Als Ethan sich wieder von mir löste, hatte ich das Zeitgefühl verloren, waren Sekunden vergangen? Oder eine Minute? Mir sollte es egal sein. Mein Gesicht schien zu glühen, und nur mit Mühe konnte ich ein irres Gekicher zurückhalten. Mein erster Kuss. Von Ethan. Inzwischen war ich mir zu 100% sicher, dass ich wie eine verrückte grinste. Ethan belächelte mich. Er schien mir glücklich zu sein. Seine Augen waren heller als sonst, eher silbern. Aber vielleicht lag das auch an den Sonnenstrahlen, die durch das Blätterdach brachen und es unglaublich grün leuchten ließ. Komisch, so etwas hatte ich vor unserem Kuss, unserem Kuss, gar nicht wahrgenommen. Es schien, als ob die Welt mehr Farben hatte. Es schien als wäre die Welt voller Hoffnung. Die Frage war nur worauf.
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Nachdem ich diese Bank nun offiziell, ich hatte es Ethan gesagt, vielleicht war das peinlich, aber was machte das schon, zu meinem Lieblingsplatz ernannt hatte, schlenderten wir weiter durch den Central Park. Nun ja, Ethan schlenderte/schob und ließ mich von ihm schieben. Er hatte darauf bestanden. Jungfrau in Nöten hatte er gesagt und gezwinkert. Genau das gleiche hatte er vor kaum mehr als einem Monat gesagt. Einen Monat? So kurz kannten wir uns erst? Es kam mir viel länger vor. Aber wenn ich so darüber nachdachte, viel wusste ich über Ethan nicht. Und trotzdem hatte ich mich in ihn verliebt. War das möglich? Oder hatte ich mich von seinem Charme und Witz einwickeln lassen?
Ich legte den Kopf so weit wie möglich nach hinten und blickte Ethan von unten an. Er sah so gut aus. Plötzlich begann er zu lächeln.
„Was guckst du so?", fragte er neugierig und schaute nun von oben auf mich herab.
„Ach nichts.", schwindelte ich.
Ethan blieb ohne Vorwarnung stehen, sodass die zwei Läuferinnen hinter uns fast in uns hinein gelaufen wären. Während sie um uns herum liefen meckerten sie lautstark und keuchend, aber dass schien ihn nicht zu beeindrucken. Er ging einmal um den Rollstuhl herum und kniete sich vor mich, damit wir auf einer Augenhöhe waren. Ich liebte es, wenn er das tat. Dann hatte ich das Gefühl, dass wir auf der gleichen Stufe standen. Ethan war einer der beliebtesten Jungen der Schule, das merkte man schon allein daran, dass ihn so gut wie jeder begrüßte, von Footballspieler bis zu Mathestreber, und so gut wie jedes Mädchen himmelte ihn an. Manche benahmen sich in seiner Gegenwart so komisch, dass ich mich für sie schämte. Andere schmissen sich so sehr an ihn ran, dass ich teilweise dachte, ich müsste mich übergeben. Aber was sie alle gemeinsam hatten, war, dass sie mich böse anstarrten, allen voran Ally, weil Ethan die ganze Schulzeit mit mir verbrachte. Was noch ein weiterer Beweis dafür war, dass Ethan total beliebt war, das er übernatürlich viele Freunde hatte. Seltsam war nur, dass er mich ihnen nie vorstellte, und das obwohl ich seine beste Freundin, wenn nicht sogar mehr war. War ich ihm peinlich?
Wieder spielte ich an meiner Kette herum und blickte zu Boden. Behutsam hob Ethan mein Kinn.
„Hey...", sagte er sanft. „Irgendwie glaube ich dir nicht, dass nichts ist. Was ist los?"
„Bin ich dir peinlich?", rutschte es mir heraus, bevor ich es verhindern konnte.
„Was?! Nein! Wie kommst du denn darauf?", fragte er entsetzt.
„Du hast mich noch gar nicht deinen Freunden vorgestellt."Plötzlich trotzig reckte ich das Kinn in die Luft. „Wahrscheinlich wissen sie noch nicht mal, dass wir befreundet sind!"
„Das ich dich meinen Freunden noch nicht vorgestellt habe, liegt nicht an dir. Es ist..." Seine Augen wurden wieder dunkler „kompliziert."
Es ist kompliziert? Es liegt nicht an dir? Gott das sind so ziemlich die ältesten Ausreden dieser Welt, und ich hatte genug Bücher gelesen, sodass ich mir ziemlich sicher war, dass er mir etwas verheimlichte, doch ich wollte ihm glauben.
„Wirklich?", fragte ich skeptisch.
Ethan schloss die Augen. „Ja."
Er öffnete ein Auge einen Spalt breit und musterte mich: „Das war aber noch nicht alles, oder? Dich bedrückt doch etwas."
Entweder ich konnte meine Gefühle echt schlecht verbergen oder er kannte mich inzwischen so gut, dass er es einfach merkte. Das mein Verhalten anders war als sonst. Natürlich hoffte ich auf letzteres.
„Ja.", antwortete ich gedehnt.
„Und?", antwortete er ebenso gedehnt.
„Ich weiß kaum etwas über dich.", murmelte ich.
Verdutzt schaute er mich an. „Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet. Ich dachte schon, dass etwas im Nachhinein mit unserem Kuss nicht gestimmt hätte." Verlegen rieb er sich den Nacken.
„Aber dagegen können wir ja was machen."
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Ich lag neben Ethan auf einer Rasenfläche des Central Parks und blickte in den mit Schäfchenwolken durchzogenen Himmel. Nachdem Ethan mich aus dem Rollstuhl gehoben und mich vorsichtig auf den Rasen niedergelassen hatte, hatte er sich neben mich gelegt und kein Wort gesagt. Ich auch nicht. Heute schwiegen wir viel, was untypisch für uns beide war. Ich glaubte, dass er inzwischen eingeschlafen war und drehte meinen Kopf, so dass ich ihn anschauen konnte. Ich schaute mir sein Profil an, er sah wirklich gut aus. Gerade, als ich all meinen Mut zusammen genommen und meine Hand hob, um seine Wange zu berühren öffnete er die Augen. Ich erschrak und zog meine Hand wieder zurück. Er lachte und drehte sich auf die Seite, sodass er mich richtig anschaute.
„Alsooo...ich bin bereit für den Fragen Marathon. Schieß los!"
„Hmmm, okay...Lieblingsfarbe?"
„Schwarz."
„Sag mal eine bunte Farbe."
„Ganz dunkles blau.
Ich lachte.
„Wann hast du Geburtstag?"
„13.August 1999"
„Alter Knacker.", kommentierte ich.
„Für einen alten Knacker sehe ich aber ganz schön gut aus.", prahlte Ethan.
An Selbstbewusstsein mangelte es ihm nicht, im Gegensatz zu mir.
„Was ist dein Lieblingsessen?"
„Waffeln."
„Geschwister?"
„Nö."
So ging es einige Zeit weiter, bis ich keine Fragen mehr hatte, schließlich drehte sich Ethan wieder auf den Rücken und legte seinen Arm über die Augen. Wieder schwiegen wir.
„Willst du mich auch irgendwas fragen?", durchbrach ich irgendwann unser Schweigen.
Er hob den Arm hoch und blinzelte mich an. „Nur eine. Denkst du das wir wirklich nur Freunde sind?"
Beinahe hätte ich mich an meiner eigenen Spucke verschluckt. Misstrauisch musterte ich ihn. War das eine Fangfrage? Aber Ethan Gesicht so nicht wirklich so aus, als würde er einen Witz machen. Eher verletzlich und eine Spur gespannt.
„Nein, nein das denke ich nicht."
Als ich meine Augen schloss hatte ich Angst mein Gesicht könnte verbrennen.
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Aprilynne
Teen FictionAprilynne ist 16 und an den Rollstuhl gefesselt. Als ob das nicht schon genug Probleme wären, stößt sie an ihrer neuen Schule auf Mitschüler, die scheinbar etwas zu verbergen haben. Wird April es schaffen hinter ihre Geheimnisse kommen?