COLLIDE

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„Fuck.", wir beide sahen uns sprachlos an. Mel hatte noch immer den Eimer in der einen und meinen Arm in der anderen Hand.
„Die spinnen doch beide! Ella, du solltest wirklich Abstand halten, von beiden!", ich nickte langsam und sah durch den Spion hinaus auf den Gang. Beide standen vor der Tür.
Ich schlug die Hand vor den Mund und schrie erschrocken auf.
„Die stehen noch da draußen Mel!".
„Sollen sie doch! Solche Idioten!", schnaubte sie und zog mich mit sich in die Küche.
Ich ließ mich wortlos auf einen Sessel fallen und sah ihr zu, als sie eine Flasche Wein aus dem Kühlschrank zog und uns beiden großzügig einschenkte.
„Was mach ich denn jetzt?", stöhnte ich frustriert auf und nippte an meinem Glas.
„Gar nichts! Du hast eine Karriere auf die du dich konzentrieren musst und du solltest vielleicht endlich mal mit deinem Dad reden! Die beiden würde ich fürs Erste vergessen, lass Gras über die Sache wachsen und warte was in zwei Monaten ist, wenn sie von ihrer Tour zurück sind.".
Ich nickte langsam, es war einleuchtend was sie sagte. Ich musste mich wirklich auf andere Dinge konzentrieren.

Fünf Tage lang wurde ich von Blumen, Entschuldigungskarten und unzähligen Anrufen terrorisiert, ich ignorierte alles so gut ich konnte. Schweren Herzens entsorgte ich alles und versuchte mich auf meine Schauspielstunden zu konzentrieren.
Liam verbrachte unglaublich viel Zeit bei uns. Mel und er hatten nach wie vor kein Statement abgegeben, was da jetzt zwischen den beiden laufen würde, aber jedesmal wenn ich den Raum betrat, fuhren ihre Köpfe hektisch auseinander und beide waren knallrot.
Das Geturtel ging mir auf die Nerven. Nicht dass ich es den beiden nicht gegönnt hätte, aber ich vermisste Harry und Niall. Es waren noch zwei Tage bevor die Jungs auf die große Tour gingen.
Louis schmiss eine riesige Abschiedsparty, zu der ich hingehn musste. Nur weil ich mit zwei der fünf nicht sprach, konnte ich die anderen nicht im Stich lassen. Ich hatte, seit ich ausgezogen war, sowieso viel zu wenig Zeit mit meinen Jungs verbracht. Ich vermisste es. Alles. Das Haus, den Lärm, die fünf Chaoten, Harry als meinen Freund, Liam als meinen Personaltrainer, Niall als mein Schmusekissen und meinen besten Freund, Louis als ständige Nervensäge mit so viel Charme und Witz, dass man sich stundenlang lachend am Boden kugeln konnte und Zayn in seinem Grafittiraum. Wenn ich daran dachte, wieviele Stunden ich damit verbracht hatte, mit ihm dort zu sitzen, Musik zu hören und über die tiefsinnigsten Dinge zu sprechen, tat mir das Herz weh. Am liebsten hätte ich die Zeit um ein halbes Jahr zurückgestellt. Der Sommer war der aufregenste und wohl schönste Sommer meines Lebens gewesen, ich hatte vier neue Brüder und die große Liebe gefunden. Und jetzt hatte ich gar nichts. Ich hatte drei Brüder, die ich unglaublich vernachlässigte, weil Bruder Nummer vier und Loverboy mir das Leben schwer machten mit ihren Hormonen. Es war scheiße.

Am Tag der Party fühlte ich mich mies. Ich hatte Angst und wusste nicht was passieren würde. Da die Feier im Haus der Jungs stattfand, zog ich mich nicht sonderlich außertourlich an. Ich zog bloß schwarze zerrissene Jeans und ein schwarzes Top an. Meine Augen umrahmte ich mit goldenem Kajal und meine Lippen wurden, wie beinahe immer, rot.
Zufrieden betrachtete ich mein Spiegelbild und atmete tief durch, als Mel an meine Tür klopfte.
„Kommst du?", fragte sie leise und sah mich mitfühlend an.
Ich straffte die Schultern, warf einen letzten Blick in den Spiegel und nickte.

Als unser Taxi in die Einfahrt einfuhr, wurde ich wehmütig. Alles war so vertraut. Das große Haus, dass ich früher als die Festung bezeichnet hatte und in dem ich mich anfangs so fremd gefühlt hatte, die Autos der Jungs, sogar der Fußball, der ganz sicher Louis gehörte, rundete das vertraue Bild ab.
Die Party war bereits in vollem Gange, laute Musik und Gelächter dröhnten uns entgegen, als wir zur Haustür hinaufstapften.
„Sollen wir anläuten?", fragte Mel zögerlich, als wir beide betreten auf den Türknauf starrten.
Ich zuckte bloß mit den Schultern und hob die Hand zur Klingel. Bevor ich den Knopf drücken konnte, wurde die Tür jedoch schwungvoll aufgerissen und ich starrte in Harrys graue Augen.
Er trug eine Badehose und sein Haar tropfte, anscheinend kam er gerade aus dem Whirlpool.
„Ella!", seine Stimme war rau und sexy, genauso wie sein nackter Oberkörper, dessen Anblick mich schmerzte. Auf der Innenseite seines rechten Arms prangte ein neues Tattoo, es war eine Meerjungfrau. Er hatte doch nicht...? Bevor ich irgendetwas sagen konnte, hustete Mel lautstark.
„Sorry, ich muss Liam suchen.", murmelte sie, quetschte sich an Harry vorbei und schlug, natürlich ganz unabsichtlich, die Tür zu.
Es war recht frisch, Harry hatte eine Gänsehaut, doch er machte keine Anstalten sich zu bewegen.
„Ich hätte nicht gedacht dass du kommst.", sagte er leise. Ich konnte nicht aufhören auf sein Tattoo zu starren, was sollte diese Meerjungfrau?
„Ich kann auch wieder gehen.", brummte ich und ging langsam einen Schritt zurück.
Was im Übrigen keine gute Idee war, denn hinter mir begann bereits die Treppe. Ich strauchelte und kippte beinahe nach hinten, doch Harry reagierte blitzartig und schlang seine Arme um mich um mich aufzufangen.
Da standen wir, eng aneinander gepresst, beide nach Luft schnappend und jeweils in die Augen des anderen vertieft.
„Es tut mir so leid.", hauchte er, sein Blick wurde weich, er sah mich an, als wäre er ein geprügelter Hund.
Mein Körper schrie nach mehr. Ich wollte meine Finger in seinen Haaren vergraben, ich wollte seine Lippen auf meinen spüren, ich wollte die Vertrautheit, mein altes Leben, ich wollte das alles zurück.
Er musste es in meinem Blick gesehen haben, denn er legte langsam seine Hand an meine Wange.
Ich schloss die Augen und genoss das Prickeln, das mein Gesicht durchfuhr.
Als seine Lippen auf meine trafen, wurden meine Knie weich. Das war es! Das Feuerwerk, dass in mir entbrannte, die Gänsehaut, das unglaubliche Gefühl, dass seine Lippen auf meinen hinterließen, sein Duft, seine Arme, einfach alles.
Egal was in den letzten Wochen und Monaten passiert war, ich fühlte noch immer gleich.
Ich, Ariella Wind, war noch immer, rettungslos und unwiderruflich in den größten Vollidioten der Geschichte verliebt. Ich liebte ihn. Und diese Tatsache würde mich wahrscheinlich irgendwann zerstören, doch in diesem Moment war es mir egal. Ich wollte nicht, dass dieser Kuss endete, ich wollte in einer Ewigkeit versinken, in der es nur Harry und mich gab, sein Mund auf meinem, sein Körper an meinen gepresst und tausend Schmetterlinge die in meinem Bauch umhertanzten.

Lost and found ( lost doesn't mean alone Teil 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt