CAP 8

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Dominic war sehr enttäuscht von dem Buch. Es war irgendeine verworrene Liebesgeschichte gewesen, eine billige Lektüre, wie man sie oft in schlechten Buchläden vorfindet. Es sollte wohl eine Art von Komödie darstellen, es fehlte jedoch jener feine subtile Humor, den Dominic so sehr mochte. Die Verwicklungen, die lustig erscheinen sollten, waren einfacher Klamauk, und Dominic hatte das Ende der Geschichte schon nach den ersten paar Seiten absehen können, so laienhaft war das Handlungsgerüst zusammengeschustert gewesen. Er hasste das Buch zu diesem Zeitpunkt, weil es eine weiter Enttäuschung für ihn barg, eine Enttäuschung, wie sie ihm das Leben täglich zu Hauf bescherte. Doch seine Meinung sollte sich noch gewaltig ändern. Der einzige Charakter, der Dominic aufgefallen war und der ihn von Auftritt zu Auftritt immer mehr interessiert hatte, war eine gewisse Meeryl. Sie passte überhaupt nicht in diese Geschichte, stand in keinerlei Bezug zur Handlung, hatte ein eigenständiges Wesen, und dennoch, ohne sie hätte dem Buch etwas Wesentliches gefehlt.

Jetzt, wo er näher darüber nachdachte, wunderte sich Dominic. Er merkte, daß er die Kapitel, worin Meeryl aufgetaucht war, viel intensiver gelesen hatte, und dass er sehr, sehr ärgerlich gewesen war, als auch sie sich am Ende in irgendeine lapidare Banalität aufgelöst hatte. Er dachte auch an jene Meeryl, die Victor so kurz vor seinem Tod hatte aufsuchen wollen und verglich sie mit der Meeryl aus dem Buch. Doch auch nach längerem Nachdenken bestanden die einzigen Gemeinsamkeiten im Geschlecht und im Vornamen. Die Meeryl aus dem Buch war noch nicht einmal adelig.

Dominic war von der ganzen Anstrengung geistiger Art müde geworden. Er weinte noch eben pflichtbewusst etwas über Victors Tod, welcher ihn eigentlich doch ein wenig mitgenommen hatte, dann rauchte er sich noch eine Zigarette und ging zu Bett. Dominic konnte nicht direkt einschlafen, denn Eloise kam ihm in den Sinn. Sie hatte ihn verführen wollen und wenn er auch große Antipathien gegen die schnelle Liebe hegte, so fühlte er sich doch geschmeichelt. Ganz kurz nur und dennoch sehr deutlich kam ihm ein lüsterner Gedanke, den er aber genauso schnell wieder verdrängte, wie er ihm gekommen war. Er hatte eine Aufgabe zu erfüllen. Sein Wille musste dafür stark und ungebrochen und seine Seele rein und treu sein, sonst würde er keine Chance haben, alles geistig gesund zu überstehen. Jetzt, wo er sich dieses realisiert hatte, war er wieder zufrieden. In einem romantischen Anfall von Sentimentalität strichen seine feingliedrigen Finger ein letztes Mal für diesen Abend über Dimitrij, wie Dominic das Buch nur noch nannte. Fast wäre er schwach geworden. Dann sank sein Kopf sanft zurück in das Kissen, und er entschlief dieser Welt für ein paar erholsame Stunden. Er würde gewiss wieder erwachen!


Einer ist schon tot. Ein Leben auf Raten.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt