Einsame Winternacht

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Draco:
Ich sprach gerade mit Crabbe und Goyle über den genialen Streich, den Melody ausgeheckt hatte. Wenn alles so lief, wie geplant, würde Potter sein blaues Wunder erleben. Da ging die Tür zum Aufenthaltsraum auf. Wer war zu dieser späten Stunde noch draußen gewesen? Mein Herz schlug mir plötzlich bis zum Hals, als ich ein blutverschmiertes Mädchen erkannte, dem wohl schon allein das Geradeauslaufen große Mühe machte. Doch dann gefror mein Herschlag, als ich die Augen meiner süßen Melody erkannte. Was zur Hölle war mit ihr passiert? Wo sie gewesen war, konnte ich mir denken. Bestimmt an ihrem Lieblingsplatz im Astronomieturm. Aber was hatte sie so zugerichtet? Dass wir offiziell nicht mehr zusammen waren, wurde mir gleichgültig. Ich konnte nur an ihr blutüberströmtes Gesicht denken. Bevor ich bemerkte, was ich tat, war ich schon aufgesprungen und ihr in den Waschraum gefolgt. Sie stand auf den Rand eines der marmornen Waschbecken gestützt und starrte in den Spiegel. Sie sah wirklich schlimm aus. So blass war sie noch nie gewesen und das Blut quoll ihr aus einer Platzwunde an der Stirn, die unmöglich von einem unglücklichen Sturz kommen konnte. Als ich hinter ihr den Raum betrat, drehte sie sich schnell weg, doch ich hatte ihren hochgekrempelten Ärmel und die Wunden darunter schon gesehen. Sanft, um ihr nicht wehzutun, drehte ich sie zu mir. Sie hob nicht den Kopf, doch ich sah das Blut vor ihr auf den Boden tropfen. Es war so viel Blut. Ohne noch lange zu überlegen, zog ich sie in meine Arme. Sie stand still da. Jede Kraft war aus ihrem Körper gewichen. Solche Wunden zog man sich nicht einfach so zu. Nur, wenn man verprügelt wurde wie ein dreckiger Muggel. Wer hatte ihr das nur angetan? Am liebsten wäre ich sofort losgestürmt und hätte demjenigen den schlimmsten Fluch aufgehalst, den ich kannte. Und mein Repertoire war unermesslich groß. Aber ich wollte sie nicht noch mehr aufregen, als sie es eh schon war. Also beherrschte ich mich mühevoll und presste ein ruhiges "Wer?", zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Ich wartete auf eine Antwort, doch sie blieb stumm und starrte weiter auf den Boden. Überraschend fiel sie plötzlich in meinen Armen zusammen. Wie eine Puppe lag sie leblos da. Oh nein! Nicht schon wieder! Sie hatte sich gerade erst von einer schlimmen Unterkühlung erholt. Beunruhigt sah ich sie an. Man musste kein Heiler oder Arzt sein, um zu sehen, wie dreckig es ihr ging. "Mel?", fragte ich leise. Keine Reaktion. Sanft hockte ich mich auf den kalten Boden und bettete ihren Kopf in meinen Schoß. Wie hilflos sie doch aussah. Hinter mir ging die Tür auf. Noch bevor ich mich umdrehen konnte, kniete schon Madam Pomfrey neben uns. "Mister Malfoy!", tönte Snapes Stimme scharf von der Tür. Ich reagierte nicht sondern hatte nur Augen für Melody, wie Madam Pomfrey ihr Gesicht mit einem Wisch mit dem Zauberstab vom Blut reinigte und die Wunden verband. Ich spürte Snapes Hand auf meiner Schulter. Fest packte er mich und schleifte mich hinter sich her zu seinem Büro. Doch im Geiste blieb ich bei Melody. Bitte lass es ihr bald wieder besser gehen! Zu wem betest du? Keine Ahnung. Zu Merlin, zu Muggelgöttern, zu allem eben! Und du meinst es bringt etwas? Ich muss es glauben. "... welche Gefahr Sie für Miss Jackson darstellen?", hörte ich Snape aus weiter Ferne brüllen. Ich, eine Gefahr für Melody? Vielleicht. Nicht nur vielleicht. Seit du mit ihr zusammenbist ist sie zweimal knapp dem Tod entkommen und wir wissen nicht, ob sie je wieder aufwacht. Schon komisch, dass in den letzten zwei Jahren nichts passiert ist und auf einmal alles auf einmal kommt. Ich stellte ja wirklich eine Gefahr für sie dar! Jetzt musste ich mich erst recht von ihr fernhalten. Vielleicht würde sie dann in Ruhe gelassen werden. Eine schreckliche Vorstellung, sie nie wieder in die Arme schließen zu können, oder ihre wundervollen Lippen zu liebkosen. Alles vorbei. Für sie. So sehr es auch schmerzte, ich musste sie gehen lassen. Und durfte sie nicht wiedersehen.

Melody:

Im Krankenzimmer ging Madam Pomfrey ihre letzte Runde um die Betten der kranken verletzten Schüler. Besonders lange blieb sie bei mir stehen und ich spürte ihren Blick auf mir ruhen. Dann ihre warme Hand, wie sie mir leicht über die Wange streichelte. Ein schönes Gefühl. Fühlte es sich so an, von einer Mutter gestreichelt zu werden? So leicht und liebevoll? Ich hatte dieses Gefühl schließlich noch nie gefühlt. Erst, als sie weg gegangen war, bewegte ich langsam meinen Arm in Richtung Nachttisch. Die tastenden Finger zuckten über meinen Zauberstab und umschlossen das pulsierende Holz. "Lumos", flüsterte ich leise, um ja niemanden zu wecken. Vorsichtig setzte ich mich auf. Madam Pomfreys Medizin hatte volle Arbeit geleistet. Zwar würde ich noch eine ganze Weile mit den blauen Flecken leben müssen, aber die Schmerzen wurden allmählich besser. Vielleicht, weil Phönixtränen in dem Trank gewesen waren. Und da Phönixe in gewisser Weise auch Vögel waren wie Eulen, und meine Tierform ja eine solche darstellte, wirkten sie bei mir schneller und effizienter als bei anderen Zauberern. Doch dass niemand davon wusste, wollte ich ausnutzen um meinen Aufenthalt im Krankenflügel noch ein paar Tage hinauszuzögern. Mit dem schwächlich silbernen Licht meines Zauberstabes beugte ich mich über die Seiten der Schülerchronik. "Black...", murmelte ich vor mich hin. "Black...". Doch erst auf der zweihundertsiebenundzwanzigsten Seite wurde ich fündig. Dort stand ganz oben ein gewisser Phineas Nigellus Black, unter dessen Namen in verschnörkelter Schrift die Worte Haus Slytherin, Vertrauensschüler, Schulsprecher und Schulleiter geschrieben waren. Da er jedoch vor zu langer Zeit sein Unwesen getrieben hatte, schied er als Briefeschreiber aus. Ich überflog die nächsten Namen. Keiner passte auf N.B. Weiter unten sah ich Sirius Blacks Namen stehen. Bei ihm stand nur Haus Gryffindor. Soweit ich es überblicken konnte, war er der einzige der Familie Black, der in Gryffindor gewesen war. Aber halt! Direkt über ihm stand noch jemand aus Gryffindor. Jemand namens Nathaniel Saphias Black. N.B. Konnte es wirklich sein? Hatte ich ihn tatsächlich gefunden? Diesen Mann, der mir etwas über meine Eltern erzählen konnte? Ob er es kann ist eine Sache. Aber ob du es auch wissen willst ist eine andere. Natürlich. Sie haben mich zwar damals allein gelassen, aber sie sind immer noch meine Eltern. Musst du wissen. Ja. Aber es war immer noch nicht klar, in welcher Beziehung ich zu ihm stand. Bis ich den Namen Melody Black unter Nathaniel stehen sah. Kein einziges Wort über Melody Jackson. Nur Melody Black. Allmählich wurde ein Gespräch mit Dumbledore fällig. Denn wenn er mir schon verschwiegen hatte, dass mein wahrer Nachname Black und mein Verwandter, egal, inwiefern der gefürchtete Massenmörder Sirius Black war, dann war ich wirklich gespannt auf die anderen Sachen, die er mir zu sagen hatte. Noch lange lag ich wach und lauschte auf das regelmäßige Atmen der Anderen.

Eisprinz sucht Eisprinzessin (Draco Malfoy Fan-Fiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt