Nathaniel Black

6.3K 277 12
                                    

Melody:

Als schließlich der Morgen graute und die ersten Schüler anfingen, sich zu regen, verfiel ich, die schon seit Stunden wach lag, wieder in den Zustand des künstlichen Schlafens. Es sollte noch niemand wissen, dass ich schon wieder auf den Beinen war. Auch, wenn heute Sonntag war, hätte ich keine ruhige Minute. Im Gemeinschaftsraum, wie im Schlafsaal würde ich nur angestarrt werden. Im Astronomieturm traute ich mich nicht mehr zu sein dank meiner Begegnung mit den Gryffindorsechstklässlern. Bei diesem Gedanken begannen, wie auf Kommando meine Schrammen wieder zu brennen. Nein! Keinen Schmerz zulassen! Denk dran, Eisprinzessin. Ist ja gut. Im Moment konnte ich nicht einmal zur Bücherei gehen, da ich dort auch oft ältere Schüler herumflanieren sah. Im Moment würde ich es nicht ertragen, ältere Schüler zu sehen. Zu lebendig war noch die Erinnerung an ihre Schläge und Tritte. Also musste ich warten, bis Dumbledore das nächste Mal in den Krankenflügel kam. Eine ewig lange Zeit. Denn schließlich hatte der Schulleiter von Hogwarts sicher besseres zu tun, als am Krankenlager seiner Schüler vorbeizuschauen. Und so lag ich einfach nur mit geschlossenen Augen da und horchte auf das geschäftige Treiben im Krankenflügel. Den ganzen Tag hörte ich Madam Pomfrey zwischen einzelnen Schülern hin- und herlaufen. Wie gut sie sich doch um uns kümmerte. Ist ja auch ihr Job. Aber man merkte, wie sehr sie ihn liebte. "Wie oft noch, Mister Zabini! Sie wird nicht vor morgen früh aufwachen, egal wie oft sie bei ihr sind. Und ich weiß nicht, ob ihre Anwesenheit gut für sie ist", hörte ich die schroffe Stimme der Schulkrankenschwester. Es war nun schon das vierte oder fünfte Mal, dass er mich besuchen wollte, was Madam Pomfrey jedoch wie jedes Mal vereitelte. Und dafür war ich ihr nur noch dankbarer. Weißt du eigentlich, dass du der schlechteste Slytherinschüler bist, den ich je gesehen habe? Ist das jetzt gut oder schlecht? Ich meine, für einen Slytherin bist du viel zu gutherzig. Nimm dir ein Beispiel an den Anderen. Ach, nervst du die auch dauernd? Manche empfinden es als durchaus angenehm, wenn ihnen eine kleine Stimme dunkle Gedanken einflüstert. Ach ja? Dann geh doch zu denen. Nein. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, dich zum Bösen zu bekehren. Viel Spaß dabei. Den habe ich, danke. Wie sehr du mich doch nervst. Ich horchte auf sich nähernde Schritte und tatsächlich hörte ich welche. "Guten Tag, Miss Jackson. Haben sie gut geschlafen?", hörte ich Dumbledores amüsierte Stimme. Diesem Mann entging aber auch nichts. Ich öffnete die Augen und blickte ihn an. "Warum nennen sie mich nicht Miss Black?", fragte ich herausfordernd. Der Satz war mir über die Lippen gekommen, bevor ich darüber hatte nachdenken können. Dumbledores Blick wurde ernst. "Soso. Du hast es also herausgefunden. Na ja. Dann hat es wohl keinen Sinn mehr, es dir zu verschweigen", murmelte er in seinen dichten schlohweißen Bart. "Komm doch bitte nachher in dein altes Zimmer. Ich denke, dort wirst du mehr erfahren", flüsterte er mir zu. "Aber achte darauf, dass Madam Pomfrey dich nicht erwischt. Sie könnte sonst der Meinung sein, ich vergraule ihr die Patienten", zwinkerte er. Wie konnte seine Stimmung so schnell von ernst zu fröhlich wechseln? "Also dann", verabschiedete sich der Mann, der jahrelang so eine Art Ersatzvater für mich gewesen war, und verließ den Raum. Ich starrte ihm noch kurz nach, bevor ich mich meiner Rolle wieder entsinnte und die Augen schloss. Gerade noch rechtzeitig, wie ich geschockt feststellte, denn von der anderen Seite näherten sich nun mehrere Paar Füße. Die Stimmen, die zu den Füßen gehörten, kannte ich. Ihr Klang ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Ich musste meinen ganzen Körper anspannen, um nicht sofort kreischend aus dem Fenster zu springen. "Meinst du, sie wird es überstehen?", fragte einer der Jungs. "Na klar. Wer mit dieser Hackfleischfresse Malfoy zusammen ist, muss ja einiges aushalten", lachte der Andere, der mich zusammengeschlagen hatte. Es strengte mich wirklich an, jetzt nicht jemandem an die Gurgel zu gehen. "Aber was ist, wenn nicht? Mann, was wenn wir sie umgebracht haben?", fragte nun wieder der erste. "Ach komm. Die paar Schläge wird sie wohl ausgehalten haben", winkte der Andere ab. Daraufhin schwiegen sie. Angespannt lauschte ich meinem eigenen Atem und versuchte, ihn ruhig zu stellen. Ich gab mir Mühe, ganz entspannt zu bleiben. Hier, wo es so viele Zeugen gab, würden sie es nicht wagen, mich wieder anzugreifen. "Hey Jungs! Ich glaub wir sollten uns bei der Kleinen entschuldigen. Vielleicht mit einem kleinen Fluch?", schlug ein anderer vor. Ich glaubte, ein gemeines Grinsen in seinem Satz zu hören. Vielleicht war es auch nur meine Angst vor diesen Jungen, die mir einen Streich spielte. Dennoch war es nur meiner guten Selbstkontrolle zu verdanken, dass das Zittern mich nicht verriet. "Welchen sollen wir nehmen?". "Die Ganzkörperklammer! Stell dir vor die steht auf und fliegt auf die Fresse", prustete ein Anderer. Da ich meinen Zauberstab noch in der Hand hielt und nicht unbedingt die Ganzkörperklammer spüren wollte, nahm ich das Risiko auf mich und machte einen kleinen Schlenker mit dem Stab unter der Decke. Dabei dachte ich ganz fest den Zauberspruch. Ich konnte nur hoffen, dass dieser unausgesprochene Zauber trotzdem seine Wirkung zeigte. Mit unaussprechlichen Zaubern kannte ich mich noch nicht so gut aus. "Petrificus Totalus", hörte ich den vermutlichen Anführer der Gruppe murmeln. Ich spürte, wie etwas gegen meinen Körper prallte, und von meinem Schild zurückgeworfen wurde. Wirkungslos prallte der Fluch ab. Ich wagte nicht, erleichtert aufzuatmen, obwohl mir ein Stein von Herzen fiel. Endlich verhallten die Schritte der Jungs in der Ferne der weiten Gänge des Schlosses. Erleichternd aufatmend hob ich leicht das rechte Augenlid. Draußen dämmerte es. Von Madame Pomfrey hörte ich weit und breit nichts und die wenigen Schüler, die hier noch lagen, schliefen schon. Also schwang ich die Beine aus dem Bett. Etwas wackelig stand ich auf. Ein kurzer Schwindel packte mich. Doch ich stand mit beiden Beinen sicher auf dem Boden. Der erste Schritt war der Schwerste. Mit zusammengepressten Lippen wagte ich mich auf den leeren Schulflur hinaus. Das Gehen fiel mir schwer. Vielleicht wäre es als Eule leichter? Natürlich nur, damit ich meinen Körper schonen konnte. Gib's doch zu: Du hast Gefallen an deiner Eulengestalt gefunden. Naja. Kann schon sein. Innerhalb weniger Sekunden und mit fast keinen Schmerzen bei der Verwandlung schwebte ich bereits in der Luft. Nur kurz musste ich mich orientieren, bevor ich geradewegs zu meinem alten Zimmer flog. Vor der Tür verwandelte ich mich zurück, was ganz ohne Strapazen ablief. Ich legte die Hand auf die Türklinke. Wenn ich sie jetzt hinunter drückte, wusste ich nicht, ob es ein Zurück geben würde. Aber andererseits wirst du sonst nie etwas über deine Eltern herausfinden. Da hast du recht. Aber ich habe Angst, etwas herauszufinden, das ich nicht verkraften kann. Du gehst jetzt da rein! Ein letztes Mal holte ich zitternd Luft, drückte die Klinke herunter und trat in mein altes Zimmer ein. Alles sah noch genauso aus, wie ich es verlassen hatte. Nur, dass am Fenster jemand stand. Der Statur nach ein Mann mit dunklen Locken. Er drehte sich zu mir um und ich erkannte sein Gesicht mit den strahlend hellen Augen. Es war, als sähe ich meinen Zwillingsbruder vor mir. Nur, dass er ein paar Jahre älter aussah als ich. Er hatte dasselbe schmale Gesicht mit den unnachahmbar hellblauen Augen und pechschwarzen Locken, die ihm verspielt ins Gesicht hingen. Ein bisschen sah er aus wie Sirius Black, und bestimmt waren die beiden Zauberer nahe Verwandte voneinander. Aber auch eine Ähnlichkeit zwischen dem Mann und mir war nicht zu übersehen. Nach endlosen Sekunden des Anstarrens huschte ein Lächeln über sein Gesicht und machte es noch schöner, noch engelsgleicher als es eh schon war. "Hi Melody! Ich hatte ehrlich gesagt nicht gedacht, dass du kommst", grüßte er mich. Ich setzte ein kleines Lächeln auf und antwortete ehrlich: "Wäre ich auch beinahe nicht, Nathaniel. Aber naja... irgendwann muss ich mich dem Ganzen ja wohl stellen". Sein Grinsen verbreiterte sich als ich seinen Namen nannte. "Oh sehr gut. Hast wohl gründlich nachgeforscht. Aber sag erst mal: Woher hast du diese ganzen Wunden? Du siehst ja schrecklich aus!". Echte Sorge klang in seiner Stimme mit. Ich winkte nur ab. Jetzt war nicht der Zeitpunkt dazu. "Ist nichts weiter. Also, was wolltest du mir über meine Eltern erzählen und inwiefern sind wir mit den Malfoys verwandt?", fragte ich. Die Frage mit der Verwandtschaft lag mir schon lange auf der Zunge. "Mit den Malfoys? Ach, wir sind angeheiratet. Nichts weiter tragisches. Warum fragst du?", stirnrunzelnd sah er mich an. Ich konnte nicht verbergen, wie meine Wangen rot wurden. Wieso fiel es mir in Nathaniels Nähe so schwierig, meine Gefühle zu verbergen, wie ich es fast drei Jahre getan hatte? Weil er zu deiner Familie gehört. "Melody?". "Ach nichts. Erzähl mir mehr über meine Familie". Meine Familie...Ich ließ mir jede Silbe einzeln auf der Zunge zergehen. "Krieg jetzt keinen Schock!", warnte er mich vor. "Ich bin dein Onkel und mein Bruder Sirius ist dein... dein Vater". Eine riesige Last schien von seinen Schultern zu fallen und er sah mich abschätzend an. Wie würde ich wohl diese Information verarbeiten. Ehrlich gesagt, wusste ich es selbst nicht. Es ist ja auch ziemlich krass von ihm, dir das einfach ins Gesicht zu sagen. Dein Vater ist ein gesuchter Massenmörder und ist wahrscheinlich nicht weit von hier, wo doch alle denken, er sei hinter Harry Potter her. Natürlich weiß niemand, dass er hier eine Tochter hat. "Weiß er, dass ich...", fragte ich leise, wobei ich es nicht schaffte, den Satz zu Ende zu führen. "Nathaniel nickte. "Du warst ja auch schon ein Jahr alt, als er... es tat", flüsterte er. Ich nickte nur matt und ließ mich auf mein Bett plumpsen. Nathaniel stand immer noch seltsam verloren im Raum. Also klopfte ich neben mich auf das Bett und zögerlich setzte er sich zu mir. "Und meine Mutter?", fragte ich weiter. Ich war inzwischen fast schon besessen von dem Gedanken, möglichst viel über meine Familie zu erfahren. "Von deiner Mutter weiß ich nur, dass sie...tot ist. Du hast also nur noch deinen Vater". Ich griff nach seiner Hand und drückte sie. "Und dich", wisperte ich. Er lächelte und ich fiel meinem Onkel in die Arme. Ich hatte ja nur noch ihn. Und Draco...

Eisprinz sucht Eisprinzessin (Draco Malfoy Fan-Fiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt