CAP 4

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Am Abend war Victor auf direktem Wege wieder nach Hause gegangen. Er wollte schon eintreten, da hörte er Eloise hinter der Türe singen. Klar und sanft klang ihre Stimme. Engelsgleich. Sie schien fröhlich zu sein, denn sie sang einen alten englischen Gassenhauer, was sonst gar nicht ihre Art war. Einen Moment noch verharrte er verzückt und ließ sich verzaubern, dann öffnete er die Türe. Im Flur lag ein kleiner Zettel.

"Ich bin ausgegangen", hatte Eloise darauf geschrieben, und: "Komme gleich wieder! E."

Victor ging in die Küche und schaltete das Radio aus. Im Kühlschrank fand er einige Kartoffeln vom Vortag, ein paar Eier und Speck. Eine Viertelstunde später aß er dies zum Abendbrot. Danach nahm er sich das Buch, welches er bei Dominic gefunden hatte, öffnete die Flasche Wein und begab sich in das Wohnzimmer. Er hatte Glück, das Buch passte gerade so unter das kaputte Tischbein, dass der Tisch selbst nicht mehr wackelte. Victor hatte keinen Sinn für Literatur. Dominic würde ihn dafür hassen, dachte er noch, dann schlief er ein. Eloise musste spät nach Hause gekommen sein, denn am nächsten Morgen sah sie recht verschlafen aus, und dunkle Ränder zierten ihre mandelförmigen Augen.

"Das gibt Deinem Gesicht einen geheimnisvollen Ausdruck.", pflegte Victor dann immer zu sagen, wobei er schlichtweg meinte, dass er nie wusste, wo sie sich die ganze Zeit rumtrieb.

Sie ignorierte das wohlwollend. Victor hatte die ganze Nacht auf dem Wohnzimmertisch verbracht und fühlte sich dementsprechend schlecht. Nackenschmerzen plagten ihn, die Klamotten klebten auf der Haut und rochen stark nach Zigarettenqualm. Irgendjemand hatte sich in seinem Wohnzimmer übergeben und er hatte einen starken Kater vom Wein, obwohl er sich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern konnte, die Flasche doch noch getrunken zu haben. Doch am Morgen war sie leer gewesen. Viele seltsame Dinge begaben sich zu jener Zeit.

Beim Frühstück schwiegen beide. Es war nicht etwa so, dass sie sich nichts zu erzählen gehabt hätten, aber keiner wollte ein Gespräch eröffnen, das hätte derjenige dann als Schwäche empfunden. Der andere respektierte das, und so verstanden sie sich auch ohne Worte. Ein wohltuende Ruhe legte sich über diesen Morgen, in etwa so, wie sich der Staub in ihrem Weinkeller über die Flaschen zu ziehen pflegte. Sie mussten wohl bald mal den Bäcker wechseln, denn die Brötchen schmeckten immer öfter nach Fisch.




Einer ist schon tot. Ein Leben auf Raten.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt