Immer✅

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"Du kannst dir bestimmt denken, was ich dich gleich fragen werde.", langsam nicke ich und lege ein Kissen auf meinen Schoß.

"Ich habe ihn in der Uni kennengelernt.", fange ich an und mein Vater lehnt sich zurück. "Wir haben dort nicht wirklich viel geredet und eigentlich weiß ich auch nicht wirklich viel über ihn.", am liebsten würde ich mich im Moment selbst für meine Aussage schlagen. Meinem Vater zu erzählen, dass ich einen praktisch Fremden in meine Wohnung lasse ist sicherlich nicht eine der besten Entscheidungen, die ich getroffen habe.

"Und einmal bin ich dann mit zu ihm in seine Wohnung und-", ich werde von Dad unterbrochen, der mich mit großen Augen ansieht. "Du bist mit jemanden den du nicht kennst nach Hause gegangen? Megan weißt du was hätte passieren können?!", wieder nicke ich leicht, weil ich weiß, dass er recht hat.

"Er hat mir davor geholfen.", murmele ich nur und hoffe kurz, dass er nicht weiter nachfragen wird. Er denkt noch immer, dass meine Panikattacken längst vorbei sind und es mir wieder gut geht. Einmal wollte er mich in Therapie stecken, damit ich professionelle Hilfe bekomme aber ich wollte nicht. Erst als ich ihm und den Ärzten versichern konnte, dass es nicht mehr passieren wird und es mir gut geht, ließ er diese Entscheidung fallen.

"Bei was geholfen. Megan lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen.", er seufzt auf und nimmt meine Hände, die noch immer auf dem Kissen liegen in seine. "Ich will nur wissen mit welchen Leuten du dich triffst. Besonders wenn sie hier in deiner Wohnung zusammen mit deinem kleinen Bruder sind.", sagt er ruhiger und lächelt dann sanft.

"Ich hatte eine Panikattacke in der Bahn und Harry hat sich um mich gekümmert.", sage ich schnell und leise und gegen alle meine Erwartungen wird er nicht sauer, dass ich ihn angelogen habe was diese Anfälle angeht. Er rutscht etwas näher zu mir und zieht mich in eine Umarmung. Er streicht meine Schulterblätter auf und ab und flüstert immer wieder Dinge wie "Ich dachte es geht dir gut." oder "Wieso hast du nicht mit mir geredet."

Als er sich wieder von mir löst, sehe ich ihm an, dass er noch etwas fragen will. "Noch irgendwas?", Frage ich deswegen und hoffe dass er es sich verkneifen wird, da ich zurück zu Harry und Noah möchte. Vor allem zu Harry. Vielleicht wird er heute abend hier bleiben wenn Dad Noah mit zu sich nehmen wird. Ich will mit Harry reden, ihn kennenlernen und das ohne, dass jemand hier ist.

"Was ist mit Harry passiert, dass er so aussieht?", es war klar, dass er diese Frage stellen wird und auch, dass es ihn interessiert. Mich interessiert es auch aber ich bin mir nicht wirklich sicher, ob ich es überhaupt wissen will. "Keine Ahnung.", ich zucke mit den Schultern und als mein Vater auf seine Oberschenkel patscht und aufsteht, weis ich dass das Gespräch zu Ende ist. Ich bleibe noch sitzen, auch nachdem er aus dem Wohnzimmer gegangen ist. Ein paar Minuten später, in denen ich alleine auf dem Sofa saß und einfach aus dem Fenster gestarrt habe, höre ich leise Schritte die auf mich zu kommen. "Tschüss Megan.", Noahs Stimme ist leise und als ich ihn ansehe, kann ich Tränen in seinen Augen erkennen. Ich breite meine Arme aus und keine Sekunde später sitzt er auf meinem Schoß, seine kleinen Arme um meinen Hals geschlungen. "Danke dass ich da bleiben durfte. Ich werde dich vermissen.", nuschelt er in meine Haare und ich verstärke meinen Griff um ihn. "Du darfst immer kommen, immer und ich werde dich auch sehr vermissen.", versuche ich ihn zu trösten.

Ab morgen werde ich wieder in die Uni gehen und meinen gewohnten Tagesablauf haben. "Können wir dann Harry auch besuchen?", als mein Bruder diese Frage stellt beginne ich zu lächeln. "Natürlich.", ich bin froh, dass Noah Harry mag. Ich weis gar nicht was ich tun würde wenn die beiden nicht miteinander auskommen würden, doch Noah ist so ein offener Mensch der noch nie Probleme damit hatte, mit fremden zu reden.

"Megan?", frägt er dann leise und dreht seinen Kopf, sodass er mich ansehen kann. "Tut Harry das an seinem Kopf weh?", ich schlucke fest bei seiner Frage und weis nicht was ich antworten soll, ich weis es nicht.

Ich weis nicht ob er schmerzen hat, wie alt die Narben sind.

Ich weiß auch nicht ob die Schmerzen von denen er gesprochen hatte, davon kommen.

Ich weis gar nichts.

Wie als würde Harry Gedanken lesen können, taucht er auf als ich nicht weiter weis. Er setzt sich auf die Armlehne und scheint zu überlegen, bevor er dann den Mund öffnet. "Nein Noah, es tut nicht weh.", sagt er schließlich und lächelt leicht. Doch es ist nicht das gleiche lächeln das er hatte, als wir zu dritt auf dem Sofa saßen oder als die beiden sich über american football unterhalten haben. "Und was hast du da gemacht? Ich hab auch eine Narbe von der Tür, schau.", Noah zeigt auf den kleinen Strich an seiner Stirn. Harry lacht leicht wird dann aber wieder ernster. "Das ist eine lange Geschichte.", wie immer wenn die beiden reden ist es, als wäre ich nicht da und doch sehe ich, dass Harry sich von Sekunde zu Sekunde unwohler fühlt. "Schau mal Noah, dad wartet schon.", sage ich deshalb um Harry aus der Fragerunde zu befreien. Noah nickt leicht, umarmt mich nocheinmal und dann auch Harry, der nachdem sie sich gelöst haben breit lächelt, dieses mal wirklich. Wir verabschieden uns auch von meinem Vater und als meine Familie die Wohnung verlassen hat, sitzen Harry und ich zusammen in der Küche. Alleine. Still.

Paranormal | H.S. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt