CAP 15

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Paul

Meeryl gab sich gelangweilt. In Wirklichkeit war sie aber ganz verspannt. Die Kinder nervten sie, insbesondere Fred mit seinem verspielten Hang zur obszönen Gewalt. Sie würde diesen Job wohl bald wieder schmeißen, wie so viele andere in den Jahren zuvor. Meeryl spürte eine innere Unruhe. Eine Unausgeglichenheit, die sie schüttelte, als hätte sie Gelbfieber. Paul hatte sich jetzt schon seit fast zwei Wochen nicht mehr gemeldet. Zwei Wochen, Meeryl hätte nie gedacht, dass zwei Wochen so lange dauern könnten. Das Letzte, was sie von Paul gehört hatte, war, dass er ihr nichts versprechen wollte und dass sie sich keine Sorgen um ihn und ihre Beziehung machen sollte und so. Wie leicht das damals über seine Lippen gekommen war. So wie in etwa die Wettervorhersage. Paul war ein exzellenter Moderator und in der Wettervorhersage war er ungeschlagen. Bisher hatte noch keiner auch nur annähernd so genau das Wetter vorherzusagen vermocht, wie Paul, ihr Paul. Er konnte bis auf zehn Minuten genau sagen, wann und wo es regnen würde. Er war ein Naturtalent, er konnte es einfach und wusste nicht woher. Viele hassten ihn dafür, aber er selbst war ein herzensguter Mensch. Das gefiel Meeryl sehr. Sie hatte schon immer ein besonderes Maß an Zärtlichkeit und Zuneigung benötigt. Paul hatte es ihr gerne geschenkt, zumal Meeryl nicht die hässlichste Person war, im Gegenteil, sie war sehr schön.

Jetzt saß sie hier in diesem erbärmlichen Kindergarten und wartete, dass der Vormittag schnell vorbeigehen mochte, damit die Mütter mit ihren dicken Autos und viel zu engen Kleidern kämen, um ihre Kinder wieder abzuholen. Die Mütter, diese fetten, verschwitzten und überschminkten Mütter! Typisches Bonzenvolk, Meeryl hasste sie. Sie würde später nie so eine Mutter werden, sie würde ihr Kind nie dazu zwingen, an seinem dritten Geburtstag ein Gedicht in vier verschiedenen Sprachen aufzusagen (ohne das Gedicht selbst in der Muttersprache zu verstehen). Allerdings würde sie wahrscheinlich auch nicht so viel Geld haben, um sich einen Privatlehrer zu engagieren, denn sie selbst konnte nur drei Sprachen fließend. Meeryl war verärgert. Sie gab Fred eine Ohrfeige, weil er wieder ein Mädchen nötigte, so, wie er es bei den P-Filmen seines Vaters gesehen hatte. Dann öffnete sie die Tür zum Garten und alle stürmten hinaus, auch Fred. Meeryl stand im Türrahmen und wusste nicht, was sie denken sollte, so müde war sie mal wieder.



Einer ist schon tot. Ein Leben auf Raten.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt