CAP 54

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Das ganz große Spiel


Dominic war ein Angeber. Ein Aufschneider, ein Prahlhans. Er konnte Dinge erzählen, die noch keiner kannte, am wenigsten er selber. Er wollte, dass die Leute zu ihm aufschauten und sagten:

"Ja schau, das ist einer, der anders ist. Einer, der weiß, was er will!" Er wollte ihre Anerkennung, wollte im Mittelpunkt stehen, und betrog sie doch alle um seine Person, indem er ihnen denjenigen zeigte, den sie sehen wollten, der er aber nicht war.

Mal war er der Erfahrene, der alles kannte und sanft lächelnd, mitleidig auf die Unwissenden nieder schaute, um ihnen die Hand zu reichen und sie in das Land der Phantasie zu führen. Dann wieder war er der Harte und Unerreichte, an dem alles abprallte und der niemanden brauchte. Oder er war weich wie eine überreife Frucht, wehleidig und schnell verletzt. Am liebsten war er aber das, was niemand von ihm erwartete und stiftete Verwirrung, oder noch besser: er war genau so, gab sich aber den Anschein, so zu sein, wie man es erwartete - das Chaos war vorbestimmt. Arrogant war er auch manchmal, aber nur wenigen Erwählten gegenüber. Das befreite so herrlich, genauso wie gemein und sarkastisch zu sein oder zweideutig oder zynisch; auch wenn man's gar nicht wirklich war. Es war einfach, die Menschen zu verwirren oder zu faszinieren. Man musste auf sie eingehen, in ihre Gedanken eindringen und sie von Innen heraus durcheinander bringen. Man musste Dinge tun, auf die sie nicht vorbereitet waren. Man musste verwegen sein und vielleicht ein wenig skrupellos. Man musste das Leben lieben, sich seinem Rausch hingeben und sich treiben lassen. Man musste Selbstvertrauen haben und wissen, daß man sich auf sein Gefühl und seine Eloquenz verlassen konnte. Man musste sich sicher fühlen und reden. Reden, reden, reden. Menschen hören gerne andere reden. Dann brauchen sie selbst nicht zu denken, sondern können sich führen lassen. Aber nur wenige können wirklich zuhören, diejenigen nämlich, die auch mitdenken und fühlen. Irgendwie liebte er die Menschen, glaubte er, auch wenn sie so naiv waren. Er liebte sie, weil er sich an ihnen messen konnte und sie sein Publikum darstellten. Dominic würde nie ohne Menschen auskommen. Was gab es schöneres, als sie zu beobachten, ohne dass sie es merkten, sie zu studieren und durch Kleinigkeiten zu erfahren, was sie für Persönlichkeiten waren! Oder sie zu überraschen, durch das was man von ihnen wusste, unerwartet...

Er wollte sich von ihnen abgrenzen, sich unterscheiden und sagen können:

"Seht her, das seid ihr und das bin ich, ich, ich! Ich bin nicht ihr und hofft nicht, dass ich mich für Euch wirklich ändere!!" Vielleicht zum Schein, um sie zu hintergehen, um sie in seiner formenden Hand zu halten. Einmal hatte ihm jemand gesagt, er sei sein Vorbild und Dominic hatte einen großen Schrecken bekommen. Dieser Jemand wurde sein Freund, wendete sich später aber wieder ab. Wohl enttäuscht von der Wirklichkeit. Dominic hatte große Angst davor, andere zu enttäuschen. Deswegen versprach er auch selten was (oder war möglichst pünktlich und korrekt), zu wertvoll und selten waren echte Freund. Aber es war ja alles nur ein großes, aufregendes Spiel (?), und für ihn das Wichtigste, an ihm teilhaben zu dürfen, ja es bis zur Meisterschaft zu beherrschen.


Einer ist schon tot. Ein Leben auf Raten.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt