Die kleine Spieldose von Niall in der Hand saß ich wieder auf einer Fensterbank und starrte auf eine fremde Stadt hinab. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Ich benahm mich mittlerweile genauso schlimm, wenn nicht sogar schlimmer, als Harry nach der Trennung.
Ich vermisste Zayn um mit ihm zu reden. Ich vermisste Mel, die ich um diese Uhrzeit nicht mehr anrufen wollte und die wahrscheinlich mit dem ersten Flieger kommen würde und mich nach Hause nach London zerren würde, um mich einzusperren und zu vermöbeln.
Mit Liam konnte ich auch nicht reden, das würde einem Telefonat mit Mel gleich kommen.
Außerdem wollte ich niemandes vorwurfsvollen Blicken begegnen, ich wollte einfach nur hier sitzen, Moonriver hören und mich schlecht fühlen. Da es beinahe Morgen war, funktionierte das auch ganz gut und ich schlief irgendwann sehr unbequem im sitzen auf meinem Fenster ein.Geschrei und Gepolter weckten mich. Irgendetwas krachte gegen meine Tür. Mit schmerzendem Nacken und steifen Gliedern rappelte ich mich auf und eilte zur Tür. Ich öffnete sie einen kleinen Spalt und schlug entsetzt die Hände vors Gesicht. Am Gang lagen Harry und Niall in einander verbissen und verkeilt und prügelten sich.
Türen flogen links und rechts von mir auf. Verwirrte Blicke und entsetzte Aufrufe waren zu vernehmen, bis plötzlich Paul auftauchte und dazwischen ging.
„Seid ihr verrückt geworden?", schrie er die beiden an, als er Niall fest im Griff hielt und Harry von Liam zurückgehalten wurde, „Was soll denn das?".
„Er hat angefangen!", keuchte Niall und sah Harry hasserfüllt an.
„So ein Blödsinn! Wer hat denn hier meine Freundin angefasst?", feuerte Harry zurück.
„SIE IST NICHT DEINE FREUNDIN! DU HAST ES VERKACKT! SCHON VOR MONATEN!", schrie Niall. Mittlerweile lagen die meisten Blicke auf mir.
Als die beiden Streithähne mich entdeckten, sahen sie mich erwartungsvoll an.
Ich stand da, biss mir nervös auf die Lippe, schüttelte verwirrt den Kopf und knallte die Tür zu.
„Ihr Idioten macht ihr Angst!", hörte ich Dougie plötzlich vor meiner Türe sagen.
Ein leises Klopfen und seine sanfte Stimme, die mich bat aufzumachen, folgte.
Ich saß am Boden neben der Tür, die Knie an die Brust gezogen, den Kopf dazwischen und die Augen geschlossen, als er eintrat.
„Was hast du denn angestellt Wildfang?", murmelte er sanft und setzte sich neben mich.
Ich seufzte tief und erzählte ihm von letzter Nacht, ich erzählte ihm von Chace, den ich immer wieder glaubte zu entdecken und von Zayn, den ich vermisste.
Dougie hörte aufmerksam zu und nickte immer wieder mit gerunzelter Stirn.
„Der Sache mit diesem Chace solltest du auf den Grund gehen. Entweder du hast wirklich irgendein stressbedingtes Trauma, der Typ ist auf freiem Fuß, oder es gibt ihn zwei Mal.", sagte er und lächelte schräg über den miesen Witz.
„Er ist eingesperrt.", flüsterte ich, „Liam hat mit Paul gemeinsam nachgefragt. Er sitzt noch immer und das wird auch noch lange so bleiben.".
„Du hattest nach diesem Vorfall doch bestimmt psychologische Betreuung, nehme ich an, oder?", fragte er weiter.
Ich war ihm dankbar, dass er nicht sofort anfing mich wegen Harry oder Niall auszuquetschen.
Ich nickte bloß.
„Wieso gehst du da nicht wieder hin? In zwei Wochen haben wir immerhin beinahe einen Monat Tourpause und da könntest du das doch machen, oder?".
Wieder nickte ich. Er hatte Recht. Vielleicht würden mir ein paar Sitzungen mit Dr. Treylanie wirklich gut tun.
„Und ich denke du solltest den Monat auch wirklich nutzen, um Harry und Niall aus dem Weg zu gehen und die ganze Sache ruhen zu lassen. Wenn es in Amerika noch immer so läuft wie jetzt, dann ziehen wir einfach meinen Plan durch, was meinst du?".
„Hast du eigentlich immer für alles eine Lösung?", fragte ich lachend und lehnte mich gegen seine Schulter.
„Klar, ich bin ein undercover Superheld, aber verrate das niemandem, sonst habe ich noch mehr rothaarige Popstar-Ex-Freundinnen am Hals.", antwortete er grinsend.
Ich boxte ihm lachend gegen die Schulter.
„Und was mache ich jetzt?", fragte ich leise und deutete zur Tür.
„Jetzt redest du mit den beiden. Gemeinsam.".„Okay. Nur um das klar zu stellen, ich dulde keine Schlägereien, keine Anschuldigungen, kein Besitzergreifen und keine Beschimpfungen. Ihr beide reißt euch jetzt zusammen, hört auf euch wie zwei Neandertaler zu benehmen und fokussiert euch gefälligst auf euren Job! Ihr seid hier um Konzerte zu geben, eine gute Show abzuliefern und die Mädchen da draußen nicht zu enttäuschen. Ihr seid nur mehr zu viert und ihr habt in den letzten Wochen versprochen, dass das nichts ändern wird. Also haltet euch gefälligst auch an euer Versprechen, kriegt eure Ärsche hoch und benehmt euch wie Männer!", ich war so froh, dass ich aus dem Schauspielunterricht so viel mitgenommen hatte, denn ich glaubte mir die Worte, die Dougie mich auswendig lernen ließ, selbst nicht. Doch bei Harry und Niall, die kleinlaut in Liams Zimmer saßen, zeigten sie eindeutig Wirkung.
„Tut mir leid.", brummte Niall, „Aber..".
„KEIN ABER!", rief ich aufgebracht, „Es gibt hier kein aber, es gibt auch keine Ella mehr, es gibt jetzt nur noch Job, Job Job! Sollte sich einer von euch beiden dumm benehmen und sich mir nähern, nehme ich den ersten Flieger nach Hause und freunde mich mit the Wanted an.".
Harrys Augen weiteten sich entsetzt, ich hörte Louis laut schnauben - die beiden anderen saßen eigentlich als Schiedsrichter, falls Harry und Niall wieder aufeinander losgingen, im Raum, doch irgendwie hätte ich wissen sollen, dass sie sich nicht raushalten könnten - Ich drehte mich zu ihm um und blitzte ihn finster an. Sofort richtete er sich auf und salutierte. Idiot.
Binnen von Sekunden schwenkte die Stimmung im Raum um. Ich hörte Niall, wie er sich ein Kichern verkniff, sah Louis schelmischen Blick und Liams dezentes Hüsteln verriet, dass auch er nicht mehr sonderlich ernst war.
„Ella, the Wanted gibt es nicht mehr.", prustete Louis plötzlich los.
„EUCH AUCH NICHT WENN IHR EUCH SO BESCHISSEN BENEHMT!", schrie ich, drehte mich um und verließ den Raum mit krachender Tür.
Ha! Das hatte gesessen!In den nächsten beiden Wochen, benahmen sich alle vier wirklich vorbildhaft. Die Bühnenshows wurden besser und Niall und Harry benahmen sich mir gegenüber höflich, nett und eher zurückhaltend.
Die letzte Show vor der Pause, war auch der letzte Tag auf Reisen.
Das Konzert in Wien, in Österreich stand bevor. Wir würden erst in der Nacht ankommen und am darauffolgendem Tag, gleich in der Früh nach Hause fliegen.
Wir hatten für diesen Tag kein Hotel, sondern schliefen in einem der Tourbusse und verbrachten den Tag Backstage.
Louis faselte den ganzen Flug etwas von einer Fußballlegende, die er gerne treffen würde, daher und Niall träumte vom Essen.
Mir gefiel an dem Aufenthalt bloß, dass ich nur eineinhalb Stunden nach Hause fliegen würde, endlich bei Mel wäre und ganze vier Wochen nicht aus einem Koffer leben musste.
Der Flughafen war beinahe ausgestorben, als wir landeten. Keine Fans, keine Papparazzi, keine Medien.
„Seid ihr euch sicher, dass das Konzert wirklich hier stattfindet?", fragte ich verwirrt und ging neugierig durch die Ankunftshalle. Wie lang war es her, dass ich das letzte Mal so frei und alleine auf einem Flughafen war? Louis und Niall dachten wohl dasselbe, denn plötzlich hatten sie einen Kofferwagen geschnappt und düsten damit durch die Halle.
„Können wir noch ein bisschen hierbleiben?", fragte Niall Paul jammernd, als dieser ihnen den Wagen endlich wieder abgenommen hatte, „Es ist so schön ruhig hier!"
Als wir eine halbe Stunde später im Bus saßen, jammerte Niall immer noch. Ich kramte in meiner Handtasche und drückte ihm wortlos einen Müsliriegel ins Gesicht.
Die Arena sah aus wie jede andere, doch auch hier waren so gut wie keine Fans zu sehen. Vielleicht zehn oder fünfzehn Mädchen, die weit abseits von uns campten.
Die Jungs fanden das genauso befremdlich wie ich und Harry ging sogar zu den Mädchen hinüber um sie zu wecken. Natürlich gab es daraufhin Gekreische, Tränen, Umarmungen und Fotos, doch auch das hielt sich in Grenzen. Als alle fünf Jungs bei den Mädchen standen, beschloss ich mir diese seltsamen Fans auch anzusehen.
Ich stellte mich also so unauffällig wie möglich hinter Liam und musterte sie. Sie sahen alle recht jung aus, zwei Frauen saßen am Boden, wohl ihre Mütter und beobachteten lächelnd und tratschend ihre Mädchen.
Als eine kleine dunkelhaarige mich entdeckte, kam sie auf mich zugehopst.
„Hallo!", sagte sie grinsend, den Rest verstand ich nicht, da sie anscheinend auf Deutsch mit mir redete. Ich sah sie verwirrt an, doch sie hörte nicht auf zu quasseln. Ich wollte ihr erklären, dass ich kein Wort von dem, was sie da von sich gab verstand, doch in dem Moment schlang sie plötzlich ihre Arme um meine Mitte und drückte mich.
Ich war so perplex, dass ich sie ebenfalls drückte.
Ich beschloss, dass ich Österreich ab jetzt mochte. So gesittet, ruhig und freundlich waren die Fans auf der ganzen Tour noch nicht gewesen.
„Wir lieben dich, du bist so cool und so hübsch.", sagte die Kleine plötzlich auf englisch. Ich lächelte sie gerührt an.
„Danke, das ist lieb von dir. Wie heißt du Liebes?", fragte ich sie.
Sie sah mich verwirrt an. Das war's dann wohl mit ihren Englischkünsten.
„Sie heißt Lara.", antwortete eine schlanke Blondine mit großen braunen Augen. Ihre Augen waren beinahe ident mit denen der Kleinen, die beiden waren wohl Schwestern.
Niemand von uns schaffte es den Namen der Blondine richtig auszusprechen, womit Louis sie einfach nur mehr Maggy nannte, was irgendwie ähnlich klang. Lara hing an Louis Lippen, obwohl sie kein Wort verstand und tat so, als würde er ihr die Offenbarung und den Sinn des Lebens preisgeben. Das Mädchen war irre. Sie war gerade mal zwölf und war mit ihrer Schwester, ihrer Mutter und zwei anderen Freundinnen von Deutschland hierhergekommen, nur um diese vier Hampelmänner zu sehen.
Maggy war eindeutig ein Harry Fan. Sie war drei Jahre älter als ihre Schwester und deutlich nervöser. Als Niall anfing Backstagepässe für die Mädels die so tapfer campierten auszuteilen, gab es erneut Tränen. Irgendwann verabschiedeten wir uns und verzogen uns in unsere Schlafkojen.
„So war es früher.", hörte ich Niall irgendwann sagen. Zustimmendes Gebrumme kam als Antwort.
„Ich vermisse das.", seufzte Liam leise
„Ich auch.", kam es geknickt von Harry.
„Schlaft jetzt und hört auf zu jammern.", brummte Louis und die Jungs schwiegen seltsamerweise tatsächlich.
„Das hätte Zayn heute gefallen.", hörte ich Niall plötzlicvh wieder.
„Da wurde der Vorhang unter mir beiseite gerissen und Louis stürmte aus dem Bus.
„Gut gemacht Nialler.", hörte ich Liam seufzen.
„Ich geh schon.", murmelte ich und schwang mich aus dem Bett. Viel Schlaf würde ich heute wohl nicht bekommen.
Louis saß draußen auf den Stufen des Busses und rauchte. Er rauchte erst seit kurzem und Eleanor war nicht besonders glücklich damit. Ich setzte mich zu ihm und nahm dankend ebenfalls eine Zigarette.
„Ich vermisse ihn.", sagte Louis plötzlich leise und wischte sich übers Gesicht, „Mir kommt es so vor, als wäre ein Loch auf der Bühne, bei den Proben, einfach bei allem was wir tun. Er fehlt. Als wäre er tot oder so. Und ich bin wütend, weil er es uns nicht ins Gesicht gesagt hat. Ich bin wütend auf Perrie! Und ich bin wütend auf mich, weil ich ihn nicht davon abhalten konnte.".
„Oh Lou", flüsterte ich bloß und legte meine Arme um seine Schultern.
Wir saßen einfach schweigend da, bis mein Telefon plötzlich in meiner Tasche vibrierte, hastig zog ich es hervor. Der Anrufer war anonym.
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Lost and found ( lost doesn't mean alone Teil 2)
FanfictionDies ist die Fortsetzung zu Lost doesn't mean alone. Was passiert mit Ella, nachdem sie von der Dunkelheit eingehüllt wurde? Wacht sie wieder auf? Oder ist sie tot? Was passiert mit den Jungs? Mit der Band? Mit Mel? Hat man Chace erwischt? Wenn ihr...