Die ganze Vorlesung über hat er meine Hand nicht mehr losgelassen und es stört mich nicht, wieso sollte es auch? Hin und wieder erwischt er mich wie ich ihn ansehe, ich werde rot, ich sehe weg, er lächelt, ich sehe ihn wieder an, er sieht wieder auf, ich werde wieder rot. Eine ganze Weile passiert das immer wieder. Ich kann nicht in Worte fassen, welch eine Anziehung er auf mich hat.
Auch während ich meine Sachen in meinen Rucksack packe und dann neben Harry stehe und auf ihn warte, treffen sich unsere Blicke immer wieder. Mir ist aufgefallen, dass immer wenn Harry zu lachen beginnt sich erst sein rechter Mundwinkel und dann erst der linke hebt und bei seinen Grübchen ist es das selbe. Erst sieht man das rechte, dann das linke.
"Immer noch hungrig?", fragt er dann als er, wie immer, hinter mir aus dem Saal tritt. Grinsend nicke ich und hoffe, dass mein Magen nicht genau jetzt anfängt zu knurren, so wie das immer in Filmen und Büchern passiert. "Wollen wir zu dem kleinen Chinesen, vorne bei der u-bahn Station?", er deutet in eine Richtung, quer über den Parkplatz und obwohl ich nicht weiß, was er meint nicke ich und folge ihm.
"Was war vorhin los mit dir?", wir entfernen uns immer weiter vom Uni Gelände und ich habe noch immer keine Ahnung wo Harry hin will. Auch während wir die Treppen runter gehen, schweigt er doch nachdem er mir bei der nächsten Treppe wieder einmal den vortritt lässt, spricht er.
"Das ist nicht so wichtig, wirklich.", weicht er aus, doch für mich ist es wichtig, genauso wie für ihn das Buch wichtig ist. "Wirklich Megan. Es ist im Moment nicht wichtig, ich will dich gerade einfach nur zum Essen einladen und mit dir Zeit verbringen.", lächelnd nicke ich und ein kaum hörbares "okay", entkommt meinen Lippen.
Es ist kaum möglich, doch das Lächeln wird noch breiter, als Harry ohne Vorwarnung meine Hand in seine nimmt und unsere Finger verschränkt. Es gibt keinerlei Anlass dazu, weder eine Menschenmenge um uns herum, noch irgendwer der irgendetwas tun würde. Unsere Arme berühren sich und als Harry bemerkt, dass ich zu ihm aufsehe, lässt er meine Hand los und legt stattdessen seinen Arm um meine Schultern und zieht mich näher zu sich.
Das Restaurant ist klein und es stehen nur wenige Tische an den Wänden verteilt aber es sieht gemütlich aus. Wir suchen uns einen Tisch in einer der hinteren Ecken und als er mir meine Stuhl zum Tisch ranschiebt, muss ich kurz an Lenn denken. Er hat das auch immer gemacht und Lenn war auch immer genauso höflich wie Harry und doch bin ich froh, dass er sich nicht mehr gemeldet hat.
"Was möchtest du essen?", wir haben bereits unsere Getränke bekommen und im Moment suchen wir etwas auf der Speisekarte. "Oder anders gefragt, möchtest du alleine etwas oder wollen wir uns die Gebratenen Nudeln mit Hühnchen teilen?", fragt er dieses mal und legt sein Kinn auf seinen verschränkten Händen ab. "Nudeln mit Hühnchen hört sich gut an.", sage ich lächelnd und lege die Speisekarte an den Rand des Tisches.
Ich lache leise auf als Harry meinen Teller nimmt und mir etwas darauf macht. "Hab ich irgendwo etwas?", fragt er nach und trotz seiner Mütze kann ich erkennen, dass er seine Augenbrauen zusammenzieht. "Nein nein, aber du musst das nicht machen.", erkläre ich ihm. "Aber ich dachte ihr Frauen mögt das und ich wollte höflich sein, tut mir leid.", sagt er etwas geknickt und in diesem Moment bereue ich direkt, etwas gesagt zu haben, da es falsch rüberkam, als es eigentlich sollte. "So war das nicht gemeint, natürlich finde ich es toll und es ist nett von dir du musst das aber nicht machen, es ist kein muss und vor allem brauchst du dich nicht entschuldigen.", versuche ich deutlich zu machen, was ich meine.
"Achso.", er kratzt sich an seiner Stirn, genau an dem Bund seiner Mütze. "Ich mach das aber trotzdem OK?", es macht mich traurig und glücklich zu gleich, dass er das fragt. Glücklich, weil er höflich sein möchte und mir das gefällt, aber auch traurig weil er dabei so unsicher wirkt, wie als würde er nicht wissen was er tun soll.
Es ist schön, einfach nur mit Harry an einem Tisch zu sitzen und zu reden.
"Und was genau machst du da dann?", vielleicht widerspricht es sich, dass ich mich nicht für das Thema Technologie interessiere aber in diesem Fall doch, weil es Harrys Arbeit ist. "Die Firma sendet mir Links, Dateien, Bilder oder Texte, was es noch so alles gibt zu und probiere aus ob die Sachen in der Praxis funktionieren. Manchmal klappts manchmal nicht. Geld bekomme ich immer.", bei seinem letzten Satz fängt er an zu lachen und auch ich lache leicht. "Arbeitest du?", fragt er dann. "Nein, im Moment nicht.", ich habe meine letzten Job verloren, da das Café in dem ich bedient habe geschlossen hatte und ich jetzt auf kosten meines Vaters lebe.
"Mein Dad zahlt die Miete für meine Wohnung und sonst lebe ich zurzeit von Ersparnissen. Er hat mir auch das Angebot gemacht, wieder zu ihm zu ziehen aber naja, mal sehen was die Zeit bringt.", wir sind zwar auf ein anderes Thema gekommen aber trotzdem hört er zu. "Ich werde mich einfach in irgendwelchen Cafés bewerben, irgendwer wird schon jemanden brauchen.".
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Harrys Augen leuchten im Licht der Straßenlaterne und wären wir jetzt in einem kitschigen Liebesfilm, würde ich sagen sie leuchten wie die Sterne am Himmel, doch das tun sie nicht. Harrys Augen sind ein noch größeres Mysterium als die Galaxie. Er trägt so viele Geheimnisse mit sich umher und jedes mal wieder entdeckt man andere seiten von ihm. Und das ist was ich an ihm mag, dass er nicht nur Harry ist. Er ist dieser Junge, der unsicher ist, nicht weis was er tun soll und einfach still ist. Dann ist er der, der mit mir in einem Bett schläft, mich an sich drückt und mir einen Teil seinen Lebens erzählt und dann gibt es noch den Harry, der mich verteidigt, der starke Harry, der, zu dem man kommen kann, der einen beschützt. Er ist genauso so vielseitig wie unser Himmel, wie die Galaxie. Dunkel, hell, sonnig, trüb, regnerisch und doch bleibt es immer der gleiche Himmel und auch Harry bleibt immer Harry.
"An was denkst du?", ich habe gar nicht bemerkt, dass wir vor meinem Wohnhaus angekommen sind als Harry mir diese Frage stellt. "An dich.", antworte ich wahrheitsgemäß, da mir in diesem Moment keine passende Ausrede einfällt. "Dann haben wir wieder etwas gemeinsam.", seine Stimme wird leiser und wie immer beschert mir diese Rauheit eine Gänsehaut. "Ich denke auch an dich. Ständig. Während ich esse, während ich versuche zu lernen, während ich im Zug Sitze, wenn ich versuche einzuschlafen. Du weißt gar nicht wie oft du einfach in meinen Gedanken auftauchst. Ich lese diese Einträge, ich versuche mir ein Bild daraus zu machen und doch sind diese Bilder immer falsch, wenn ich dich dann sehe. Du bist viel besser als alles was ich mir ausdenken kann und ich hasse mich selbst dafür, dass ich nicht weiß wie perfekt du bist.", er spricht immer schneller, stolpert über einige Buchstaben, räuspert sich und fängt wieder von vorne an.
Unsere Hände sind mittlerweile ineinander verschränkt, wir sind uns näher gekommen und seine Worte schwirren durch meinen Kopf. Er denkt an mich, er kann mich nicht vergessen. Ich sehe seine Augen immer klarer, zuerst waren sie nur grün, doch jetzt erkenne ich, den dunklen Rand um seine Iris, welche zur Mitte hin immer heller wird. Ich erkenne die kleinen Sprenkler, die sie noch verspielter wirken lassen. Seine dunklen Wimpern, die ich an meiner Stirn spüre als er diese gegen meine lehnt. Ich spüre wie sein Atem über mein Gesicht streicht und seine rechte Hand sich ihren Weg über meine Arme bis hin zu meinem Nacken sucht. Eine an meiner Hüfte, eine an meinem Kiefer und meine Hände auf seiner Brust, die sich hebt und senkt.
Sein Herzschlag, der immer schneller wird und zu explodieren scheint, unter meinen Handflächen, ähnelt meinem eigenen und dann sehe ich nichts mehr. Meine Augen sind geschlossen, meine Gedanken ausgeschalten. Und plötzlich ist das einzige was ich noch spüre, Harrys Lippen auf meinen. Unsere Lippen bewegen sich kaum und doch ist dieser kleine, leichte Kuss voller Gefühle. Voller Angst, Unsicherheit und vermutlich Liebe.
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Paranormal | H.S.
FanfictionA story where Harry is one big secret and Megan is a girl who tries to crumble down his walls.