PLANS, HARRY

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Ich kam am Abend müde in meinem Appartement an, der Rest der Familie saß bereits um den Esstisch versammelt, der Scherbenhaufen auf dem Boden war verschwunden.

"Wo ist Ella?", fragte ihre Mum mich.
"Bei Eleanor.", antwortete ich kurz angebunden. Simon hatte uns eingeschärft, dass es besser wäre niemanden einzuweihen um Panik und eventuelles öffentliches Interesse zu wecken. Louis konnte natürlich seine Klappe nicht halten und hatte El alles erzählt, die erklärte sich aber bereit, bei Simons Plan mitzumachen und den Mund zu halten. Ellas Telefon war inzwischen bei ihr.

"Ach ja?", fragte Gemma zweifelnd, sie war noch immer wütend auf mich. Sie hatte mich heute morgen bereits genug angeschrien. Ich war froh, dass unsere Eltern sich taub stellten, die Dinge die sie mir an den Kopf geworfen hatte, waren wirklich unschön. Ich musste ihr mindestens tausend mal schwören, dass zwischen mir und Taylor nichts gelaufen war.

"Ich sehe nicht zu wie der Bruder den ich nie wollte mir die Schwester die ich nie hatte verjagt!", hatte sie gesagt, als sie in der Tür stand und ihren Mantel zugeknöpft hatte.

Ich wusste dass Gemma es nicht so meinte, doch ein bisschen verletzte sie mich mit der Aussage schon. Ich liebte meine Schwester. Abgöttisch.
Ich war so stolz auf sie. Sie hatte letztes Jahr ihren Abschluss gemacht und arbeitete mittlerweile als Assistentin von Larissa Gina, der berühmten Modedesignerin.
Sie war eine selbstständige und stolze junge Frau, die auf dem Boden geblieben war, obwohl ihr Bruder ein stinkreicher Star war. Sie war eben meine Gemma.
Doch jetzt war sie wütend auf mich. Ich überlegte kurz ob ich sie vielleicht nicht doch einweihen sollte, doch Liams drohender Blick in meinem Gedächtnis ließ mich vernünftig bleiben.
Also antwortete ich einfach nur: "Ja." und setzte mich an den Tisch.

Ich saß eher passiv am Tisch und schaufelte irgendeinen Auflauf in mich hinein. Mechanisch kauend, starrte ich aus dem Fenster. Was Ella wohl gerade machte?
Fühlte sie sich auch so leer wie ich? Wenn Simons Plan nicht aufging, dann.. ich wollte gar nicht darüber nachdenken, was dann passieren würde.

Als ich später allein in meinem Schlafzimmer saß, klopfte es an der Tür. Es war meine Mum.
"Schätzchen, darf ich reinkommen?", fragte sie, ich brummte zustimmend.
Sie setzte sich zu mir aufs Bett und legte ihre Hand auf meine.

"Harry, geht es dir gut?"

"Ja. Alles bestens."

"Und geht es Ella auch gut?".

Ich zuckte zusammen und sah sie ernst an: "Ich hoffe es.", sagte ich ehrlich. Ich konnte meine Mutter nicht anlügen, das konnte ich noch nie.

"Willst du über irgendetwas reden mein Schatz? Brauchst du irgendwo Hilfe?", sie blieb gelassen und strich mit ihrer Hand über meine.
Ich schüttelte bestimmt den Kopf, meine Mutter würde ich sicher nicht da mit reinziehen und in Gefahr bringen: "Nein Mum, wir haben alles unter Kontrolle. Danke!", ich beugte mich nach vor und küsste sie auf die Wange.
Sie strubbelte mir durchs Haar und stand seufzend auf: "Du weißt ja wo du mich findest, wenn du etwas brauchst. Ich liebe dich Harry.", sagte sie und lächelte mich an.

"Ich lieb' dich auch Mum.", sagte ich und sah ihr mit schwerem Herzen zu wie sie die Tür schloss.

Keine drei Sekunden später wurde die Tür jedoch wieder aufgerissen und eine wutschnaubende Gemma stand vor mir.
"BEI ELEANOR?", schrie sie und hielt mir ihren Laptop unter die Nase.
Celeb-Spotted zeigte Fotos von Jason und Ella beim Abendessen.
Wie sehr ich diese Seite hasste. Es war wie in dieser bescheuerten Serie, die Ella und Louis so liebten, Gossip Girl. Sobald man den "Promistatus" genoss, konnte man draußen keinen Schritt unverhüllt machen, ohne nicht sofort auf dieser Homepage aufzutauchen. Das war der einzig große Nachteil an New York, doch jetzt war es irgendwo ein Vorteil, so konnten wir zumindest überwachen wo Ella sich herumtrieb.

"Wer ist das?", fauchte Gemma, als ich ihr bedeutete leiser zu sein.

"Jason.", antwortete ich knapp.

"Wer ist Jason?".

"Ihr Exfreund.".

Geschockt sah mich Gemma an: "Was?", hauchte sie, "Was macht sie mit dem?".
Ich zuckte die Schultern: "Das weiß ich auch nicht so genau.", sagte ich leise.
"Aber, wieso behauptest du dann sie sei bei Eleanor?", Gemma starrte stirnrunzelnd auf die Fotos: "Wieso deckst du sie, wenn sie mit einem anderen unterwegs ist?".
"Das ist kompliziert Gem. Aber bitte, bitte erzähl niemandem etwas und vertrau mir.", sagte ich. Sie kaute auf ihrer Unterlippe herum und überlegte einen Moment.
"Ist gut.", ich atmete erleichtert auf.
"Unter einer Bedingung!", zu früh gefreut, natürlich wollte sie etwas dafür, "Du erzählst mir die ganze Geschichte. Mit diesen paar lauwarmen Infos gebe ich mich nicht zufrieden.".
Ich stöhnte genervt auf und vergrub meinen Kopf in meinen Händen: "NEIN! Gemma, das ist zu gefährlich.".

"Gefährlich?", sie sah mich mit offenem Mund und funkelnden Augen an, "Ist Ella in Gefahr?".

"Ich weiß es nicht, aber es ist sehr wahrscheinlich. Gem! Bitte, ich kann dir nichts erzählen!", sie schnaubte bloß und warf sich zu mir aufs Bett.

"Raus damit Harry!", blieb sie eisern.

Seufzend gab ich nach und erzählte ihr die ganze Geschichte.

"Der Typ hat WAS? Wieso hat den noch niemand eingesperrt?", rief sie, als ich bei der Drogengeschichte angekommen war.

"Er hat die Drogen zwar in Umlauf gebracht, aber man konnte es ihm nicht zu hundert Prozent nachweisen, vor allem nicht woher er die Drogen hatte.", antwortete ich geduldig.

"Und Ella weiß davon nichts?", ich schüttelte den Kopf.

"Und was macht ihr jetzt?", fragte sie aufgebracht, "Ihr müsst doch etwas unternehmen! Stell dir mal vor er mischt ihr irgendwas unter!".

Ich schloss die Augen um ruhig zu bleiben.

"Liam hat mit Simon und Paul telefoniert. Paul setzt einen seiner besten Männer auf Jason an, er soll rausfinden warum und mit wem er hier ist, sollte es etwas mit Drogen zu tun haben, wird er jemanden einschleusen, der die ganze Sache aufdeckt und Jason auffliegen lässt. Sollte er einfach nur so hier sein, dann wird er ihn dazu provozieren, zu Drogen zu greifen. So oder so sitzt Jason hoffentlich bald hinter Gittern, oder Ella erkennt zumindest dass er gefährlich ist.".

Gemma sah beeindruckt aus, "Wann soll das stattfinden?", fragte sie und begann hibbelig im Bett auf und ab zu hüpfen.

"In den nächsten Tagen, noch vor Silvester am besten.", antwortete ich und drückte ihre Schultern nach unten, damit sie Ruhe gab.

"Aber Schuld daran bist du Harry.", ihre Ehrlichkeit traf mich an meiner wunden Stelle.

"Ich weiß.", sagte ich leise.

Lost and found ( lost doesn't mean alone Teil 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt