Yoongi öffnete die Tür zur Wohnung seiner Tante und seines Onkels so leise wie möglich. Es war spät, und die Dunkelheit im Flur schien ihn zu verschlucken, während er seine Schuhe auszog. Er hatte gehofft, unbemerkt zurückzukehren, aber kaum war er eingetreten, hörte er schon die Stimme seiner Tante, die ihn entdeckte.
"Yoongi! Wo warst du?", rief sie aus der Küche, und ihre Stimme klang gleichzeitig besorgt und verärgert.
Yoongi zuckte kaum merklich zusammen und blickte auf den Boden. Er hatte keine Energie, sich zu rechtfertigen oder zu erklären. Alles, was er wollte, war, dass dieser Moment vorbei war. "Ich... ich musste nur kurz raus", murmelte er schließlich, die Worte klangen hohl und leer in seinen Ohren.
"Nur kurz raus?", wiederholte Soojin, ihre Stimme wurde lauter. "Ohne dein Handy? Ohne uns Bescheid zu sagen? Was, wenn dir etwas passiert wäre? Hast du überhaupt eine Ahnung, wie sehr wir uns Sorgen gemacht haben?"
Yoongi biss sich auf die Lippen und versuchte, die Tränen zurückzuhalten, die ihm plötzlich in die Augen schossen. Es war nicht die Wut seiner Tante, die ihn so traf, sondern die Erkenntnis, dass er sie enttäuscht hatte. Er fühlte sich wie eine Last, eine Bürde, die nur Probleme verursachte.
Soojin musterte ihn eindringlich und bemerkte, wie erschöpft und blass er aussah. Ihre Augen verengten sich misstrauisch. "Hast du heute überhaupt etwas Anständiges gegessen?" Ihre Stimme war scharf, aber da war auch ein Funken Besorgnis in ihrem Tonfall.
Yoongi schüttelte langsam den Kopf. "Einen Schokoriegel... Ich... hatte einfach keinen Hunger", flüsterte er und fühlte sich dabei noch kleiner.
Das brachte das Fass für Soojin zum Überlaufen. "Das ist unverantwortlich, Yoongi! Du kannst nicht einfach den ganzen Tag nichts essen und dann noch verschwinden, ohne uns zu sagen, wo du bist! Was soll aus dir werden, wenn du so weitermachst?"
Sie war außer sich vor Wut, ihre Hände zitterten, während sie sprach. Doch bevor sie noch weiter in ihrer Tirade fortfahren konnte, trat Hyunwoo hinter sie und legte sanft eine Hand auf ihre Schulter. "Soojin, beruhig dich", sagte er ruhig, aber bestimmt. "Er ist hier, und er ist in Sicherheit. Es bringt nichts, jetzt auf ihn loszugehen."
Soojin öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch als sie den erschöpften Ausdruck in Yoongis Augen sah, ließ sie ihre Schultern sinken und seufzte tief. Die Wut verflog langsam, und an ihrer Stelle trat eine tiefe, schmerzhafte Sorge.
Hyunwoo wandte sich an Yoongi und musterte ihn mit ruhigen, aber ernsten Augen. "Yoongi, du solltest jetzt ins Bett gehen und dich ausruhen. Wir reden morgen darüber. Es ist spät, und du siehst aus, als würdest du jeden Moment umkippen."
Yoongi nickte dankbar, unfähig, noch etwas zu sagen. Die Erschöpfung hatte ihn inzwischen vollständig erfasst, und er konnte kaum noch klar denken. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging in sein Zimmer. Die Schritte fielen ihm schwer, als würde jede Bewegung ihn noch tiefer in den Abgrund ziehen.
Soojin sah ihm nach, ihr Herz schwer vor Sorge. "Hyunwoo, ich mache mir wirklich Sorgen um ihn", flüsterte sie, als die Tür zu Yoongis Zimmer sich schloss.
"Ich weiß", antwortete Hyunwoo sanft und zog sie in eine Umarmung. "Aber er braucht jetzt unsere Unterstützung, nicht unsere Wut. Wir werden morgen mit ihm reden und herausfinden, wie wir ihm helfen können."
In seinem Zimmer ließ Yoongi sich auf sein Bett fallen. Er zog die Decke über sich und schloss die Augen, aber der Schlaf kam nicht sofort. Stattdessen kreisten die Gedanken in seinem Kopf, und die Worte seiner Tante hallten immer wieder in seinem Geist wider.
Yoongi hatte die Decke fest um sich geschlungen, doch die Wärme, die sie spenden sollte, blieb aus. Stattdessen spürte er eine kalte Leere in sich, die ihn unaufhaltsam umschloss. Tränen rannen ihm über die Wangen, während er verzweifelt versuchte, keinen Laut von sich zu geben. Doch die Stille der Nacht machte jedes noch so leise Schluchzen hörbar. Er fühlte sich erdrückt von der Schwere seiner eigenen Gedanken, und es schien, als ob die Last der Welt auf seinen schmalen Schultern ruhte.
Plötzlich hörte Yoongi ein Rascheln über sich. Jimin, der im oberen Bett schlief, hatte sich offensichtlich bewegt. Ein leises Geräusch folgte, als Jimin die Leiter herunterkletterte und sich neben Yoongis Bett stellte. "Yoongi...?" Seine Stimme war leise, kaum mehr als ein Flüstern, aber in der Stille der Nacht klang sie klar und deutlich.
Yoongi schluckte, versuchte seine Tränen zu unterdrücken, doch es war vergeblich. Er wollte stark sein, wollte nicht, dass jemand ihn in diesem Zustand sah, doch es war zu spät. Jimin hatte ihn gehört, und jetzt stand er dort, besorgt und unsicher, wie er helfen konnte.
Jimin zögerte nicht lange. Er kannte Yoongi gut genug, um zu wissen, dass Worte manchmal nicht das Richtige waren. Stattdessen hob er vorsichtig die Decke an und kroch wortlos zu Yoongi unter die warme, schützende Hülle. Er legte seine Arme um Yoongi, drückte ihn sanft an sich und schuf so einen sicheren Raum, in dem Yoongi einfach nur er selbst sein konnte – ohne die Last seiner Gedanken, ohne den Druck, stark zu sein.
Die Nähe von Jimin, das Gefühl, nicht allein zu sein, brachte die letzten Barrieren in Yoongi zum Einsturz. Er vergrub sein Gesicht an Jimins Brust, und die Tränen flossen nun ungehindert. Jimin hielt ihn fest, streichelte ihm beruhigend über den Rücken und flüsterte beruhigende Worte.
Yoongi schluchzte erneut, aber diesmal spürte er, wie sich ein kleiner Teil des Schmerzes in ihm löste. Die Nähe zu Jimin und die Wärme seiner Umarmung halfen ihm, ein wenig von der Last abzulegen, die ihn so sehr erdrückte. Er hatte immer gedacht, dass er allein durch seine Dunkelheit gehen musste, aber jetzt erkannte er, dass er Freunde hatte, die bereit waren, mit ihm diesen Weg zu gehen.
Nach einer Weile löste Jimin sich ein wenig, um Yoongi in die Augen zu schauen. "Wir alle haben unsere Kämpfe, Yoongi. Aber das bedeutet nicht, dass wir sie allein kämpfen müssen. Du bist nicht allein."
Yoongi nickte langsam, unfähig, etwas zu sagen. Doch in diesem Moment fühlte er sich zum ersten Mal seit langer Zeit ein wenig leichter. Er wusste, dass der Schmerz und die Selbstzweifel nicht einfach verschwinden würden, aber er wusste jetzt auch, dass er nicht mehr allein dagegen ankämpfen musste.
Mit Jimins Armen fest um sich geschlossen, konnte Yoongi schließlich die Augen schließen, und die Ruhe, die ihm bisher versagt geblieben war, legte sich langsam über ihn.
A/N: 1. Happy Birthday Jungkook 💜
2. Es tut mir leid, dass die Kapitel hier momentan so "düster" sind, aber ich verspreche, dass es in den kommenden Kapiteln besser wird.
3. Ich hab im Moment echt viel um die Ohren. Deswegen schaffe ich es einfach nicht, andere Stories hier zu lesen und an vielen in meinen Entwürfen zu arbeiten. Ich bin überarbeitet, gestresst und hatte ein paar Rückfälle, was mich alles einfach zu sehr belastet, als dass ich es schaffe, an irgendwas zu arbeiten. Ich weiß nicht wie, aber trotzdem schaffe ich es, dieses Buch hier immer rechtzeitig zu updaten.
Passt auf euch auf, guysssss. Love you <3
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»𝐍𝐨𝐭 𝐀 𝐆𝐢𝐫𝐥« ˢᵒᵖᵉ
Fanfiction⭑𝘭𝘢𝘶𝘧𝘦𝘯𝘥⭑ Yoongi ist kein Mädchen. Yoonji war ein Mädchen, aber nur äußerlich. Im Inneren war sie immer Yoongi, ein Junge. • • • Nach dem Tod seiner Eltern zieht Yoongi zu seiner Verwandtschaft nach Gwangju. Er muss mit vollkommen fremden M...