Nachwort

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Dem geeigneten Leser mag, nach dieser Lektüre, wenn sie denn mit Interesse verfolgt wurde, eine Frage, vielleicht nur beiläufig, was sehr zu bedauern wäre, vielleicht aber auch brennend interessieren. Der geeignete Leser, wenn er sich denn an Hintergedanken erprobt hat und aufmerksam durch die teils wundersame Welt des Leos Morbio geschritten ist, nun dieser Leser mag, vielleicht gerade noch im Eindruck des Gelesenen, eine Unstimmigkeit, einen Bruch, ja etwas Fehlendes bemerkt haben. Diesen Missstand zu ergründen, nämlich dieses eine, oft erwähnte doch nie erzählte Geschehen jener geheimnisvollen, schrecklichen Nacht, mag ihn beschäftigen. Nun, was hat es mit dieser besonderen Nacht auf sich? Es ist eine bestimmte Nacht, auch wenn sie so klar vor uns liegt, scheint sie schon längst vorbei, und meinen wir sie letztendlich doch gerade erst durchstanden zu haben, freilich unter großen Verlusten und die noch brennenden Wunden leckend, so ist es doch gewiss, dass gerade diese Nacht nur die letzte war, vor jener wirklich schrecklichen, die dem Diktat des großen, Menschen-mordenen und dennoch mystisch faszinierenden Dämon gehorchend, auf dem Fuße folgt. Diese eine Nacht, die eines jeden Leben auf das Äußerste verändern wird, die zu erwarten uns die erbärmlichsten Schauer durch die Knochen treibt, ist, gerade wenn wir dieses erkennen, schon längstens vergangen und nie wird etwas auch nur annähernd ähnlich Schlimmes wieder vor uns treten. Nie werden uns solche Qualen wieder peinigen, denn, wenn wir es überleben, sind wir in ein neues, erfreulicheres Dasein entlassen. Allein - diese eine Nacht steht uns noch bevor. Denn, sooft sie uns auch begegnet, sooft wir schweißgebadet ihrer harren, sooft wir uns in unserer Not über die ersten Sonnenstrahlen das Herz zerreißen, sooft wird die schrecklichste Nacht noch folgen und das große Geschehen wird immer größer und unheilvoller sein, als alles bisher da gewesene - und es dennoch nie erreichen, denn es ist immer anders. Das einzige, was sich letztlich nie ändert, was auch unsere Qualen immer aufs neue entfacht und dennoch so niedrig hält, ist jener unheilvolle anbetungs- und zugleich verabscheuungswürdige Partisan des nächtlichen Sternenhimmels. Es ist der Mond. Und dies ist der Grund, warum jene schreckliche Nacht niemals anbrechen wird, obwohl sie schon tausende Male die Welt in ihren Grundfesten erschütterte und ständig andauert.

Dem wirklich aufmerksamen Leser stellt sich natürlich noch eine zweite, gänzlich andere Frage: Was hatte es nun tatsächlich mit jenem geheimnisvollen Buch Dimitrij auf sich? Nun, ihm sei hier wiederholt, es hatte für den weiteren Verlauf der Geschichte nicht den geringsten Belang. Jener Leser aber, der sich dieser Fragen nicht klar geworden ist und sich auch nach diesen in überflüssiger Weise erklärenden Worten in Unverständnis wiegt, jener Leser beginne auf Seite eins.

Don Nadar, ein Freund des Leos Morbio. 1992



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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 03, 2016 ⏰

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Einer ist schon tot. Ein Leben auf Raten.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt