Pommestradition ✅

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In den letzten neun Tagen habe ich Harry kaum gesehen. Er sitzt bereits im Vorlesungssaal wenn ich in die Uni komme und verschwindet meist auch schon kurz vor Ende. Immer wieder hat Noah nach Harry gefragt, ob dieser nicht mal wieder mitkommen wolle um mit ihm zu spielen und als vorgestern das Packers Spiel im Fernsehen lief, mein Bruder mich darum bat ob ich Harry nicht anrufen könnte, damit er das Spiel mit ihm anschaut musste ich ihm erklären dass ich Harrys Handynummer nicht hätte und bezweifle dass er vorbei kommen würde. Noah wollte das Spiel daraufhin auch nicht mehr sehen und hatte kaum noch mit mir geredet. Es ist unglaublich welch ein Wirkung Harry auf Noah hat.

Nicht nur auf ihn, auch auf mich. Ich vermisse Harry. Ich vermisse seine Anwesenheit. Es mag komisch sein, da wir uns eigentlich noch immer nicht kennen und auch noch kein wirkliches Gespräch hatten aber die Tatsache, dass er schon dreimal auf mich aufgepasst hat, das eine Mal in der Bahn als er mich nicht mit dem Typen alleine lassen wollte, als ich meine Panikattacke hatte, er mich dann mit zu sich genommen hat und als er mich am selben Tag nicht alleine durch die Nacht nach Hause laufen lassen wollte, bringt mich zum lächeln.

Gerade sitze ich mit Noah am Küchentisch um mit ihm seine Hausaufgaben zu machen. Es erstaunt mich immer wieder wie schlau mein kleiner Bruder ist und stelle wieder einen Unterschied zwischen ihm und mir fest. Ich war nie jemand der viel gelernt hat, dementsprechend auch nicht wirklich gute Noten hatte aber Noah hat Spaß daran. Jeden Tag erzählt er voller Begeisterung was er in der Schule gelernt hat und beschwert sich darüber, wie ungebildet einige in seiner Klasse seien.

Schmunzelnd gieße ich mir eine weitere Tasse Tee ein und lehne mich zurück. Nicht lange bleibe ich in dieser Position, als es an der Tür klingelt und ich wohl oder übel aufstehen muss, da sich Noah nicht in seiner Lernphase stören lässt.

Mein Vater steht mit seiner Aktentasche, grauem Anzug und einer Tüte von McDonalds vor der Türe. Nachdem er die braune Ledertasche neben dem kleinen Schuhregal abgestellt hat, zieht er mich in eine Umarmung. „Ich konnte heute schon früher los und dachte ihr beiden habt vielleicht Hunger.", er hält die Papiertüte vor mein Gesicht und geht dann hinter mir in die Küche. Noah beachtet seinen Vater zuerst gar nicht, ist viel zu vertieft in die Zahlen in seinem Mathebuch. Erst als die Papiertüte vor ihm abgestellt wird, sieht er auf und wirft sich dann grinsend in die Arme von unserem Dad. Zusammen räumen wir den Tisch ab und verteilen die Burger. Die Pommes schütten wir alle zusammen in die Mitte auf einen Teller, das ist so etwas wie eine Tradition von uns dreien.

„Ich habe heute Morgen einen Brief vom Jugendamt bekommen.", erzählt mir mein Vater nachdem er Noah ins Bett gebracht hat. Stirnrunzelnd sehe ich ihn und warte darauf, dass er weiter redet. „Eure Mutter hat das Sorgerecht für euch beide abgegeben, eigentlich nur für Noah und an mich übergeben.", er blickt von seiner Tasse auf und sieht mich angespannt an. Mein Kiefer klappt nach unten und ich weiß im Moment nicht ob ich wütend oder traurig bin. Einerseits ist es mir egal, da der Kontakt mit meiner Mutter sich aufs Minimum beschränkt und ich noch immer sauer auf sie bin, was sie uns alles angetan hat. Vor allem wegen dem, was sie Noah angetan hat.

Anderseits bin ich traurig, es ist immerhin meine, unsere Mutter und dass sie ihre Kinder so einfach abgeben oder vergessen kann verstehe ich nicht und will ich auch nicht verstehen. „Natürlich habe ich es angenommen, gar keine Frage. Da du aber schon volljährig bist hat das keine Auswirkungen auf dich, nur auf Noah. Ich würde ihn gerne mit zu mir nehmen, in meine Wohnung. Nadya hätte auch nichts dagegen und ich denke es wäre eine Entlastung für dich, wenn du dich nicht auch noch um deinen Bruder kümmern musst.", Nadya ist Dads Freundin, die beiden kennen sich schon länger und ich komme auch mit ihr klar. Natürlich liebe ich es Noah hier zu haben aber ich denke es wäre besser wenn er bei unserem Vater leben würde. „Ja, ich denke das ist eine gute Idee.", lächle ich ihn an und lege meinen Kopf auf der Lehne ab. „Ich will aber nicht, dass Noah denkt, dass ich ihn irgendwie abschiebe.", spreche ich meine Ängste aus. „Er wird das nicht denken, er wird es verstehen und er kann wann immer er will zu dir kommen, vorausgesetzt du bist damit einverstanden.", er lächelt mich beruhigend an und breitet dann seine Arme aus. „Natürlich hab ich nichts dagegen.", murmele ich gegen seine Schulter und atme den bekannten Duft meines Vaters ein.

Nach einer guten halbe Stunde verlässt er dann schließlich meine Wohnung nur um mich keine Minute später anzurufen. „Tu mir einen Gefallen und sperr bitte deine Türe ab, dieser Penner saß schon hier vorm Haus als ich gekommen bin.", sagt er mit besorgter Stimme und ich ziehe die Augenbrauen zusammen. Ich habe hier in der Gegend noch nie einen Obdachlosen gesehen, trotzdem tue ich ihm den Gefallen und schiebe das Schloss vor meine Tür. „Er sieht nicht gerade freundlich aus mit dem schwarzen Pulli und den schwarzen Boots und den Geräuschen die er von sich gibt. Wahrscheinlich ist der auf Drogen.  Schlaf gut mein Schatz.", sagt er dann noch und legt auf. Das erste was in meinen Gedanken auftaucht, ist eines. Harry.

Heilige Scheisse 2000 reads und 300 faves. Leute ich liebe euch & ein riesen fettes sorry dass es etwas länger gedauert hat. Praxisprüfungen sind zur Hälfte rum und hoffentlich finde ich jetzt wieder mehr zeit zu schreiben

all the love as always xx

Paranormal | H.S. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt