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„Wie hast du es eigentlich geschafft ins Haus zu kommen?", fragte ich Ethan als wir vor der Eingangstür des Hochhauses standen, in dem ich wohnte.

„Ich bin von einem Nachbarn, der gerade raus wollte rein gelassen worden.", erklärte er Schultern zuckend.

Dann betrachtete er wieder verlegen den Boden. Was war los mit ihm?

„Du siehst sehr hübsch aus.", murmelte er und sein Hals färbte sich rot.

„Danke", antwortete ich völlig perplex. „Du auch."

Das hatte ich jetzt nicht ehrlich gesagt, oder? Erdboden bitte, bitte, bitte verschluck mich!

Mein Gesicht stand in Flammen.

„Ähm..." Ethan räusperte sich. „Die hier ist für dich."

Er hob die Hand, in der er eine einzelne Margerite hielt. Mein Herz drohte vor lauter Glück zu zerplatzen. Geschah das hier wirklich?

„Danke...", ich lächelte schüchtern.

„Darf ich?"

Ohne meine Antwort abzuwarten beugte Ethan sich zu mir nach unten und...

...steckte mir die Blume hinters Ohr.

„Jetzt siehst du noch schöner aus.", behauptete er, ging um mich herum und begann mich zu schieben.

Da er mein Gesicht nicht sehen konnte, begann ich zu grinsen, vielleicht war es doch nicht so hoffnungslos wie gedacht. Vielleicht hatte ich doch eine Chance bei Ethan.

                                                                               # # #

Nachdem Ethan und ich einige Zeit durch den Central Park geschlendert waren, nun gut er war geschlendert und ich gerollt, und rumgealbert hatten, beschlossen wir uns ein Eis an einem der Eiswagen zu kaufen. Also stellten wir uns in die gefühlt Kilometer lange Schlange und warteten darauf endlich dran zu kommen. Als nur noch drei Leute vor uns waren erkannte ich, dass die Verkäuferin pinke Haare hatte.

Mai.

Ich wollte eigentlich nicht mit ihr reden. Oder doch? Ich war mir nicht sicher. Aber ich hatte jetzt zu lange in dieser Schlange gestanden, als das ich jetzt kehrt machen würde. Außerdem wollte ich ja nicht mit ihr reden, sondern nur ein Eis kaufen. Du willst nur ein Eis kaufen, lass dir nichts anmerken April. Zeig ihr nicht, wie sehr sie dich verletzt hat. Ethan schien meinen inneren Kampf bemerkt zu haben, denn er schaute mich an und hob fragend die Augenbrauen. Ich schüttelte den Kopf und lächelte.

Du willst nur ein Eis kaufen, lass dir nichts anmerken April. Zeig ihr nicht, wie sehr sie dich verletzt hat.

Nun waren wir an der Reihe.

Du willst nur ein Eis kaufen, lass dir nichts anmerken April. Zeig ihr nicht, wie sehr sie dich verletzt hat.

„Zwei Mal Schokolade mit Vanille, bitte", übernahm Ethan das sprechen für mich.

Als Mai Ethans Stimme hörte, schaute sie auf. Für einen Moment weiteten sich ihre Augen überrascht, vielleicht auch erschreckt, da war ich mir nicht so sicher. Doch nach ein paar Sekunden hatte sie sich wieder gefangen.

„Oh, Hallo Liam.", sagte sie.

Mich ignorierte sie.

„Mai, was soll das?", forderte ich eine Erklärung.

„April...", antwortete sie gequält.

„Mai! Sprich verdammt nochmal mit mir!"

Ich war nicht nur verletzt, nein ich war inzwischen richtig wütend.

„Ich kann jetzt nicht reden..."

„Du konntest die letzten Wochen auch nicht! Du hattest ja immer so unglaublich wichtige Termine! Sag mir mal bitte eins: kannst oder willst du nicht?!"

Frustriert warf ich die Hände in die Luft. Mai senkte den Kopf sodass ihr pinke Strähnen ins Gesicht fielen. Sie holte tief Luft.

„Ich will nicht.", murmelte sie mit solcher Endgültigkeit, dass es mir für einen Moment den Atem verschlug. Ich schluckte schwer.

Nicht weinen, jetzt nicht! Es war als hätte mir jemand in den Bauch geschlagen. Warum tat es so weh? Ich kannte sie kaum und hatte mal wieder zu viel Hoffnung gehabt. Die kleine April war mal wieder zu naiv gewesen.

„Gut, wie du willst.", brachte ich noch heraus bevor ich herum wirbelte und mich so schnell wie ich nur konnte von Mai entfernte. Nur am Rand nahm ich war, wie ein paar Mädchen aus meiner Schule, Freundinnen von Ally, die hinter uns in der Schlange gestanden hatten, gehässig kicherten und wie Ethan mir hinterher rief, dass ich warten solle. Doch ich konnte nicht warten, ich würde weder den Mädchen noch Mai die Genugtuung geben vor ihnen in Tränen auszubrechen.

Soviel Stolz besaß ich noch. Und den würde ich mir von niemanden wegnehmen lassen.

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Ich musste ziemlich schnell oder weit gefahren sein, denn als ich schließlich zum stehen kam war nicht nur ich außer Atem, sondern auch Ethan, der mir hinterher gelaufen war. War er nicht unglaublich?

Als Ethan wieder zu Atem gekommen war musterte er mein Gesicht und es blitzte so etwas wie Mitleid in seinen grauen Augen auf.

„Du hast deine Blume verloren.", stellte er mit einem Lächeln, welches ich nicht deuten konnte, fest.

Ich nickte bloß.

„Tut mir Leid", sagte er nur. Wir wussten beide, dass er nicht die Blume meinte.

„Du kannst nichts dafür."

„Ich weiß." Ethan seufzte.

„Ethan?"

„Ja?"

Ich liebe dich...

Doch das sagte ich nicht, ich wusste, dass er nicht dasselbe fühlte, doch das aus seinem Mund zu hören, wäre noch schlimmer. Oder ein mitleidiger Blick, nein das würde ich heute nicht überleben.

Stattdessen sagte ich: „Du bist mein bester Freund, dass weißt du, oder?"

Kurz dachte ich, dass ich Schmerz in seinen Augen aufflammen sehen würde, doch es war zu schnell wieder vorbei, als dass ich mir hätte sicher sein können.

„Ich weiß. Und du meine."

Mehr gab es nicht zu sagen.


AprilynneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt