Kapitel 09

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Yoongi lag auf dem Bauch in seinem Bett und blätterte langsam durch einen alten Comic, den er bereits unzählige Male gelesen hatte. Die Seiten knisterten leise, und das sanfte Rascheln war das Einzige, was die Stille des Zimmers durchbrach. Er lag im unteren Bett des Etagenbetts, während über ihm Jimins unordentliche Decke herunterhing, fast wie ein Vorhang. Der Raum war angenehm ruhig, und für einen Moment schien die Welt da draußen mit all ihren Herausforderungen und Ängsten, die ihn erwarteten, weit weg und so unbedeutsam.

Doch diese Ruhe wurde jäh unterbrochen, als die Tür plötzlich aufschwang. Jimin stürmte herein, gefolgt von Hoseok, der mit einem breiten Grinsen und federnden Schritten den Raum betrat. "Yoongi, rate mal, wer da ist!", rief Jimin fröhlich, während er Hoseok in Yoongis Richtung schob. "Ich geh' mal Snacks holen. Ich bin echt am Verhungern."

Bevor Yoongi etwas erwidern konnte, war Jimin schon wieder draußen, und die Tür schloss sich mit einem dumpfen Geräusch hinter ihm. Yoongi spürte, wie sein Herz schneller schlug. Allein mit Hoseok. Hoseok, der sich so leicht und unbeschwert gab, als wäre die Welt ein Spielplatz. Yoongi dagegen fühlte sich wie ein Fremder in seinem eigenen Leben.

Ein paar Sekunden herrschte unangenehme Stille. Yoongi versuchte, seine Nervosität zu verbergen, und tat so, als würde er weiter in seinem Comic lesen, obwohl er keine einzige Zeile aufnahm.

Hoseok stand einen Moment unsicher im Raum, bevor er sich schließlich auf den Stuhl am Schreibtisch setzte, der direkt gegenüber von Yoongis Bett stand.

Yoongi setzte sich nun auch langsam auf, ließ den Comic zur Seite gleiten und brachte nur ein leichtes Lächeln zustande. "Hey", murmelte er und sah zu Hoseok, der ein warmes Lächeln auf den Lippen hatte. "Hi, Yoongi!", begrüßte Hoseok ihn locker. "Was liest du da?", fragte er und legte den Kopf schief, um die Schrift auf dem Cover entziffern zu können.

Yoongi zögerte kurz, ehe er den Comic wieder in die Hand nahm und sich aufsetzte. "Ähm... nichts Besonderes. Nur einen alten Comic."

"Zeig mal!", meinte Hoseok und streckte die Hand aus. Yoongi reichte ihm den Comic widerwillig. Er fühlte sich unsicher, wusste nicht genau, wie er mit Hoseok umgehen sollte. Hoseok war so... lebendig, so voller Energie. Yoongi hingegen fühlte sich oft, als wäre er in seinen eigenen Unsicherheiten gefangen, was genau gesagt gar nicht so falsch war.

"Cool!", sagte Hoseok, nachdem er einen kurzen Blick auf das Cover geworfen hatte. "Ich hab früher auch Comics gelesen, aber irgendwie bin ich nicht so dabei geblieben. Ist der gut?" "Es geht", murmelte Yoongi und rieb sich nervös die Hände. "Ist eher was für zwischendurch."

Yoongi versuchte, sich zu entspannen. Doch die Nervosität, die in seinem Magen kribbelte, wollte nicht verschwinden. Es war nicht nur die Tatsache, dass er Hoseok kaum kannte, sondern auch dieses unterschwellige Gefühl, dass er jederzeit etwas Falsches sagen oder tun könnte. Jedes Wort, das er aussprach, schien auf einer Waage zu liegen, bereit, die Balance zu verlieren.

"Du bist ziemlich ruhig, hm?", Hoseok lehnte sich ein wenig weiter vor und stützte seinen Kopf auf seine Hände. Seine Augen funkelten neugierig, aber nicht aufdringlich. "Du bist ja neu hier und... na ja, ich kann mir vorstellen, dass das ganz schön hart ist."

Yoongi spürte, wie seine Wangen heiß wurden. Er hasste es, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, und es fühlte sich seltsam an, dass Hoseok so direkt mit ihm sprach. "Es ist okay hier", murmelte er, wobei seine Stimme fast in sich zusammenbrach. "Es ist halt alles... neu und so anders."

Hoseok nickte verständnisvoll, ohne nachzufragen. "Versteh' ich. Meine Eltern sind oft umgezogen. Es gab keine Stadt in Südkorea, in der wir nicht gelebt haben. Ich war ein Zirkuskind, weißt du, was das ist? Jedenfalls haben wir bis vor drei Jahren noch in Busan gelebt." Und plötzlich verdüsterte sich Hoseoks Miene. Ein Schatten huschte über sein Gesucht; ein Anblick, der Yoongi Angst einjagte. Was auch immer danach passiert war, es war nichts Gutes. Es war der Grund, weshalb Hoseok jetzt hier lebte.

»𝐍𝐨𝐭 𝐀 𝐆𝐢𝐫𝐥« ˢᵒᵖᵉWo Geschichten leben. Entdecke jetzt