Realität, Poesi und Polaris

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Heute ist das Achtelfinale gegen Frankreich. Etwas aufgeregt wippe ich mit meinem Bein, während ich in Giulis Zimmer vorm Spiegel sitze und sie mir einen Zopf flechtet. Das hat sie mir in der Liga schon mehrmals gemacht, da ich leider recht unbegabt bin. Sie teilt sich ihr Zimmer mit Merle, aber jetzt sind auch noch Feli und Sara da. Ihr Zimmer ist nur eine Tür weiter. Die vier harmonieren wirklich super und auch ich fühle mich bei ihnen sehr wohl. Alle sind wirklich herzliche aber trotzdem lustige Menschen und total offen. Gerade befestigt Giuli das Haargummi an meinem Zopf. Sieht fast aus wie ihrer. ,,Dankeschön" sage ich. „Kein Ding." Antwortet mir Giulia lächelnd und klopft mir sanft auf den Rücken. Sie setzt sich nun auf den Stuhl neben mich und ich drehe mich zu den anderen um. ,,Y/n wenn du heute ein Tor schiesst, an wen würdest du es widmen?'' fragt mich Merle etwas, worüber ich überhaupt nicht nachgedacht habe. ,,Ich denke an meine Eltern im Himmel.'' meine ich nachdenklich. Mittlerweile bin ich über ihren Tod hinweg. In unserer Mannschaft wissen es auch alle, nur öffentlich ist es nicht, dass unsere Eltern tot sind. Wobei auch in unserer Mannschaft kaum jemand weiß, dass Klara und Syd meine Erziehungsberechtigten sind. Ich bin ein wenig in Gedanken versunken und habe den Faden im Gespräch verloren. Das bemerke ich erst, als eine Hand vor meinem Gesicht mich aus meinen Gedanken reißt. Sie gehört zu Feli. ,,Wir wollen zum Essen gehen.'' erklärt sie mir, während ich zurück in die Realität komme. Beim Essen lasse ich mich auf den freien Platz neben Sjoeke fallen, da sie alleine am Tisch sitzt. ,,Hey, na wie geht's dir?'' will ich von ihr wissen. ,,Sehr gut und dir?'' erwidert sie strahlend. ,,Mir geht's auch gut.'' in dem Moment leuchtet ihr Handy auf und ich werfe einen kurzen Blick darauf. -Leah❤️- blinkt der Name auf ihrem Handy auf. Sjoeke sieht es auch versucht es allerdings garnicht erst zu verstecken. ,,Seid ihr jetzt zusammen, oder was läuft da jetzt genau?'' hake ich nun direkt nach. Sie lächelt mich an. ,,Also wir kennen uns ja schon aus der Liga und an Silvester dieses Jahr haben wir halt mit ein paar Freunden in London ein bisschen viel getrunken. Da hatte mich Leah irgendwann einfach geküsst und seitdem haben wir uns darauf geeinigt es zwar für uns zu behalten, aber uns zu Daten und nur uns. Wir wollten nach der EM schauen wie es weiter geht mit uns, da es halt immernoch passieren kann, dass wir irgendwann gegeneinander spielen und da muss die Leistung über dem privaten stehen.'' erzählt mir die rothaarige Spielerin. ,,Das freut mich so für euch. Ich hoffe wirklich das klappt. Ihr seid schon echt süß zusammen und dir gönne ich es auch.'' verkünde ich ihr nun. Gedanklich mache ich eine Notiz G darauf anzusprechen. Schließlich ist sie mit Leah auf einem Zimmer.
,,Und schon aufgeregt wegen dem Spiel heute?'' versucht Sjoeke das Thema zu wechseln. ,,Es geht eigentlich. Ich versuche den Fakt das heute alles enden kann einfach auszublenden. Klappt bis jetzt auch ganz gut, gleich im Bus wird mir das Herz in die Hose rutschen.'' schildere ich ihr meine Sicht.

Heute dauert die Fahrt zum Stadion ungefähr eine Stunde und schon nach kurzer Fahrt bin ich hundemüde und schlafe auf Felis Schulter ein. Powernaps konnte ich schon immer gut. Sobald wir am Stadion sind rüttelt sie mich an der Schulter wach und ich fühle mich total fit. ,,Komm genug geschlafen.'' lacht Feli in meine Richtung und scheucht mich aus dem Bus.
In der Kabine bleibe ich noch recht lange und bemerke schließlich, dass außer mir nur noch Jule da ist, die auf mich zu warten scheint. Ich gebe ihr einen kurzen Kuss und sage :,,Viel Glück dir heute, du schaffst das.'' dabei drücke ich die Hand meiner Freundin und ziehe sie hinter mir aufs Feld.

Sobald die Nationalhymne erklingt breitet sich auf meinem ganzen Körper eine Gänsehaut uns und ich fühle einen unfassbaren Stolz. Ich drücke Obis Hand ein wenig stärker und sie schenkt mir kurz ein beruhigendes Lächeln. Solangsam bekomme ich Angst. Frankreich war eben ein anspruchsvoller Gegner.
Ein purer Stein fällt von meinem Herzen, als Lea uns in der 62. Minute endlich das 1:0 beschert. Kurz danach nimmt uns Poppi durch das 2:0 noch mehr Druck raus. Doch die Französinnen lassen nicht locker und machen in der 78.Minute das 2:1, was uns natürlich wieder mehr Stress bereitet. Und durch einen ungünstigen Fehler in unserer Abwehr fällt das 2:2. Scheiße. Eigentlich waren wir klar besser.
Bei einem Eckball in der 91. Minute kann ich zum Kopfball aufsteigen und treffe das Tor. 3:2. das Tor zum. Viertelfinale. Erleichterung durchbrietet meinen Körper und ich schicke meinen Eltern symbolisch einen flugkuss in den Himmel. Da nimmt mich Obi in den Arm. Wir joggen zu unseren Positionen zurück, doch noch bevor etwas passieren kann ertönt der Schlusspfiff und wir können aufatmen.
Ich werde zu einem kurzen Interview gebracht, wobei die üblichen fragen gestellt werden.
I:,,Y/n Oberdorf, 17 Jahre jung, vor ein paar Wochen ihr Abitur erhalten und jetzt stehen sie hier und schiessen das Tor zum Einzug ins Viertelfinale. Wie fühlen sie sich gerade?
: ,,Ja ist natürlich ein Großartiges Gefühl, aber ich habe ja nicht alleine zum Einzug geführt, das haben wir als Team geschafft und ich denke das macht und auch so stark.''
,,Wir haben ja eben ihren Jubel beobachten dürfen, wenn man fragen darf, an wen ging der denn?''
,,Also das ging an meine verstorbenen Eltern.''
,,Mein Beileid natürlich, aber was für eine schöne Geste. Vielen Dank für ihre Zeit.''
,,Danke.''

Can't you hear my silent scream?//Jule x y/nWo Geschichten leben. Entdecke jetzt