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Wir saßen eine weile bei Evan. Mein Leben war eigentlich immer das gleiche. Eltern weg schon bei der Geburt. Heim war ich das Opfer, warum wusste ich nicht. Vielleicht weil ich eher ruhig war? Oder doch, weil ich unglaublich hässlich war. Kinder finden ja immer Gründe. Als ich adoptiert wurde fing es an, dass ich eigentlich nur da war um die Drecksarbeit für meine Adoptiveltern machen sollte. Es ging dort weiter wie im Heim. Schläge, ein kleines Kämmerchen als Zimmer. Wenigstens war dort ein großes Fenster. Kaum was zum spielen. Saß nur da und beobachtete die Außenwelt wo ich nie hindurfte. Die ersten Jahre wollte Mum mich unterrichten, dann sollte ich in die Schule, da sie keine Lust mehr hatte. Wieder nur das Opfer. Ich hatte nichts was ich bieten konnte. War ein Loser. Obwohl Dad genug Geld verdiente, trug ich alte ausgefranzte Klamotten. So älter ich wurde, um so mehr bekam ich ab. Aber irgendwann fing Dad an auch anderen Frust an mir auszulassen. Sexuellen. Ich musste mich ausziehen als ich endlich Brüste bekam. Wenn er mich schlug wollte er dass ich ihn mit Sir anredete und mich entschuldigte. Dabei musste ich ihm meinen Nackten Arsch hinstrecken. Er hat mich nie direkt berührt, aber dennoch war es unangenehm. Nach der Schule musste ich arbeiten. Er suchte die Jobs aus. Auch da gab es immer Stress. Oft weil ich zu spät war, oder oft nicht konzentriert. Weil es mir oft nicht gut ging. Manchmal weckte mich Dad Nachts um mich anzusehen. Ich durfte dann auch nur leicht bekleidet im Bett liegen. Nur im letzten Job hatte ich relativ meine Ruhe. Bis ich einfach geschmissen wurde und dafür wieder verprügelt. Dann kam ich zu Derricks Onkel. Und hoffte es würde besser werden. Zum Glück wurde es das ja.

Evan versuchte nichts anmerken zu lassen, aber er sah angespannt aus. Derrick lief bei den letzten Sätzen aus dem Raum. Er konnte das nicht hören, wie mein Vater mich ansah und im Grunde Sexuell belästigte.

"Nun ..." räusperte Evan und wusste wohl nicht was er sagen sollte.

"Derrick hat teils wohl recht. Aber nur teils! Ich ... es tut mir leid." Er schnaufte dann und ließ sich zurück aufs Bett nieder. Legte sein Arm über die Stirn und starrte an die Decke. Er bekam auch nicht mehr als das raus. Ich hingegen fühlte mich etwas freier. Ich lehnte die ganze Zeit an der Wand mit Blick zum Boden. Aber als ich merkte dass es Evan irgendwie nah ging und plötzlich viel überlegte, schlich ich langsam zu ihm und setzte mich aufs Bett. Er schaute mich an. Anders als sonst. Ich mochte den Blick nicht.

"Lass das. Sei wie sonst auch. Lass es nichts ändern. Bitte." Er lächelte  und schmunzelte kurz. Dann atmete er schwer.

"Brauchst du das? Solltest du dann nicht sowas von mir verlangen, wass Derrick macht? Ständiges Kopftätscheln?" Meint er das ernst, oder machte er sich wieder Lustig über mich?

"Dann wärst du nicht mehr ... du. Oder nicht?" Diesmal kam ein sanftes lächeln. Als ob er zustimmen wollte. Irgendwie dankbar.

"Du solltest nach Derrick sehen. Er braucht dich wohl mehr. Ich verkrafte sowas. Bin ja kein Weichei." Oh man. Und da ist er wieder. Ich schüttelte den Kopf. Wollte erst böse gucken, konnte es aber nicht. Ich beugte mich leicht über ihn und schenkte ihm ein ehrliches wahres lächeln. Er wollte mich dann berühren. Ich bemerkte dies. Er ließ es aber und schob mich weg.

"Geh! Du wirst mir zu nett. Ist ja ekelhaft!"

"Danke." Er wusste genau was gemeint war. Ich ging dann raus und suchte Derrick. Dieser stand auf der Einfahrt. Evans Mutter an der Tür.

"Ihr solltet alle bleiben. Einfach ein schönen Abend genießen. Von mir aus, sauft euch schöne Gedanken." Kicherte sie. Dann wurde sie ernst.

"Kümmer dich um ihn. Er braucht das jetzt. Einfach nur dich." Sie schob mich sanft nach draußen. Ich ging langsam auf ihn zu. Er hatte glasige Augen. Ich habe ihn noch nie weinen gesehen. Es muss momentan alles zu viel für ihn sein. Er schämte sich. Drehte sich weg. Ich wurde schneller und lief vor ihn. Als er wieder ausweichen wollte, umarmte ich ihn. Ich musste nichts sagen. Genau wie er. Es reichte uns einfach nur umarmt zu werden. Oft ist das alles was ein Mensch braucht. Etwas Zuneigung.  Ich sah dann, dass Evan an der Tür stand. Er sah plötzlich traurig aus. Seine Mutter tätschelte ihm die Schulter und er lächelte sie an. Als er bemerkte, dass ich ihn anschaute, legte er wieder diesen typischen Blick auf.

"Ich bleibe erstmal bei Evan." War dann meine Entscheidung. Derrick schien nicht glücklich.

"Und du auch." Was ihn verdutzte.

"Vielleicht besser. Für heute." Er war nicht begeistert. Ich sah ihn das an. Aber Wir beide alleine ... jetzt? Geht noch weniger gut als vorher. Wir sind beide kaputte Menschen. Und auch wenn das seine Intention war, dass wir uns gegenseitig aufbauen ... mit was? Ich mit meiner Angst und Selbsthass und er, der krampfhaft versucht besser zu sein als sein Vater? Das kann momentan nicht gut gehen. Nur traute ich mir das nicht zu sagen. Vielleicht hat Evan irgendwie recht. Daher entschied ich mich dafür.

"Bitte." Flehte ich dann, als er skeptisch schaute. Und irgendwie hatte ich die Befürchtung er würde gehen.

"Wenn, gehe mit dir ... aber ..."

"Nein. Du hast dich entschieden. Nicht für ihn. Sondern für dich. Das akzeptiere ich. So lange es nur das ist." Dann kam die Mutter von Evan und zog Derrick merkwürdigerweise mit.

"Sei kein Miesepeter! Wir genießen jetzt einfach den schönen Abend." Evan schüttelte den Kopf und wollte seine Mutter irgendwie von Derrick losbekommen, wurde aber geschickt abgeschüttelt.
Evan und ich blieben etwas verdutzt zurück. Jetzt weiß ich wo Evan teils seine Art her hatte.

"Äpfel und Stamm sag ich nur."
Das klang falsch. Hätte ich nicht so sagen sollen. Er zog mich mit een Rücken an sich und ich spürte ihn förmlich grinsen.

"Habe ich beides. Willst du dich von überzeugen?" Ich löste mich von seinem Griff, warf ihn einen bösen Blick zu und stampfte genervt davon.

Love Yourself - Dann liebe michWo Geschichten leben. Entdecke jetzt