Dr. Marten ✅

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Noch immer liege ich wach in meinem Bett und hoffe bald einschlafen zu können. Ich fahre über meine Lippen, die sich zu einem Lächeln verzogen haben, als ich an den Kuss denke.

Ich hätte nicht gedacht, dass Harry derjenige sein wird, der den Schritt macht und mich zuerst küsst. Ich weiß, dass er morgen nicht mehr wissen wird, dass er es getan hat. Er wird nicht mehr wissen wie es sich angefühlt hat und das macht mir Angst. Ich will nicht, dass es das letzte mal war, dass wir uns geküsst haben und ich will auch nicht, dass er nicht mehr weiß was er dabei Gefühlt hat, aber ich muss es akzeptieren.

Es ist bei diesem einem Kuss geblieben. Kaum Bewegung, kaum Interaktion aber viel Gefühl. Wir standen noch eine Weile beieinander. Er hat über mein Gesicht gestrichen, mich in seinen Armen gehalten und geschwiegen. Ich habe seinen Duft eingeatmet und den Schlag seines Herzen gespürt.

Und jetzt wünsche ich mir nichts mehr, als dass er neben mir liegen würde und mir sagen würde, dass er etwas für mich fühlt. Ich weiß, dass das nicht passieren wird. Wie auch? Wie sagt man jemandem, dass man ihn mag, liebt, wenn man denjenigen erst einen Tag kennt?

Ich denke noch viel über Harry nach. Wie geht es ihm gerade? Schläft er schon und halten ihn seine Gedanken auch wach? Denkt er vielleicht auch an mich? Und das nächste, das ich höre ist der Ton meines Weckers. Ich bemerke, dass ich kaum zwei Stunden geschlafen habe.

Während ich mich für die Uni vorbereite und frühstücke wandern meine Gedanken wieder zu Harry und dass ich ihn in weniger als einer Stunde wieder sehen werde. Es ist unglaublich wie sehr meine Laune darauf basiert, ob Harry da ist oder nicht, oder ob ich ihn noch sehen werde.

Sofort nachdem ich die Treppen zur Bahnstation runter gegangen bin suchen meine Augen die Halle nach Harry ab. Doch auch nach mehreren Minuten ist er noch immer nicht da.

Auch als die Bahn einfährt, ist er nicht da. Gerade als sich die Türen wieder schließen, springt Harry als letztes in den ohnehin schon überfüllten Wagon und lehnt sich an die Glaswand, die ein paar Sitzplätze abtrennt.

"Pass doch auf!" und "Bleib doch da stehen.", wird mir von genervten Fahrgästen zugerufen aber es interessiert mich nicht. Ich will nur zu dem Lockenkopf an der Tür.

"Harry.", sage ich erleichtert und fange an zu lächeln als er sich umdreht und in der gleichen Tonlage meinen Namen sagt. Ich frage mich ob er sich daran erinnert, dass wir uns gestern geküsst haben. Hat er es sich aufgeschrieben oder war es für ihn nicht wichtig?

Er hat heute seine Mütze nicht bis zu den Augen herunter gezogen und als ich genauer hinsehen, kann ich erkennen dass er seine Narbe mit Make Up abgedeckt hat. Vorsichtig fahre ich mit meinem Daumen über seine Augenbraue, habe sein Gesicht immer im Blick um sofort aufzuhören wenn er sich unwohl fühlt. "Ich wollte die Mütze nicht so weit runter ziehen, sieht doof aus.", fängt er dann an und spielt mit dem Reißverschluss seiner Jacke. "Aber das mit dem überschminken hat nicht so gut funktioniert.", er atmet genervt aus und legt seinen Kopf in den Nacken. "Egal was du tust, du würdest nie doof aussehen.", sage ich mehr zu mir selbst als zu ihm, doch auch trotz dem Lärm in der Bahn scheint er es gehört zu haben. Er greift nach meiner Hand und verschränkt unsere Finger miteinander. "Gleiches gilt für dich.", er zieht mich etwas näher zu sich, als ein paar Menschen an der Station aussteigen.

Harry lehnt sich leicht gegen mich und sein Kopf liegt auf meiner Schulter. "Alles in Ordnung?", Frage ich ihn und als ich keine Antwort bekomme, hebe ich seinen Kopf an. Habe ich es vorher nicht gemerkt oder ist er erst in den letzten paar Sekunden so blass geworden. Als er leicht schwankt, drehe ich mich so, dass er wieder mit dem Rücken an der Wand steht und ich vor ihm, sodass er nicht umfallen kann. Seine Augen sind nur halb offen, sein Körper ist aber angespannt. Ich lege meine Hände an seine Wangen und zwinge in damit mich anzusehen. "Hast du wieder Schmerzen?", Frage ich Dann, als ich mich daran erinnere, dass es ihm genauso ging als er vor meiner Tür saß.

Er nickt nur leicht und zwickt seine Augen zusammen. "Seit wann?", ich streiche ihm über die Wange und stelle mich noch näher an ihn, als er wieder anfängt zu schwanken. "Nacht.", presst er hervor und lässt seinen Kopf wieder auf meine Schulter sinken.

Während ich gestern Nacht wach da lag und mich gefragt habe, was er wohl gerade macht, ob er auch an mich denkt, hatte er Schmerzen und ich konnte ihm nicht helfen. In diesem Moment fühle ich mich schuldiger als damals, als ich das Fenster unserer Nachbarin mit einem Ball eingeschossen und zerbrochen habe.

"Wieso hast du mich denn nicht angerufen und bist zu Hause geblieben?", ich lege meine Arme um seine Schultern und streiche seinen Nacken auf und ab. "Ich wollte dich nicht nerven Oder Damit belasten.", murmelt er in meine Haare und seufzt leise.

Ich beschließe, mit ihm an der nächsten Haltestelle auszusteigen und ihn nach Hause zu bringen. Harrys gesamtes Körpergewicht liegt auf meinen Schultern und ich bin erleichtert als ein Mann hinter uns fragt, ob ich Hilfe bräuchte. Harry beginnt wieder zu taumeln und bevor ich zusammen mit ihm aus der Tür auf den Bahnsteig stolpern kann, greift der Mann nach Harrys Arm und legt ihn über seine Schultern. Gemeinsam setzen wir ihn auf einen der Stühle und ich setze mich direkt neben ihn.

Harry Kopf hängt noch immer nach unten, Beine ausgestreckt und seine Schultern sind angespannt. Der Mann, der sich als Dr. Marten vorgestellt hat, steht vor Harry und sieht ihn an. Er greift nach Harrys. Hand und legt seine eigene um Harrys Handgelenk. "Sein Puls ist zu hoch und er ist viel zu warm. Hat er sowas öfters?", er lässt die Hand wieder sinken und sieht mich an. Ich nicke leicht. Was heißt öfters? Es ist das zweite mal, dass ich einen seiner Anfälle mitbekomme und es ist zu viel. Ich will ihn nicht so leiden sehen. Es soll ihm gutgehen."Wie heißt er?", fragt er Dr. Marten und hebt Harrys Kopf etwas an. "Harry.", sage ich schnell und greife nach dessen Hand, welche komplett verkrampft ist.

"Harry, verstehen sie mich?", Dr. Marten klopft Harry leicht auf die Wangen als dieser keine Reaktion zeigt. Erst dann nickt er und man sieht ihm an, dass er Schwierigkeiten dabei hat, die Augen offen zu halten. "Wo haben sie Schmerzen?", fragt er weiter und hält Harry an seinen Schultern, damit er nicht zusammen klappt. "Überall.", presst er heraus und es tut mir weh, ihn so zu sehen. So zerbrechlich und hilflos. "Können sie aufstehen? Wir bringen sie ins Krankenhaus, es ist nicht weit.", Dr. Martens Stimme ist ruhig und trotzdem bestimmt. "Kein Krankenhaus.", Harrys Stimme ist voller Panik und gerade als er aufstehen will, sinkt er in sich zusammen und ich kann ihn kaum halten. Harrys Kopf liegt in meinem Schoß und Tränen laufen über meine Wangen. Tränen vor Sorge und Angst um Harry.

Dr. Marten dreht ihn so, dass seine Beine auf den Stühlen liegen und kniet sich dann neben Harry. Wieder klopft er gegen seine Wange aber Harry rührt sich nicht. "Harry bitte wach auf. Bitte.", ich beuge mich über ihn und lege meine Hände an seine Wangen. "Bitte.", immer mehr Tränen laufen über mein Gesicht als ich meine Lippen auf seine Lege. Der Kuss ist nicht zu vergleichen mit dem letzten. Er schmeckt salzig und ist voller Gefühle. Keine positiven Gefühle. Voller Angst, sorgen und Unsicherheit. "Ich brauche zwei Sanitäter und eine Trage in der Ubahnstation beim Krankenhaus. Schnell.", höre ich Dr. Marten sprechen, bevor er sich wieder neben Harry kniet.

Paranormal | H.S. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt