen was er so trieb. Er war ständig auf abruf und fast durchgehend auf Arbeit. Schlief nicht viel und wenn er saß, saß er nie wirklich lange oder konnte zu ruhe kommen. Ich lief in die Küche, dann durch diese in den Flur die nach hinten zum Hinterhof führte. Die Tür stand offen und ich hörte etwas. Ein Knall. Immer und immer wieder. Als würde einer Holz hacken. Und tatsächlich. Er stand da und schwang die Axt. Stimmt ja, er hatte einen kleinen Kamin. Ich konnte nicht die Augen von ihm wenden. Verschwitzt mit halb offenen Hemd hochgekrempelte Ärmel und sein Haar klebte ihm auf der Stirn. Wie kann man nur so gut aussehen?! Ich sah mich dann in der Spiegelung im Glas der Tür und fragte mich, wie kann er mich nur küssen? Wie kann er von etwas wie mir so angetan sein? Wieder kam die leere in mir auf und das Gefühl was er mir immer mit seinem Anblick gab, verflog. Ich konnte diese Negativität einfach nicht ablegen. Aber wie sollte man auch glauben, dass man gemocht wird, wenn mich nicht mal irgendwer wenigstens ein bisschen leiden konnte. Als ich enttäuscht zu ihm blickte, hatte ich gar nicht bemerkt, dass er das gleiche tat und mich anstarrte. Wir hielten ziemlich lang Blickkontakt, bis ich ihn abbrach. Mir war das irgendwie unangenehm, fast schon peinlich. Er schlug die Axt noch einmal in den Baumstamm, was mich kurz erschrecken ließ. Dabei rutschte mir ein kleines quitschen aus dem Mund. Ich schlug die Hände vor diesem und hätte im Erdboden versinken können. Vorallem weil ihm das wohl noch gefiel. Er grinste so verführerisch. Ich wusste bei ihm gar nicht wo ich zuerst hingucken sollte ohne zu sabbern und entschloss das Gras unter mir zu begutachten.

"Schau mich an." Sprach er sanft und hob am Kinn meinen Blick zu ihm impor. Ein Lächeln das plötzlich total verträumt wirkte, schenkte er mir, bevor er mit der Hand weiter über meiner Wange strich um mir wieder gang nah zu kommen. Er wartete kurz, als ob er sehen wollte, ob ich irgendwie reagieren würde. Im Grunde tat ich dies, indem ich die Augen schloss. Unbewusst tat ich dies. Auch mein Atem wurde schneller. Ich wusste nicht was in dem Moment passierte. Ließ es aber wieder zu und dann küsste er mich tatsächlich. Irgendwie hatte ich das sogar gehofft. Nur wusste ich nicht wie ich mich weiter verhalten sollte. Aber das musste igh auch nicht wissen, da er mich führte. Ich ließ es einfach zu. Seine Hände blieben nicht mehr Jugendfrei und rutschten gierig über meinen Körper, aber als er tatsächlich versuchte mich auszuziehen, fühlte ich mich unwohl, womit unsere heiße Nummer, schnell abgekühlt wurde.

"Sorry, ich wollte nicht zu weit gehen, aber ... du hast mitgemacht. Oder habe ich was falsch gedeutet?" Eigentlich nicht. Aber was er da finden würde, wäre mir unangenehm. Ein dürren, gezeichneten Körper in Omawäsche. Ich hatte zwar alte Sachen der Mädels aussuchen dürfen, aber da war nichts bequemes bei. Ich hatte kaum was zum wechseln und wusch fast jeden Abend meine Klamotten.

"Ich ... versteh das nicht." Traute ich mich gerade so zu antworten.
Er Atmete schwer und ließ etwas ab von mir.

"Bitte um Erklärung. Hat es mit dem jetzt zu tun?" Irgendwie auch. Wie sollte ich das sagen? Ich wollte ehrlich sein und haute ihm das einfach vor den Kopf. Ich kniff dabei die Augen zu. Es fiel mir plötzlich ziemlich einfach.

"Ich bin ein Wrack! Alles an mir ist nicht schön anzusehen! Du hast besseres verdient, als ein hässliches, vernarbtes Mädchen in alten Omaklamotten. Sieh mich an. Die sachen sind schon verfärbt. Ich kann mir nicht mal einen BH leisten und die Dinger bräuchten ..." Ich stoppte, da ich merkte dass ich jetzt zu viel redete. Er grinste nur und dieses wurde immer breiter, als ich vor scham fast im Boden versank.

"Ich bin einfach nicht in deiner Liga." Gab ich fast flüsternd hinzu.

"Bist du fertig? Gut ... dann gehen wir Einkaufen. Und dann will ich keine Ausreden mehr hören." Er nickte Richtung Tür. Ich sollte vorran gehen. Abet kurz zog er mich noch mal an sich.

"Und merke dir, es gibt kein Unterschied. Wir sind auf Augenhöhe. Nichts mit Liga! Keiner ist was besseres wegen Klamotten, oder Materiellen Dingen. Du bist genau so wertvoll wie jeder andere." Das brachte mich fast zum weinen. Mich hat noch nie jemand als Gleichwertig gesehen. Ich konnte es immernoch nicht begreifen. Ich habe Jahrelang unterdrückt gelebt. Mich wollte niemand in seiner Nähe wissen. Und jetzt steht da einer der schönsten Menschen und sagt mir dass ich mehr wert bin und mit ihm auf Augenhöhe. Ich mich im Grunde nie wieder klein machen müsste und mich schämen, gar Hassen für das was und wer ich bin. Ich glaubte immer noch nicht, dass das war ist und ich nur Träumen würde, da sich alles so Surreal anfühlte.
Ich hoffte, nie wieder aufzuwachen. Und vorallem dass er es ernst meinte. Das Vertrauen war schwer. Aber ich versuchte es. Er hatte es verdient!

Love Yourself - Dann liebe michWo Geschichten leben. Entdecke jetzt