Unüberwindliche Mauern

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Zayn PoV

Seufzend schaltete ich mein Auto aus. Es hatte noch nicht einmal zum Schulende geklingelt und es dauerte bestimmt noch eine Weile, bis Laura endlich kam. Etwas nervös sah ich mich um: Es standen einige kleine Schülergruppen rum und hier und da auch ein Lehrer und der Hausmeister. Die Scheiben meines Wagens waren zwar dunkel getönt und ich trug zusätzlich eine Sonnenbrille und eine Mütze, aber ich hatte trotzdem Angst, dass mich irgendjemand erkannte. Ich zuppelte an meinen Nägeln herum und drückte mich in den Sitz, wann immer jemand vorbeilief und meinen Wagen neugierig betrachtete. Nicht nur, dass man mich entdecken könnte, machte mich nervös, sondern auch die Tatsache, dass ich heute Josh kennenlernen sollte. Es war Freitag und ich würde wahrscheinlich den ganzen restlichen Tag mit ihm verbringen müssen. Möglichst ohne ihm eine reinzuschwaten für das, was er Laura angetan hatte und möglichst ohne ihm zu drohen, er solle Laura bloß in Ruhe lassen mit seinem Geschwafel von wegen wieder zusammen kommen. Wie immer wenn ich über Josh nachdachte, ballte sich in meinem Magen ein dickes Knäuel aus Wut und Frust zusammen und ich umklammerte vor lauter Ärger das Lenkrad so fest, dass meine Knöchel weiß hervortraten. Ich löste sie erst wieder, als die Schulklingel laut und schrill ertönte und sich in mir Vorfreude auf Laura breit machte. Angestrengt starrte ich zum Eingang um sie möglichst gleich zu sehen. Ich musste nicht lange warten, als ich sie auch schon sah. Sie trug Jeans und ein joghurtorangenes Flatter-T-Shirt, dazu eine lange Kette, Federohrringe und einen Pferdeschwanz. Ihre Miene war ernst und sie verabschiedete sich mit einer sanften Umarmung von Tete, Jana und einem dritten Mädchen, das ich nicht kannte. Ein liebevolles Lächeln schlich sich auf meine Lippen und ich freute mich schon, wenn sie mich gleich begrüßte. Laura hatte inzwischen mein Auto gesehen, ging jedoch noch zu Melli, die ein wenig abseits stand und an einem Fahrradschloss rumfummelte. Sie sah traurig aus und umarmte Laura nur schwach. Täuschte ich mich oder war Melli noch dünner geworden? Laura wollte gerade zu mir kommen, als plötzlich ein Junge zu ihr kam und sie in eine Umarmung zog, sofort jagte mir ein Stich ins Herz und ich hätte kotzen können. Sie löste sich wieder von dem Jungen und kam wieder auf mich zu. Ich wusste, dass ich nicht eifersüchtig sein dürfte, trotzdem brodelte das miese Gefühl leise in mir weiter. Mit einem schwachen Lächeln stieg sie zu mir in den Wagen auf der Beifahrerseite ein. „Hey.“, sagte sie und wir gaben uns eine verdrehte, halbe Umarmung im Auto. Ich gab ihr einen Schmatzer auf die Wange und murmelte dann ebenfalls: „Hey.“, ehe ich den Wagen anließ. Zusammen mit dem Wagen, sprang auch das Radio leise an. Laura drehte fast sofort lauter, als sie erkannte, dass Little Things lief. Automatisch begann ich zu grinsen und Laura bat mich ebenfalls mit einem Grinsen: „Sing bitte mit.“ Zuerst schüttelte ich noch den Kopf und meinte: „Ich muss mich aufs Fahren konzentrieren...“ Doch Laura sah mich so bittend an, dass ich nachgab und doch mitsang. Sie lehnte sich zufrieden zurück und lächelte die ganze Zeit, während ich leise mitsang. Als das Lied zu Ende war, drehte sie die Musik wieder leiser und seufzte: „Ich frage mich, wie man so wunderschön singen kann...“ Ich lachte, zuckte die Schultern und sagte gleichzeitig: „Danke.“. Sie runzelte die Stirn und versetzte frech: „Wer hat gesagt, dass ich von dir rede?! Ich meinte Liam...“ Da ich wusste, dass sie es nicht ernst meinte und mich nur hatte ärgern wollen, lachte ich fröhlich weiter. Unwillkürlich musste sie auch lachen. Wir kamen dem ärmeren Vorort in dem Josh mit seiner Familie lebte immer näher und unser Lachen gefror langsam wieder ein. Wenn ich schon nervös war, wie musste es dann erst Laura gehen? Stumm sah sie aus dem Fenster und ich griff vorsichtig nach ihrer Hand, sie nahm meine große Hand fest in ihre Kleine und es schien mir fast so, als würde sie sich an mir festhalten. „Ich hab Angst, wie sie reagieren, wenn sie mich sehen...“, hauchte sie plötzlich. Sofort versuchte ich ihr Mut zuzureden: „Ich bin sicher, sie werden sich freuen, dich endlich wiederzusehen. Grade auch die beiden Kleinen.“ „Glaubst du wirklich?“, ihre Stimme klang unsicher und ängstlich, wie die eines Kindes. Ich nickte fest und sie schenkte mir ein kleines Lächeln. Wieder verfielen wir in Schweigen: Ich konzentrierte mich aufs Fahren und Laura sah nachdenklich aus dem Fenster. Wir waren schon fast da, als sie unvermittelt sagte: „Danke für alles. Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass du mir hilfst.“ „Ist doch selbstverständlich.“, gab ich gespielt locker zurück, doch sie schüttelte den Kopf: „Nein ist es nicht. Nicht jeder würde so etwas für mich machen.“ Etwas verlegen zuckte ich mit den Schultern und lächelte sie ungeschickt an. Sie lächelte zurück und mir wurde warm ums Herz, als ich sah wie liebevoll und dankbar sie mich ansah. Allein für diesen einen Blick hatte es sich gelohnt, dass ich Laura half und den Tag mit Josh verbrachte. Wobei ich ihr so oder so geholfen hätte... Ich hätte ihr nicht nicht helfen können, dafür bedeutete sie mir zu viel. Ich stoppte den Wagen und schaltete ihn aus, denn wir waren da. Seufzend betrachteten wir ein recht kleines und schon ziemlich herunter gekommenes Haus. Eine gewisse Kälte und Trostlosigkeit hing in der Luft und als wir ausstiegen, schienen diese Empfindungen mich schier runterzudrücken. Doch dann ging die Haustür auf und zwei Kinder stürzten heraus. Ihr Lachen und ihre begeisterten Rufe erfüllten die Luft. Ein kleiner hübscher Junge rannte den Weg durch den winzigen Vorgarten zur Straße entlang. Dabei wurde er von einem Mädchen verfolgt. Die beiden stürzten durch das Gartentor und fielen Laura, die schon in die Hocke gegangen war, um den Hals. Zärtlich fing sie den kleinen Jungen auf, drückte ihn fest an sich und stand wieder mit ihm auf dem Arm auf, dabei presste sie auch das Mädchen an mich. Wärme und Liebe erfüllte mich, als ich Laura mit den Kindern sah. Genau hier schien sie plötzlich hinzugehören: In den Armen der Kinder.

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