Kapitel 13

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Es verging Tag für Tag, ohne dass sich irgendetwas besserte. Ich sprach weder mit David, der mich immer im Unterricht beobachtete, noch mit Mary, die gar nicht mehr zum Unterricht erschien. Jedenfalls nicht zu unseren gemeinsamen Stunden.
Meine Lehrer bemerkten nichts, ich war sogar besser denn je. Obwohl ich niemals aufpasste, wusste ich immer die Antworten auf das, was mich die Lehrer fragten. Es war, als könnte ich auf alles, was ich je im Leben gelernt hatte einfach so zurückgreifen. Das war nicht gerade schlecht, aber es änderte nichts daran, dass ich wieder ein Mensch sein wollte. Es war schon traurig, dass ich erst jetzt, da mir alles genommen wurde, merkte, wie wertvoll mein scheinbar so armseliges kleines Menschenleben doch war. Aber war es nicht bei allem so? Man merkt doch immer erst, was man besaß, wenn man es bereits verloren hat. Ich wünschte ich hätte es damals schon zu schätzen gewusst. 
Ich hatte mir viel zu oft gewünscht, so schnell und so stark zu sein, wie ein Vampir. Ich hatte mir auch gewünscht, Gedanken lesen und manipulieren zu können, aber jetzt wo ich all das (bis auf das Gedankenlesen) habe, will ich es nicht mehr.
Jeden Tag rief ich bei Mary auf dem Handy an, bombadierte sie förmlich mit SMS, aber sie reagierte nicht. War ihr unsere Jahre lange Freundschaft wirklich so wenig wert? Das wollte und konnte ich nicht glauben.
Und was David anging, war es noch schlimmer. Denn da war ich diejenige, die keinen Kontakt wollen durfte. Wenn er mich ansprach ignorierte ich ihn meist oder sagte ich hätte keine Zeit.
Drei Tage lang hielt ich das alles aus, bis ich schließlich merkte, dass ich niemals ohne ihn leben könnte und dass ich auch mal etwas riskieren musste.
In der Mittagspause ging ich zu ihm, der gerade mit seinen Freunden redete und sprach ihn an. "Kann ich kurz mit dir reden?" fragte ich vorsichtig. Er nickte bloß und stand auf und folgte mir. Ich ging die letzte Treppe hoch, auf den Dachboden, wo wir beide ungestört waren.
"was gibts?" fragte er ruhig. Er schien nicht sauer auf mich zu sein, weil ich mit ihm schluss gemacht hatte, aber ich merkte ihm an, dass es ihn störte.
"hör zu" sagte ich langsam "ich hab lange darüber nachgedacht und..." Ich ließ den Satz fallen.
Er schaute mich fragend an "ja?"
Ich seufzte und fing nochmal von vorne an "Als ich gesagt habe, wir können nicht zusammen sein, lag ich falsch. Ich kann nicht nicht mit dir zusammen sein. Und egal, wie gefährlich und seltsam das auch sein mag, aber ich möchte trotz allem mit dir zusammen sein, weil ich dich mehr als alles auf der Welt liebe." Jetzt war es raus. Er starrte mich lange an, ohne etwas zu sagen. Schließlich schloss er mich in seine Arme und ich vergrub mein Gesicht in seiner Brust.
"Es wurde auch Zeit, dass du langsam zur Vernunft kommst" flüsterte er in mein Haar hinein. Ohne mich von ihm zu lösen lächelte ich über die Tatsache, dass er immer noch scherzte.
"aber ich muss dich um etwas bitten" sagte ich nachdem wir uns eine Minute lang nur umarmt haben.
"Alles, was du willst" sagte er liebevoll. Ich lächelte, war aber doch etwas nervös.
"Ich möchte, dass du mir alles über Vampire erzählst" sagte ich leise, aber bestimmt.
"warum?" fragte er mit zusammengezogenen Augenbrauen.
"Ich möchte gerne wissen, worauf ich mich einlasse, wenn ich mit dir zusammen bin"
Er kaufte mir meine Lüge glatt ab, worauf ich sehr stolz war, weil ich eigentlich eine grauenhafte Lügnerin war.

The hunterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt