"Jetzt sind nur noch wir beide übrig."

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Melli PoV

Genervt schlurfte ich aus meinem Zimmer zusammen mit meiner Katze Ginger auf dem Arm. „Ist ja gut... Ist ja gut. Ich mach dir ja schon was zu essen.“ , murmelte ich und tapste in die Küche, wo ich Ginger absetzte. Meine 17-järhige Schwester Maike saß am Tisch und grinste mich an, während sie in einer Zeitschrift blätterte und an einem Glas nippte. „Warum hast du Ginger nichts gegeben?“, fauchte ich sie an und sie zuckte die Schultern. „Das ist deine Aufgabe! Und fauch mich nicht so an, ich kann nichts dafür, wenn du Chris abschießt.“ Ich zuckte zusammen und funkelte sie an. Wenn Maike eines nicht hatte, dann war es Taktgefühl... Nachdem ich Ginger etwas zu Essen gegeben hatte, nahm ich mir ein Glas Wasser und setzte mich zu meiner kleinen Schwester. Sie sah von ihrer Zeitschrift hoch und meinte: „Ich geh gleich los ins Kino, mit ein paar Freundinnen. Willst du mitkommen?“ „Nein, danke... Kein Bedarf an kichernden Minderjährigen und irgendwelche ekelhaften Schmusefilme.“ Sie schnaubte leise auf: „Zu deiner Info: Wir gehen in keinen Schmusefilm. Außerdem würde es dir mal guttun rauszukommen. Schon das ganze Wochenende sitz du hier rum und verkriechst dich.“ Ich warf ihr einen bösen Blick zu, hielt aber den Mund, denn immerhin hatte sie Recht. Seit ich Freitagmittag von der Schule nach Hause gekommen war, war ich nicht mehr zu Tür rausgegangen und es war immerhin schon Sonntag... „Ich geh nachher noch zum Segelclub.“, meinte ich um meine Schwester von einem weiteren Vortrag abzuhalten, denn sie offentsichtlich gerade hatte beginnen wollen. Überrascht sah sie mich an, doch dann wurde ihre Miene misstrauisch. „Das glaub ich dir nicht.“ „Mir doch egal, ob du mir glaubst oder nicht.“ Kopfschüttelnd sah sie mich an und plötzlich fühlte ich mich wie die kleine Schwester, die von der Großen ausgeschimpft wird. Maike warf einen Blick auf ihre Uhr und stand dann auf: „Die anderen müssten gleich da sein. Ich bin noch mal kurz im Bad.“ Ich nickte und saß dann still vor meinem Glas Wasser. Vielleicht sollte ich heute wirklich mal zum Segelclub fahren. Ich war dort schon eine ganze Weile nicht mehr und so langsam wurde es mal wieder Zeit. Ich hatte ja eigentlich auch wirklich Lust mal wieder Segeln zu gehen und das Wetter im Moment war perfekt dazu, doch im Club lief ich Gefahr Chris zu treffen, was ich unter allen Umständen vermeiden wollte. Und selbst wenn Chris nicht dort war, würde mich einfach alles an ihn erinnern. Wir waren im Segelclub zusammengekommen, hatten uns dort zum ersten Mal geküsst und unzählige Stunden gemeinsam dort verbracht. Ginger sprang erschrocken auf meinen Schoß und auch ich zuckte zusammen, als plötzlich die Klingel ertönte und Maike aus dem Bad rannte. „Ich bin dann weg!“, schrie sie noch und im nächsten Moment schlug die Haustür laut knallend zu. Ich lauschte auf das leise Motorengeräusch eines Autos draußen und erkannte deutlich die kreischende Stimme von Miranda, der besten Freundin meiner Schwester. Dann fuhr das Auto los und kurz darauf war es draußen auf der Straße wieder still. Einsam saß ich da und streichelte Ginger durch das weiche Fell. „Jetzt sind nur noch wir beide übrig.“, meinte ich ironisch und Ginger miaute mich an, drehte sich auf den Rücken und ließ sich schnurrend den Bauch von mir kraulen. Nach einer Weile hob ich sie von meinem Schoß, wogegen sie heftig protestierte und stand auf. Da ich heute noch nichts gegessen hatte, ging ich zum Kühlschrank und holte mir einen Joghurt heraus, doch schon nach einem Löffel verging mit der Appetit und ich stellte den Becher wieder weg. Schon seit Tagen brachte ich nichts mehr herunter. Es war so schlimm, dass ich schon ordentlich abgenommen hatte und meine Mum sich anfing Sorgen zu machen. Aber ich konnte einfach nichts Essen. Ich hatte keinen Hunger und wenn ich dann trotzdem mal was aß, hatte ich ein Gefühl, als würde es mir den Magen zuschnüren und ich ließ es lieber sein. Eigentlich wollte ich gerade wieder in mein Zimmer verkriechen, als es klingelte. Ich zuckte heftig zusammen und stand stocksteif da. Wer konnte das sein? Zittrig ging ich in den Flur und sah die Haustür misstrauisch an. Dann sah ich in den Spiegel. Ich trug eine Jogginghose, ein T-Shirt und eine warme Weste. Meine Haaren war zersaust und ich hatte starke Augenringe. Nicht gerade mein bester Look... Doch als es nochmal schrill klingelte und Ginger zu mir in den Flur kam und miaute, fuhr ich mir rasch mit den Fingern durch die Haare und öffnete dann die Tür. Im nächsten Moment klappte mir die Kinnlade herunter und ich fragte misstrauisch: „Was macht ihr denn hier?“ Louis sah zu Harry, doch der sah nur zu Boden, also antwortete er: „Wir wollen mit dir reden.“ Aus den Augenwinkeln nahm ich war, dass Ginger aus dem Gang in mein Zimmer huschte. Seufzend betrachtete ich die beiden. Louis bittenden Blick und Harry, der mich noch immer nicht ansah. Ich zuckte mit den Schultern: „Okay, warum nicht? Kommt rein.“ Ich trat beiseite und die beiden kamen sichtlich erleichtert herein, wobei Louis mich kurz umarmte und Harry mich vorsichtig anlächelte. „Woher habt ihr eigentlich meine Adresse?“, fragte ich neugierig und Louis meinte: „Laura hat sie uns gegeben.“ „Aha.“, ich nickte und ging voran ins Wohnzimmer, wo ich ihnen bedeutete sich hinzusetzen. „Wollt ihr was trinken?“, fragte ich und sah die beiden unsicher an. „Gerne, danke. Ein Glas Wasser.“, antwortete Louis und ich sah widerwillig zu Harry, der jedoch wieder zu Boden sah, bis Louis ihn unsanft mit dem Ellenbogen anstieß. „Hmm? Was?“, Harry sah verdattert auf und Louis fragte ihn genervt: „Willst du was trinken?“ Er wurde rot und antwortete hastig: „N-nein. Danke.“ Ich nickte und ging in die Küche, wo ich Louis und mir jeweils ein Glas Wasser machte, dann tapste ich zurück ins Wohnzimmer, gab Louis sein Glas und setzte mich ebenfalls hin. Um irgendetwas zu tun, trank ich einen Schluck, obwohl ich keinen Durst hatte und spielte dann mit meinem Fingern. Die Stille im Raum war angespannt und keiner der beiden schien sich zu trauen etwas zu sagen. Ich machte es ihnen nicht leichter, immerhin waren sie zu mir gekommen, da sollten sie wissen, was sie mit mir bereden wollten. Seufzend nahm ich mein Handy aus der Tasche und tippte irgendetwas belangloses ein, ehe ich es wieder löschte. Besser unnütz mit meinem Handy rumspielen, als Louis und Harry anzustarren. Auch die beiden sahen auf ihre Hände und fühlten sich sichtlich unwohl, doch als es leise miaute sahen wir alle drei gleichzeitig auf und zur Tür, wo Ginger saß und uns mit schiefgelegtem Kopf ansah. „Ist das deine Katze?“, fragte Louis und ich nickte. Harrys Augen derweil leuchteten auf und er lockte Ginger zu sich. Bereitwillig ging sie zu ihm hin und sprang auf seinen Schoß. Er lachte leise und streichelte sie. „Wie heißt die Kleine?“, fragte er und seine Stimme klang liebevoll. „Ginger.“, gab ich erstaunt Auskunft und hängte dann mit einem kleinen Lächeln an: „Sie mag dich, normalerweise ist sie nicht so anhänglich bei Fremden.“ Überrascht sah Harry auf und in seinen Augen lag ein gewisser Stolz, dann wandte er sich wieder Ginger zu und kraulte sie unterm Kinn, was sie mit einem Schnurren belohnte. In diesem Moment war ich ihr wahrlich dankbar, denn sie hatte irgendwie, keine Ahnung wieso genau, das Eis gebrochen. Louis stupste Harry an und der gab ihm Ginger und setzte sich dann aufrecht hin. Ginger ließ sich zum Glück auch von Louis streicheln und Harry begann leise zu reden: „Melli, ich muss mich bei dir entschuldigen.“ Ich wollte ihn unterbrechen, doch sein bittender Blick brachte mich zum Schweigen. „Es tut mir wirklich leid, dass ich dich ganze Zeit immer so blöd angemacht hab, obwohl ich wusste, dass du einen Freund hast und nichts von mir willst. Am Anfang wollte ich damit einfach wirklich nur Chris ärgern, aber du bist mir wichtig geworden, als Freundin und ich mag dich wirklich. Und als ich es an diesem Abend bei Tete, so weit getrieben hab und dich geküsst hab und so...“ Seine Wange wurden rot und die Schuld stand ihm ins Gesicht geschrieben: „Das tut mir wirklich leid. Ich weiß auch nicht was mich da geritten hat und du musst mir wirklich glauben, dass ich noch nie ein Mädchen gegen ihren Willen geküsst hab. Und erst Recht tut mir leid, dass ich Chris so provoziert hab und wegen mir alles so eskaliert ist.“ Er stoppte und schien nicht mehr weiterzuwissen. Traurig sah er mich an und man merkte, dass es ihm wirklich leid tat. Ich betrachtete kurz sein schuldbewusstes Gesicht und lächelte ihn dann warm an. „Ist schon in Ordnung. Ich bin dir nicht böse. Auch nicht wegen dem damals in der Küche von Tete. Und für das was danach passiert ist, kannst du nun wirklich nichts. Chris hätte niemals so ausrasten dürfen.“ „Wirklich?“, Harry sah mich überrascht an und ich nickte wohlwollend. Er sprang auf und ging zu mir. Als er sich zu mir runterbeugte und mich vorsichtig umarmte, legte ich die Arme um ihn und drückte ihn kurz und sanft. Diese Umarmung war bei weitem anders, als alle anderen, die ich je mit Harry hatte. Er hatte mich immer fest an sich gedrückt und seine Hände über meinen Rücken wandern lassen, doch diesmal hielt er mich einfach nur sanft und freundschaftlich fest, dann trat er wieder einen Schritt zurück und lächelte mich an. Louis immer Hintergrund und noch immer mit Ginger auf dem Schoß, lächelte ebenfalls breit. Harry zögerte kurz, doch dann ließ er sich neben mich fallen. Im ersten Moment erwartete ich, dass wieder eine seiner typischen Aktionen kommen würde und er den Arm um mich legen würde, doch er saß ganz normal neben mir und ich entspannte mich. „Du gibst also Chris die Schuld?“, fragte Harry nach einer Weile leise und ich sah im forschend in die Augen. Sein Blick war offen und ich erkannte keine Zeichen von Schadenfreude, als ich antwortete: „Nicht an allem, aber dass er dich geschlagen hat, auf jeden Fall. Und nicht nur das, er ist ja auch mir und Tete gegenüber grob geworden. Ich hab ihn noch nie so ausrasten sehen und ich will es auch nie wieder sehen. Er war so aggressiv.“ Ich erzitterte leicht bei der Erinnerung und Harry fuhr mir kurz über den Arm. „Hast du deswegen mit ihm Schluss gemacht?“ „Ja! Ich will keinen brutalen und aggressiven Freund, der sich nicht beherrschen kann.“ Louis sah mich stirnrunzelnd an: „Aber liebst du ihn denn nicht?“ Traurig seufzend sah ich ihn an und antwortete dann ehrlich: „Doch. Ich liebe ihn sogar sehr, zumindest den Chris, den ich kenne. Aber ich will nichts mehr mit ihm zu tun haben. Er hat Harry zu Boden geschlagen und es ist mir egal, dass er Harry noch nie leiden konnte. Er darf trotzdem nicht so besitzergreifend und aggressiv sein.“ Louis nickte traurig, aber verständnisvoll und Harry fuhr mir wieder kurz tröstend über den Arm. „Hat er dich eigentlich sehr verletzt?“, fragte ich Harry und sah auf seine Seite. Noch gut konnte ich mich an die Wucht erinnern, mit der Chris ihn getreten hatte. Zögernd antwortete er: „Es ging. Hat zwar weh getan war aber nicht weiter schlimm. Mir geht es wieder gut.“ Ich nickte erleichtert und lächelte ihn an. Er lächelte zurück und Louis fragte wieder: „Ja aber wenn Chris wieder so wie früher wäre, also nicht so aggressiv und er sich auch mit Harry versöhnen würde, würdest du ihm dann verzeihen?“ „Ich wie nicht...“, nachdenklich legte ich den Kopf schief: „Ich glaube aber nicht... Er müsste mir schon beweisen, dass er nicht mehr so aggressiv ist und selbst wenn, hätte ich immer noch Angst, dass er mal wieder so ausrastet.“ „Aber...“, setzte Louis wieder an, doch ich unterbrach ihn: „Stell dir mal vor, du würdest so ähnlich wie Chris ausrasten und dabei einen von El´s Freunden verletzten, eventuell auch grob ihr gegenüber werden. Meinst du sie könnte dir einfach so verzeihen und alles vergessen?“ Geschockt sah Louis mich an und meinte beleidigt: „Das würde ich nie tun. Dafür liebe ich El viel zu sehr.“ Erst als er es ausgesprochen hatte, schien ihm bewusst zu werden, was er da gesagt hatte und wurde ein wenig rot. Sanft sagte ich: „Ich weiß, dass du so was nie tun würdest... Und auch dass du El wirklich liebst und das ist der springende Punkt bei mir und Chris.“ „Du glaubst also, weil er so ausgerastet ist, liebt er dich nicht wirklich?“, fragte Louis weiter, doch noch ehe ich antworten konnte, meinte Harry: „Lou! Es reicht jetzt. Lass sie in Ruhe mit deinen Fragen.“ Dankbar sah ich Harry an du er lächelte mich an, während Louis: „Tut mir leid.“, murmelte. Ich winkte ab und zwinkerte ihm zu, ich war ihm nicht böse. Wir saßen wieder eine Weile still da, doch diesmal war es keine angespannte Stille, sondern eine angenehme und entspannte. Irgendwann fragte Harry unsicher: „Ich weiß nicht... Sollen wir gehen? Wir wollen dich schließlich nicht nerven.“ Ich lächelte ihn an und meinte: „Ihr könnt auch ruhig bleiben. Ich hab sowieso nichts vor und meine Mum und meine Sis kommen erst wieder heute Abend oder so nach Hause.“ „Das heißt wir würden dich nicht bei irgendetwas furchtbar wichtigem nerven, wenn wir den restlichen Mittag hier verbringen?, fragte Louis grinsend und ich lachte leise: „Nein würdet ihr nicht! Ihr würdet mich eher vor einem langweiligen Tag allein in meinem Zimmer retten.“ Harry und Louis grinsten sich an und fragten dann lachend: „Also was wollen wir machen?“ Lachend zuckte ich mit den Schultern meinte: „Worauf ihr Lust habt.“ Louis sah sich im Raum um und sprang dann begeistert auf. Dabei rutschte Ginger von seinem Schoß und fauchte geschockt auf. Beleidigt rammte sie ihm ihre Krallen ins Bein und huschte dann zu Harry um es sich auf dessen Schoß bequem zu machen. Louis rieb sich das Bein und Harry und ich lachten laut. Während wir lachten, deutete Louis auf die Spielekonsole: „Wollen wir?“, fragte er und ich nickte, auch Harry sah begeistert aus. Kurz darauf saßen wir drei nebeneinander und zockten Playstation. Wobei ich entgegen Harrys und Louis Erwartungen mindestens genauso gut war wie sie selbst und nicht gerade leicht zu besiegen war. Irgendwie war ich froh, dass Harry sich entschuldigt hatte und die beiden nun bei mir waren. Zum einen war meine Freundschaft zu Harry gerettet und zusätzlich hatte ich diesen Mittag ein wenig Ablenkung.

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