Kapitel 21

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Als Yoongi und Jimin nach Hause kamen, war die Wohnung still. Yoongi fühlte sich immer noch überwältigt von den Ereignissen des Tages, und das Adrenalin, das ihn in der Schule durchhalten ließ, schwand nun schnell. Sein Körper fühlte sich schwer an, und jeder Schritt in die Wohnung schien mühsam.

"Yoongi, ich... ich kann das nicht glauben, was passiert ist", murmelte Jimin, während er die Tür hinter sich schloss und sich umdrehte. "Es tut mir so leid, dass ich nicht da war."

Yoongi zuckte mit den Schultern. "Das bringt nichts mehr", murmelte er. "Lass uns einfach das hier hinter uns bringen." Er wollte nicht weiter darüber reden. Jimin hatte sich schuldig gefühlt, und das Letzte, was Yoongi wollte, war, dass sein Cousin sich noch schlechter fühlte.

"Komm, setz dich", sagte Jimin und führte Yoongi ins Wohnzimmer. "Ich kümmere mich um deine Verletzungen."

Yoongi nickte und setzte sich auf das Sofa, während Jimin in die Küche ging, um das Erste-Hilfe-Set zu holen. Yoongi konnte sich nicht helfen, als er sich unwohl fühlte. Er wusste, dass Jimin ihm helfen wollte, aber die Vorstellung, sich vor ihm zu entblößen, machte ihn nervös.

Schließlich kam Jimin mit dem Erste-Hilfe-Set zurück. "Okay, lass uns sehen, was wir hier haben", sagte er und setzte sich neben Yoongi. Er öffnete das Set und begann, einige Verbände und Salben herauszunehmen.

"Du solltest deinen Pullover ausziehen, damit ich die Wunden sehen kann", sagte Jimin. Yoongi zögerte einen Moment, aber schließlich nickte er und zog den Pullover über den Kopf.

"Yoongi...", murmelte Jimin und stoppte. "Oh mein Gott."

Yoongi schaute nervös auf seinen Bauch. Dort, wo Jaehyun ihn geschlagen hatte, waren überall blaue Flecken, die sich über seine Rippen zogen. Die blauen Flecken schienen sich wie ein Muster über seinen Körper zu erstrecken, und das Gefühl der Scham stieg in ihm hoch. Er hatte gehofft, dass die Verletzungen nicht so schlimm waren, aber jetzt sah er, wie die Realität ihn einholte.

"Das tut mir leid, Yoongi. Das ist alles meine Schuld", sagte Jimin, während er die Flecken betrachtete. Seine Stimme war weich, und Yoongi spürte, dass er sich um ihn sorgte.

"Hör auf, dich zu entschuldigen. Es ist nicht deine Schuld", murmelte Yoongi, aber der Schmerz in seiner Brust wurde stärker. "Kannst du mir einfach helfen? bitte?"

"Okay, okay. Ich helfe dir", sagte Jimin und griff nach dem Verband. "Aber ich kann das nicht richtig machen, wenn du deinen Binder trägst. Du musst ihn ausziehen, damit ich die Wunden richtig versorgen kann. Sonst klebt die Salbe daran fest."

Yoongi zögerte erneut. Es war ihm peinlich, vor Jimin seine Brüste zu zeigen, auch wenn Jimin wusste, dass er trans war. Die Vorstellung, dass Jimin sie sah, schnürte ihm die Kehle zu. Aber gleichzeitig wusste er, dass er keine andere Wahl hatte.

"Okay", murmelte er schließlich und griff nach dem Binder, um ihn auszuziehen. Mit zitternden Händen zog er den Stoff über seinen Kopf und ließ ihn neben sich fallen. Er fühlte sich verletzlich und exponiert, als ob jeder Makel an seinem Körper nun sichtbar war.

"Es ist okay, Yoongi", sagte Jimin sanft, als er die Verletzungen an Yoongis Brust sah. "Ich bin hier für dich. Ich werde dir helfen."

Die Worte waren beruhigend, und während Jimin begann, die Salbe auf die blauen Flecken aufzutragen, spürte Yoongi, wie die Scham ein wenig nachließ. "Es ist nicht schlimm, ich... ich mache das schon", sagte Yoongi und zwang sich, ruhig zu bleiben.

"Das ist es, was Freunde und Cousins tun", sagte Jimin und lächelte sanft, während er mit den Verbänden hantierte. "Wir sind da, um uns gegenseitig zu unterstützen."

Yoongi nickte und beobachtete, wie Jimin mit größter Sorgfalt die Wunden versorgte. Die Berührungen waren sanft, und trotz der Schmerzen fühlte er sich geborgen in dem Wissen, dass Jimin ihn akzeptierte, so wie er war.

Yoongi lehnte sich ein wenig zurück, nachdem er sich wieder angezogen hatte. Die Ruhe im Raum fühlte sich ungewohnt an. Yoongi konnte sehen, dass Jimin noch etwas auf dem Herzen hatte, etwas, das er nicht so leicht loswerden konnte. Er wusste, dass Jimin oft mit sich haderte, und heute schien es nicht anders zu sein.

"Also, was war das mit dieser Wette?", fragte Yoongi schließlich und brach damit das Schweigen. Jimin zuckte leicht zusammen und kaute auf seiner Unterlippe herum, bevor er schwer seufzte.

"Es ist... eine lange Geschichte", begann Jimin zögerlich. Er schien nicht sicher, wo er anfangen sollte, aber Yoongi blieb still und wartete geduldig, bis Jimin die Worte fand.

"Ich hab dir ja schon erzählt, dass Jaehyun und seine Jungs... mich schon eine Weile gemobbt haben", sagte Jimin leise und senkte den Blick. "Es ging immer darum, dass sie dachten, ich sei schwul. Ich weiß nicht, ob es einfach nur eine Spekulation war oder ob sie es irgendwie herausgefunden haben. Sie haben mich ständig damit aufgezogen, mich beschimpft, und irgendwann kam Jaehyun auf diese beschissene Idee mit der Wette." Er hielt inne und schien sich zu sammeln, bevor er weitersprach.

"Die Wette war: Wenn ich es schaffe, innerhalb eines Monats mit einem Mädchen zu schlafen, dann hören sie auf. Keine Beleidigungen mehr, kein Mobbing. Nichts", erklärte Jimin und ließ seinen Kopf sinken. "Aber... wenn ich es nicht schaffe, muss ich für den Rest des Jahres Jaehyuns Hausaufgaben machen. Und wie du weißt... ich hab's nicht geschafft", murmelte er verlegen. "Es ist mir echt peinlich, darüber zu reden, aber ich konnte einfach nicht. Ich habe versucht, ein paar Mädchen nach Hause einzuladen, weißt du? Aber... jedes Mal, wenn es darauf ankam..."

Jimin hielt inne und sah auf seine Hände hinab. "Es hat einfach nicht funktioniert. Egal, was ich gemacht habe, ich... ich konnte nicht steif werden. Es war..." Seine Stimme verlor sich, und er sah Yoongi kurz an, als würde er nach Worten suchen.

Yoongi blieb still und wartete, während Jimin mit sich selbst rang. "Ich hab mich echt angestrengt", fuhr Jimin schließlich fort, und seine Wangen röteten sich ein wenig. "Aber nichts. Nicht bei einem einzigen Mädchen."

Jimin seufzte tief und rieb sich nervös den Nacken. "Na ja, irgendwann kam Taehyung vorbei, kurz nachdem ich Streit mit einem Mädchen hatte. Du kennst ihn ja, oder? Er hat mich besucht, und wir haben uns irgendwie rumgealbert, ein bisschen gekämpft. Nichts Ernstes. Er hat mich zu Boden geworfen, und ich lag auf dem Rücken, während er auf meiner Hüfte saß."

Er hielt kurz inne und schien unsicher, ob er weitersprechen sollte. Doch als Yoongi ihn weiterhin ruhig ansah, machte er schließlich weiter. "Und... plötzlich... plötzlich wurde ich steif."

Yoongi riss die Augen weit auf, aber Jimin fuhr schnell fort: "Es war echt peinlich. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Taehyung hat es zum Glück nicht sofort gemerkt, aber ich hab ihm schnell gesagt, dass es noch von dem Mädchen vorher war. Weißt du, ich wollte nicht, dass er denkt..."

"Dass er denkt, du stehst auf ihn?" warf Yoongi ein, und Jimin nickte rasch.

"Genau. Ich hab einfach irgendwas gesagt, weil... ja, ich wollte nicht, dass er das merkt. Aber es war eindeutig wegen ihm. Nicht wegen irgendeinem Mädchen." Jimin rieb sich die Stirn, als wäre es ihm unangenehm, sich an den Moment zu erinnern.

"Und jetzt?", fragte Yoongi leise.

"Ich weiß es nicht". gestand Jimin mit einem bedrückten Seufzen. "Ich hab's verkackt, Yoongi. Ich kann einfach nicht. Ich bin wirklich schwul, aber... wie soll ich Jaehyun das sagen? Wenn er es erfährt, wird es nur noch schlimmer. Und jetzt hab ich auch noch dich da reingezogen... es tut mir so leid."

Yoongi sah Jimin an, und obwohl er selbst verletzt war, konnte er den Schmerz und die Verzweiflung in Jimins Augen erkennen. "Es ist nicht deine Schuld", sagte er leise und legte eine Hand auf Jimins Arm. "Wir finden einen Weg, okay?"

Jimin nickte zögernd, aber die Angst und Unsicherheit in seinen Augen blieben.

»𝐍𝐨𝐭 𝐀 𝐆𝐢𝐫𝐥« ˢᵒᵖᵉWo Geschichten leben. Entdecke jetzt