CAP 5

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Nachdem er zweimal geläutet hatte, öffnete Eloise. Der Duft von Räucherkerzen stieg Dominic in die Nase, als er eintrat.

"Er ist tot.", sagte sie leise.

"Ich weiß...", erwiderte Dominic. "Ich weiß." Sie begaben sich ins Wohnzimmer und Eloise begann kühl und gefasst zu berichten, wie es sich zugetragen hatte. Dominic lauschte gespannt ihren Worten.

Nach dem Frühstück hatte Victor das Haus verlassen, um mit dem Fahrrad Meeryl zu besuchen. Es war neblig gewesen, und er hatte nicht sehr weit sehen können. Trotzdem fuhr Victor vergnügt von dannen. Nach etwa fünf Kilometern war es dann geschehen. Auf dem Weg hatte ein großer Stein gelegen, den Victor übersah. Sein Vorderrad stieß gegen diesen Stein, und der Lenker wurde ihm aus den Händen geschlagen. Er verlor das Gleichgewicht und noch im Sturz rammte er einen Baum am Wegrand. Von der Wucht des Aufpralls herumgerissen, fiel Victor rückwärts in den Graben, wobei die Stange eines Stacheldrahtzaunes erst den Rücken und dann die Lunge durchbohrte. Schließlich fand sie ihren Weg zwischen den Rippen und trat vorne wieder aus. Mit dem Kopf schlug er zu guter Letzt noch auf einen Grenzmarkierungsstein auf. Und wäre jemand in der Nähe gewesen, so hätte er die knirschenden Geräusche eines berstenden Schädels vernommen. Doch so verhallten die Töne seines Sterbens ungehört im Morgennebel. Victor hatte sich, obwohl bis dahin noch bei vollem Bewusstsein, schon lange nicht mehr bewegen können. Bis er nach etwa einer halben Stunde einschlief - er sollte nicht mehr erwachen - lachte er innerlich lauthals über soviel Missgeschick, Dummheit und Pech, wie es nun einmal nur ihm zustoßen konnte. Victor war ein lustiger Mensch, und doch schien er hier seine Situation reichlich falsch einzuschätzen. Eloise war mit ihrem Bericht zu Ende, stand auf und begann sich zu entkleiden. Ihre Brüste wippten verführerisch. Dominic fiel der wahre Grund seines Kommens ein, er griff unter den Tisch und zog das Buch hervor, was er Victor geliehen hatte. Der brauchte es ja jetzt nicht mehr. Als Dominic ging, wackelte der Tisch wie in alten Zeiten und Eloise lächelte verklärt.

Zuhause angekommen, wunderte sich Dominic noch kurz darüber, wieso Eloise die ganzen Geschehnisse so präzise beschreiben konnte, obwohl doch angeblich niemand in Victors Nähe gewesen sei. Doch dann dachte er an ihr Lächeln, kämmte sein Haar und hielt es dann für besser, ihr dieses kleine Geheimnis zu lassen. Er rauchte noch eine Zigarette, dann ging er zu Bett. Eine Uhr schlug dreiviertel Neun, es war spät geworden an diesem Abend.




Einer ist schon tot. Ein Leben auf Raten.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt