Ich saß wortlos auf dem Beifahrersitz und starrte hinaus auf die Straße. Es kam mir unrealistisch vor, dass ich mich gerade von meinem zu Hause verabschiedet hatte. Die neue Wohnung war toll, doch ich würde es vermissen, den Trubel der Jungs zu hören. Nachts in die Küche zu spazieren und Niall vor dem offenem Kühlschrank zu finden. Mein Bett. Harrys Bett. Harry.
Hatte er mich wirklich nicht betrogen? Konnte ich ihm das so einfach glauben? Sein Verhalten sprach nicht wirklich für seine Taten, aber war meine Reaktion schlüssig? Er wusste doch gar nicht, dass ich die letzten Wochen wie ein Zombie irgendwo in Irland vor mich dahinvegetiert war. Er wusste gar nichts, aber er hatte auch nicht danach gefragt. Es kam mir vor, als wäre es Jahre her, dass wir in einem Bett geschlafen hatten und dass ich mich sicher und geborgen gefühlt hatte. Ich vermisste ihn, jede Faser meines Körpers in jeder Sekunde. Die letzte Woche mit Mel war unbeschwert gewesen, leicht und einfach. Doch es war nur eine Ablenkung gewesen, ein kurzer Ausflug in das Land der Fröhlichkeit. Jetzt hingen die düsteren Gewitterwolken wieder über meinem Kopf und zogen mich zurück in die Dunkelheit.
Würde er um mich kämpfen, wenn ich ihm die Chance dazu geben würde?„Wir sind da.", riss Mel mich aus meinen Gedanken. Verträumt blickte ich auf und bemerkte, dass Liam und sie bereits vor dem Wagen standen. Ich schnallte mich hastig ab und nickte ihnen zu. Wenige Sekunden später kamen die anderen ebenfalls mit ihren Autos an und halfen uns beim Kistenschleppen.
Drei Autos, fünfzehn Kartons und eine halbe Stunde später standen all meine Besitztümer in meinem neuen zu Hause.
„Wir fahren dann jetzt.", sagte Louis kleinlaut und zog mich fest in seine Arme.
„Du wirst uns trotzdem nicht so schnell los Liebes.", sagte er leise und ich vergrub meinen Kopf in seinem Pullover.
„Ach Lou.", seufzte ich und küsste ihn auf die Wange.
Ich umarmte jeden lange und fest und verabschiedete mich. Niall war der letzte der auf mich zutrat. Er sah niedergeschlagen aus.
„Niall.", sagte ich bloß und versuchte gegen meine Tränen anzukämpfen.
„Du brauchst nicht loszuheulen Ella.", sagte er scharf, perplex sah ich ihn an, „Wir wohnen nur einen Katzensprung voneinander entfernt. Das ist nur ein Abschied bis morgen, sonst nichts.", seine Augen sahen mich warm an. Ich versank beinahe in ihrem ozeanblau, als er näher zu mir trat. Er legte sanft seine Hand an meine Wange und ich schloss für einen Moment die Augen um mir diese Berührung einzuprägen.
Als er die Hand sinken ließ, schlang ich meine Arme um seinen Hals und sah ihn ernst an.
„Du bist der beste Mensch den auf diesem Planeten gibt Niall.", sagte ich leise und lächelte ihn an. Wir standen mittlerweile alleine im Vorraum der Wohnung, nur ein paar Millimeter voneinander entfernt.
„Nein.", seufzte er, „Das bin ich eindeutig nicht.", er beugte sich zu mir hinunter und seine Lippen streiften meine flüchtig, dann ließ er mich los und schloss die Wohnungstür hinter sich, ohne sich nochmal umzudrehen.Ich stand da und starrte auf die verschlossene Tür, meine Finger strichen über meine Lippen, auf denen vor wenigen Sekunden noch seine gelegen hatten. Er hatte mich geküsst. Das Seltsame daran war, dass es sich gut angefühlt hatte, sehr gut.
„Weiß du, dieses grauenhafte Katzenbild in der Küche muss eindeutig verschwinden, davon bekommen meine Augen Krebs.", Mel blieb in der Tür zur Küche stehen und sah mich stirnrunzelnd an, „Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.", sagte sie und legte ihren Kopf schief, „Was ist passiert?".
Ich ließ meine Hand sinken und sah sie groß an. „Niall.", sagte ich.
„Und weiter?", hakte sie nach.
„Er... er... er hat..", stammelte ich und meine Finger fuhren wieder zu meinen Lippen.
„Dich geküsst?", beendete Mel mein Gestammel und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich nickte langsam.
„Und es hat dir gefallen?", ihre Stimme war sachlich und sie wirkte nicht so, als würde sie die Neuigkeit überraschen.
„Keine Ahnung.", antwortete ich und fuhr mir unbehaglich durchs Haar, „Irgendwie schon.".
„Ich mach' uns jetzt mal einen Tee und dann analysieren wir dein Gehirn.", lachte Mel und hopste zurück in die Küche. Ich folgte ihr nachdenklich.
Hatte ich Gefühle für Niall? Hatte er etwa wieder oder vielleicht sogar noch immer Gefühle für mich? Ich wusste, dass ich Harry liebte. Ich wusste dass ich Niall blind vertraute und ich wusste, dass die Hölle losbrechen würde, wenn Harry von diesem Kuss erfahren würde. Es war gar kein richtiger Kuss, aber diese flüchtige Berührung hatte gereicht um ein Feuer in mir zu entzünden, dass ich seit Wochen nicht mehr gespürt hatte. Meine Lippen kribbelten und mein Puls war eindeutig erhöht, doch es war kein Feuerwerk zu spüren, das Harrys Berührungen in mir ausgelöst hatten.„Es gibt nur eine Möglichkeit herauszufinden, was du willst.", sagte Mel, als ich ihr alles erzählt hatte, „Du musst beide nochmal küssen. Dann wird dein Herz dir zeigen, was das Richtige ist.".
„Das kann ich nicht tun.", sagte ich entsetzt.
„Wieso nicht? Wenn Harry dich wirklich noch immer liebt, wird er um dich kämpfen und dasselbe gilt für Niall.", sie stellte ihre Teetasse ab und sah mich ernst an, „Hör auf an alle anderen zu denken Elli, denk an dich selbst.".
Ich seufzte und trank den letzten Schluck aus meiner Tasse, er war kalt.
„Ich gehe jetzt ins Bett.", murmelte ich und erhob mich vom Esstisch.
Ich lag die halbe Nacht wach und zerbrach mir den Kopf über die beiden Idioten. Als ich endlich einschlief, hatte ich einen Entschluss gefasst. Mel hatte Recht, ich musste es ausprobieren, aber so, dass beide es nicht mitbekamen.Am nächsten Morgen fuhr ich zu Iris in ihr Büro. Sie zeigte sich unerwartet verständnisvoll und winkte bloß ab, als ich mich entschuldigte.
„Die Medien reißen sich um dich Ella, dein Abtauchen hat deiner Publicity unglaublich gut getan, du wirst sehen, es wird Jobs regnen. Die neue Haarfarbe steht die außerdem unglaublich gut", sie klatschte begeistert in die Hände und blätterte in einer großen Mappe.
„Hast du dir eigentlich schon mal überlegt Schauspielunterricht zu nehmen?", fragte sie mich lächelnd. Ich sah sie verwirrt an: „Nein.", antwortete ich ehrlich.".
„Nun, dann würde ich es dir anbieten. Ich bin am überlegen, ob ich meine Firma expandiere und nicht nur eine Modell-, sondern auch eine Schauspielagentur werde. Der Markt in der Schauspielbranche ist unglaublich groß, ich könnte mir vorstellen, dass ich dich da gut unterbringen könnte.".„Ich finde du solltest das machen!"; sagte Perrie eine Stunde später und trank von ihrem Smoothie, Eleanor nickte bestätigend und fuchtelte mit der Visitenkarte, die ich ihr überreicht hatte, vor meinem Gesicht herum. „Mach das Ella!", sagte sie und grinste mich breit an.
„Du hast bestimmt das Zeug dazu! Noch dazu bezahlt die Agentur die Stunden, das kannst du gar nicht ausschlagen!", plapperte Perrie und blätterte in ihrem Hochzeitsmagazin herum.
„Das gefällt mir.", sagte El und deutete beiläufig auf das Bild eines Blumengestecks. Ich nickte und Perrie machte ein kleines X neben dem Bild. Sie hatte El und mich zu ihren Brautjungfern auserkoren und wir mussten, bzw. durften ihr bei der Planung beistehen.
„Ach, ich weiß nicht.", sagte ich und betrachtete die Visitenkarte zweifelnd.
„Was hast du zu verlieren?", fragte El leise, ich seufzte und nickte geschlagen.
„Du hast ja Recht.", brummte ich und griff nach meinem Telefon um Pierre anzurufen, den Schauspiellehrer.Der Schauspielunterricht stellte sich als unerwartet lustig heraus, ich fand sofort Gefallen an Pierre und seinem Kurs. Pierre betrieb eine kleine Schauspielschule und gab mir vorerst Einzelstunden. In ein paar Wochen, wenn ich die Basics beherrschen würde, dürfte ich dann mit seinen anderen Schülern trainieren.
Es waren nur mehr zwei Wochen, bis die Jungs auf ihre große Tournee gehen würden und ich sie zwei Monate lang nicht zu Gesicht bekommen würde.
Niall hatte seit dem Kuss im Vorraum keine Andeutungen mehr gemacht, er verhielt sich wie immer, doch wir hatten uns seither auch nicht alleine getroffen.
Louis jammerte ununterbrochen, dass er El und mich vermissen würde und Zayn und Perrie bekamen wir kaum zu Gesicht.
Einzig Mel und Liam waren so ausgeglichen wie kein anderer von uns, ich erwischte Mel immer wieder, wie sie verträumt in ihr Handy kicherte und mitten in der Nacht die Wohnung verließ.
In der Villa war ich, seit ich mich verabschiedet hatte, nicht mehr. Harry hatte sich ebenfalls nicht gemeldet, ich hatte ihn bloß einmal gesehen, als ich mit Louis und Niall geskyped hatte und er hinter dem Sofa vorbeigegangen war. Ich schlief schlecht, doch tagsüber konnte ich mich durch das Schauspieltraining und ein paar kleinen Jobs, die ich von Iris bekommen hatte, gut ablenken.
Iris war im Allgemeinen eine klasse Agentin, sie regelte meine PR-Angelegenheiten, gab ein Statement zur Trennung von Harry und mir ab, so wie zu meinem Verschwinden. Nach ein paar Tagen, lauerten mir merklich weniger Paparazzi auf, als nach meiner Ankunft.Als ich an einem späten Nachmittag auf dem Heimweg war, sah ich im Schatten meiner Haustür eine Gestalt. Die Person hatte sich die Kapuze tief ins Gesicht gezogen und lehnte an einer der Säulen. Ich blieb verunsichert stehen und beobachtete die seltsame Erscheinung. Der Statur nach, war es ein Mann. Langsam näherte ich mich dem Unbekannten und hielt die Luft an, als ich knapp vor ihm stand. Die grauen Augen, die auf mich herabblickten, ließen mir einen Schauer über den Rücken jagen.
„Was willst du hier?", flüsterte ich leise und verkrampfte mich.
DU LIEST GERADE
Lost and found ( lost doesn't mean alone Teil 2)
FanfictionDies ist die Fortsetzung zu Lost doesn't mean alone. Was passiert mit Ella, nachdem sie von der Dunkelheit eingehüllt wurde? Wacht sie wieder auf? Oder ist sie tot? Was passiert mit den Jungs? Mit der Band? Mit Mel? Hat man Chace erwischt? Wenn ihr...