Das erste Treffen ✅

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Ein wenig später sitzt er mir gegenüber, seine langen Finger sind um die schwarze Tasse gepresst und sein Blick liegt auf mir. Noch immer hat er seine Mütze auf und als ich gefragt hatte ob er sie denn nicht absetzen wolle, versuchte er mir weiß zu machen, dass ihm kalt wäre. Auf meine Fragen antwortet er immer nur mit kurzen, simplen Antworten und auf irgendeine Art und Weise verletzt mich das. Immerhin hatte er mich mit zu sich genommen und sich um mich gekümmert, irgendwie.

"Was studierst du sonst noch außer Psychologie?", frage ich um erneut einen Versuch zu starten mit ihm eine Konversation zu führen.

"Ich studiere gar nichts.", sagt er einfach und verwirrt mich damit noch mehr. "Wie gar nichts?", er seufzt auf und lehnt sich etwas zurück, sieht aber noch immer angespannt aus. "Ich kenne Prof. Henderson und gehe nur hin, weil es mich interessiert. Er könnte ziemlichen Ärger bekommen wenn das rauskommt.", er runzelt die Stirn und ich nicke, bin etwas glücklich darüber , dass er mir das anvertraut.

"Wieso bist du so?", frage ich gerade heraus und hasse mich jetzt schon dafür diese Frage gestellt zu haben. "Wie bin ich denn?", er lehnt sich wieder nach vorne und stellt seine Tasse auf den runden Holztisch.

"So - distanziert.", flüstere ich fast weil ich Angst habe ihn zu verärgern aber er zeigt keine Spur von Wut oder dass er es auf irgendeine Art witzig findet. Er sieht mich nur mit einem undefinierbaren Blick an und ich fühle mich von Sekunde zu Sekunde unwohler.

"Ich muss gehen.", sage ich deswegen, einerseits weil ich einfach hier weg will und weil ich meinen Bruder abholen muss, da es mittlerweile fast zwölf Uhr ist. Als Harry gleichzeitig mit mir aufsteht und ebenfalls nach seiner Jacke greift frage ich ihn, was er vorhat.

"Dich nach Hause bringen natürlich. Ich lass dich hier nicht alleine durch die Gegend laufen.", etwas überwältigt von seiner Aussage folge ich ihm zu Tür und auch den Weg bis zu der Siedlung mit den großen Häusern laufe ich ihm einfach hinterher. Einerseits finde ich es verdammt nett und zuvorkommend aber ich verstehe nicht, wieso er all das macht und mich am nächsten Tag wieder komplett ignoriert geschweige denn meinen Namen weiß.

"Ich muss zur Schule, meinen Bruder abholen.", teile ich ihm mit als wir an einer roten Ampel stehen.

"Uh, kann ich mitkommen?", er spielt mit den Bändern an seiner Jacke und einmal wieder sehe ich ihn verwirrt an, nicke aber dann. Vielleicht habe ich jetzt die Möglichkeit etwas über ihn zu erfahren.

"Wie alt bist du?", frage ich ihn, obwohl ich es auf dem kleinen Zettelchen schon gelesen hatte.

"21.", sein Blick ist starr nach vorne gerichtet und zwischen uns ist fast ein halber Meter Platz.

"Und wohnst du schon immer hier?", ich habe Angst, dass ihn meine Fragen nerven aber wenn er mir nichts von sich erzählt, muss ich nachbohren. "Bin in Nordengland geboren und vor einigen Jahren hierher gekommen.", seine Art zu antworten, so kühl und monoton und verunsichert mich immer mehr und auch die Tatsache, dass er mir keine einzige Frage gestellt hat zeigt, dass er wohl keine Lust auf diese Unterhaltung und auch kein Interesse daran hat.

Gerade als ich Harry fragen will ob er mit rein kommen will, hält er schon die Tür auf und ein leichtes Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. Als ich meinen Bruder an seiner Garderobe sitzen sehe während er grade dabei ist, seine Schuhe zuzubinden sieht er hoch und läuft mit noch immer offenen Schuhbändern auf mich zu.

Als er seine kleinen Arme um meine Hüfte schlingt, erkenne ich die getrockneten Tränen auf seinen Wangen. Ich gehe in die Hocke, damit ich auf seiner Höhe bin, vergesse komplett, dass Harry hinter uns steht.

"Was ist passiert?", frage ich Noah und streiche mit meinen Daumen über sein Gesicht. "Sie haben mich wieder geärgert.", in seinen Augen bilden sich wieder Tränen und ich ziehe ihn an meine Brust bevor er anfangen kann zu weinen.

"Wer ist das?", nuschelt er an meine Schulter und zusammen mit ihm drehe ich mich um. Harry steht vor uns, ohne Kapuze aber noch immer mit seiner Beanie auf dem Kopf.

"Ich bin Harry.", sagt er und kniet sich ebenfalls herunter um auf Augenhöhe mit uns zu sein. "Ich bin Noah.", sagt mein Bruder und hält ihm die Hand hin. Ich kann ein kleines Lachen nicht verhindern, dieses Bild, Harry und Noah schütteln sich die Hände und Noah sieht ihn mit einem undefinierbaren Blick an, wird nie wieder aus meinem Kopf verschwinden.

"Wollen wir gehen?", frage ich dann, habe Noahs Tasche schon in der Hand und bin wieder aufgestanden.

"Kommt Harry mit uns?", fragend sieht Noah zwischen uns hin und her. "Wenn er möchte, aber das musst du Harry fragen.", ich strecke meinem Bruder die Hand hin, die er gleich annimmt und sich dann an Harry wendet.

"Kommst du mit uns?", Harry sieht kurz unsicher zu mir, beißt auf seiner Unterlippe herum bevor er leicht nickt. Noah hält Harry seine Hand hin und so verlassen wir die Schule, ich mit einem breiten Lächeln im Gesicht, Harry mit einem Unsicheren Blick und Noah der ununterbrochen redet.

Paranormal | H.S. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt