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Einige schlaflose Stunden später stand ich vor der verschlossenen Cafetür. Verwirrt schaute ich auf den Zettel, der mir mitteilte, dass heute erst um zwei geöffnet werden würde. Ich hatte versucht die Tür aufzudrücken, doch sie war verschlossen, ich legte die Hände an die Scheibe und versuchte im dunklen Cafe etwas zu erkennen. Als ich nichts erkennen konnte, machte ich kehrt und wollte weg fahren als jemand meinen Namen rief.

Fine. Ich drehte mich wieder um.

„Hallo, April.", sie lächelte erleichtert. „Komm doch rein."

„Hallo, Fine.", auch ich lächelte, doch wohl fühlte ich mich nicht.

Fine lotste mich in ein kleines gemütliches Büro im hinteren Teil des Cafés.

„Hier können wir ungestört reden.", erklärte sie mir. „Möchtest du irgendetwas? Trinken oder einen kleinen Snack?"

„Ähm, ein Wasser wäre ganz gut, glaub ich."

Fine lachte. „Nur ein Wasser, Schätzchen? Du bist hier im Weltbesten Cafe und du möchtest ein Wasser?" Sie schüttelte sich vor Lachen. „Was hältst du von einer guten alten heißen Schokolade und einem Wasser?"

„Das wäre nett.", antwortete ich.

Fine rauschte aus dem Raum und ließ mich allein zurück. Ich betrachtete die Fotos auf ihrem Schreibtisch. Die meisten zeigten Ethan und ihren Mann. Mein Herz zog sich zusammen, als ich Ethans unbeschwertes Grinsen und seine stahlgrauen Augen sah in denen es schelmisch funkelte. Schnell schaute ich weg, bevor mich die Schuldgefühle, die ich eigentlich nicht haben sollte, übermannten. Ich hatte doch richtig gehandelt, oder? Verantwortungsvoll und reif. Fühlten sich Erwachsene immer so? Wenn sie eine vermeintlich richtige Endscheidung getroffen haben? Wenn ja, konnte der Rest des Lebens ja noch heiter werden. Frustriert schnaubte ich. Ich starrte auf die laut tickende Uhr an der Wand, die mir langsam den Verstand raubte. Nachdem ich einer Minute dem Sekundenzeiger beim ticken zugeschaut hatte, platzte Fine, beladen mit einem Tablett voller Getränke und Kuchen, wieder herein.

Sie stellte alles in die Mitte des Tisches und sagte zufrieden: „Ich dachte du könntest Hunger haben, du hast heute sicher noch nichts gegessen."

„Oh, danke.", log ich. Ich hatte kein bisschen Hunger. Das schlechte Gewissen umkrampfte meinen Magen wie eine eiserne Faust.

Fine setzte sich mir gegenüber auf einen ledernen Bürostuhl. „April, du musst nicht lügen oder schauspielern. Es ist okay, wenn du nichts essen magst. Ich nehme das nicht persönlich."

„Woher...?", unbeendet ließ ich den Satz zwischen uns in der Luft hängen.

„Liam hat gestern nachdem er irgendwann wieder reingekommen ist genauso ausgesehen wie du." Sie machte eine kleine Pause, in der sie einen Schluck ihres Kaffees trank. „Mit diesem Schmerz im Blick." Sorgenvoll legte sie die Stirn in Falten. „April, was ist denn passiert?"

Ich schaute sie an. Erschrocken, dass sie mich so leicht durchschaut hatte.

„Das erzähle ich dir gleich, okay? K-kannst du mir eine Frage beantworten?"

„Natürlich, Liebes." Sie tätschelte meine Hand.

„Was ist mit ihm? Wie geht es ihm? Was ist passiert, nachdem ich weggegangen bin?"

„Das war mehr als eine Frage, aber egal." Fine räusperte sich. „Ich glaube, dass er eigentlich nicht möchte, dass du das alles erfährst, aber er lässt mir ja keine andere Wahl. Nachdem du gegangen warst, stand er noch eine gefühlte Ewigkeit einfach nur draußen. Er stand einfach nur da und schaute dir nach. Ohne sich zu bewegen. Die Fußgänger strömten nur so um ihn herum. Als ich ihn dann irgendwann rein rief, schien es, als würde ich ihn aus einer Art Trance oder so wecken. Er hat mich einfach nur angeschaut. Mit Tränennassen Wangen und geröteten Augen und hat genickt. Er hat nichts gesagt und sich ganz mechanisch bewegt. Als ob er gar nicht richtig hier wäre. Auch als ich ihn gefragt habe, was los ist, hat er nichts gesagt, nur den Kopf geschüttelt. Ich habe versucht ihn zu trösten. Wollte ihn umarmen, doch Umarmungen hat er nie wirklich gern gemocht, weißt du?" Ich nickte, obwohl ich es nicht wusste, doch es erschien mir angebracht und Fine sah es als Bestätigung weiter zu reden. Ich beobachtete sie, während sie erzählte. Sie machte sich wirklich Sorgen um Ethan. Mein schlechtes Gewissen wurde dadurch nur noch schlimmer. „Als wir dann alle beim Abendessen saßen, ich hatte extra sein zweitliebstes Essen gemacht, weil er ja schlecht Waffeln zu Abendessen essen konnte. Also wir saßen also vor der Lasagne. Harry und ich aßen, doch Ethan hatte sie noch nicht mal angerührt saß dort mit gesengtem Kopf. Als Harry ihn dann fragte was er den habe schaute er ihn an und flüsterte: „Sie ist weg." Dann ist er aufgesprungen, so schnell, dass sein Stuhl umfiel und ist in sein Zimmer gestürmt. Seit dem ist er weder rausgekommen, noch hat er uns rein gelassen oder uns nur geantwortet. Harry war kurz davor seine Tür aufzubrechen, als wir ihn haben weinen hören. Durch die Tür!"

AprilynneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt