10. November

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Diese Berührung. Diese Nähe. Diese Wärme, die von ihm ausging. Ich konnte ihn spüren, nach langer Zeit war er wieder da.

"Ash." Flüsterte ich, meine Stimme ganz rau von der langen Pause. Meine Augen weiterhin geschlossen. Ich fühlte meinen Körper nicht, zu lange hatte ich ihn verlassen. Ich spürte nichts. Lag ich wieder? Wo waren wir diesmal?

"Ara."

"Öffne deine Augen." Befahl er leise, mit rauer Stimmlage und plötzlich konnte ich meinen Körper wieder spüren. Ich öffnete meine Augen, sah ihn. Wieder lagen wir auf dieser Wiese.

"Wo warst du?"

"Du hast mich vermisst?" Wollte er erstaunt wissen.

"Du bist mir aus dem Weg gegangen."

"Ich dachte, dass es dir besser ohne mich ergehen würde."

Ich lachte. Laut und kalt.

"Du bist nur nicht wieder gekommen, weil du meine Fragen nicht hören willst."

"Stimmt. Aber jetzt bin ich hier."

"Wie lange war ich weg?"

"4 Tage, wenn ich richtig gezählt habe. Man verliert das Zeitgefühl mit den Jahren."

Ich schwieg.

"Wo sind deine Fragen geblieben?"

"Es ist schön, deine Stimme wieder zu hören."

Das brachte ihn aus dem Konzept, seine Maske fiel für eine Sekunde. Er wirkte irgendwie unschlüssig.

"Danke." Sagte er nach kurzer Zeit und räusperte sich.

Es war komisch, ich hatte mich an ihn gewöhnt. Das hatte ich tatsächlich. Seit ich sein Gesicht kannte, seitdem ich sah, dass er einen Körper besaß. Es war komisch. Es fühlte sich so surreal an. Ich hatte beinahe ein Jahr damit verbracht ihn zu ignorieren, ihn zu töten, mich zu töten. War froh, wenn er eine Woche wegblieb und jetzt? Jetzt sah ich unser Gespräch als normal an. Routine.

"Was hast du getan, als du die Kontrolle hattest?"

"Ich habe getötet."

"Wieso?"

"Weil sie es verdient haben."

Sein Blick durchbohrte mich. Er wartete auf eine Reaktion.

"Wer gibt dir das Recht, über Leben und Tod zu urteilen?"

Sein Kopf fiel in den Nacken, bevor er leise loslachte.

"Weißt du, Ara, wir Dämonen sind Götter."

"Werd nicht übermütig."

"Bin ich nicht." Sagte er ernst und sah mir wieder in die Augen. "Dämonen sind das Produkt von Mensch und Gott. Wir sind stärker als Menschen, leben übernatürlich lang und wurden dadurch eine Bedrohung für die Götter, weshalb sie unsere Körper verbrannten."

"Deshalb musst du meinen Körper ständig missbrauchen."

Er lachte, ließ sich neben mich fallen und schloss seine Augen. Ich tat es ihm gleich.

"Dir gefällt es."

"Ich hasse es."

"Es ist wie eine Droge für dich geworden, das sanfte Kribbeln auf deiner Haut."

Seine Finger berührten kaum merklich meinen Arm und eine Gänsehaut überzog meinen Körper.

"Dieses Gefühl, wenn du weißt, dass du langsam deine Kontrolle an mich gibst."

Ich antwortete nicht. Ich wollte das nicht mehr hören.

"Du liebst die bittersüße Gänsehaut die du wegen mir bekommst."

Ich fühlte mich ertappt. Ich wollte aufstehen, Ash brachte mich dazu die verrücktesten Dinge zu fühlen. Es fühlte sich nicht richtig an.

"Du vermisst es, wenn ich nicht da bin. Du vermisst das Kribbeln, die Anspannung, die Ruhe vor dem Sturm."

Ich spürte seine Finger hoch und runter fahren, bis sie abrupt verschwanden. Er hatte Recht, ich vermisste es.

"Dir fehlt etwas. Meine Berührung. Ich fehle dir. Du vermisst mich."

Woher wusste er das? Ich wollte nicht mehr hier sein, ich wollte aufstehen. Sofort.

"Du fühlst dich unvollkommen ohne mich."

"Hör auf." Flüsterte ich, da ich mir meiner Stimme nicht bewusst war.

"Was mache ich denn?"

"Du versuchst mich abhängig von dir zu machen."

Ich hörte sein raues Lachen an meinem Ohr.

"Du bist mir längst verfallen."

Ich öffnete meine Augen und sah direkt in seine.

"Ich könnte dir alles antun und du würdest mich trotzdem vermissen. Ich könnte ganz New-York ausschalten und du würdest dich trotzdem nach meiner Nähe sehnen."

"Würde ich nicht." Versuchte ich mir selbst vorzumachen und fragte mich wie es soweit kommen konnte.

Seit wann hatte ich so eine Bindung zu Ash? Lag es daran, dass ich meine Augen geöffnet hatte?

"Nicht?" Wollte er wissen, grinste mich an und fuhr mit einer Hand durch meine Haare.

Ich schüttelte den Kopf. Er kam näher. Seine Nähe betörte meine Sinne. Er war viel zu nah.

"Sicher?" Hauchte er gegen meine Lippen, warf auf diese kurz ein Blick und sah schließlich wieder in meine Augen.

"Was tust du da?" Flüsterte ich, schluckte schwer als er mit seinem Kopf noch ein Stück tiefer kam.

"Ich will etwas ausprobieren. Beweg dich nicht."

Sein Atem prallte an meinen Lippen ab, nur noch ein winziger Zentimeter fehlte.

Ich öffnete meine Augen. Schwer atmend zog ich die kalte Luft ein und sah mich in der Gasse um. Ich war alleine, es war dunkel. Ich befand mich in Brooklyn.

Ash hatte Recht gehabt. Er fehlte jetzt schon.

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