Nudeln mit Tomatensoße ✅

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Gestern durfte Harry wieder nach Hause gehen. Nach endlosen Checks und Untersuchungen und dem Versprechen, dass er sich schonen würde, konnten wir das Krankenhaus endlich verlassen.

Ich hatte ihn jeden Tag besucht und jeden Tag lernte ich ihn ein bisschen mehr kennen. Ich habe gelernt, dass er keine Kartoffeln mag und auch, dass er es nicht leiden kann, den ganzen Tag im Bett liegen zu müssen.

Wir haben geredet, viel geredet. Hauptsächlich über ihn, wie er sich fühlt und er hat mir erklärt an was er sich erinnern kann und an was nicht. Ab normalen Tagen, weiß er wie er heisst, woher er kommt, was er gerne tut und auch an Namen aus seiner Kindheit kann er sich erinnern.

Aber an schlechten Tagen, so sagt er, kann er sich nicht einmal an seinen eigenen Namen erinnern. An der Art, wie er redet und sich der Ton seiner Stimme ändert, bemerkt man dass es ihm wehtut und dass es unverständlich ist, wieso gerade er das durchmachen muss.

Er hat mir auch erzählt, dass er bis er zwölf war, alles weiß. Er kennt die Namen seiner Freunde, weis Straßennamen, er hat mir sogar gesagt in welche Schule und welche Klasse er ging. Und jetzt sitzen wir hier und er weiß nur, dass ich die letzten Tage jeden Tag bei ihm war, weil er es sich aufgeschrieben hat.

"Bist du dir sicher, dass ich da anrufen soll?", seit fast 15 Minuten nimmt er die Karte von der einen in die andere Hand, zupft an den Ecken und wippt mit seinem Bein.

"Es könnte dir helfen.", ich lege meine Hand auf sein Knie um es stillzuhalten und sehe ihn an. Er hebt seinen Kopf an und unsere Blicke treffen sich.

"Du hilfst mir auch.", seine Worte kommen langsam aus seinem Mund und ich verfolge jede Bewegung seiner Lippen. Ein lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus als er dann auch noch seine Hand mit meiner verschränkt und mit seinem Daumen meinen auf und ab streicht.

"Darüber bin ich auch froh, aber diese Frau, vielleicht kann sie noch besser verstehen wie du dich fühlst.", versuche ich ihn zu überreden, immerhin will ich ja, dass es ihm gut geht und ihm geholfen werden kann.

"OK.", seuzft er dann und greift nach seinem Handy. "Kannst du derweil rausgehen?", fragt er, nachdem er die Nummer eingetippt hat und sieht mich mit einem entschuldigenden Blick an.

Ich Nicke lächelnd und stehe dann auf, weil ich es respektiere, dass er das alleine machen möchte. Ich streiche ihm kurz über die Schulter und gehe in die Küche. Ich höre seine Stimme nur gedämpft, kann nicht raushören was er sagt, aber ich versuche es auch nicht.

Ich stelle eine Pfanne auf die Herdplatte und suche alle Zutaten für eine Tomatensoße heraus. Obwohl meine Küche nicht wirklich groß ist, kann ich mir nie merken wo ich was hingestellt habe. Nachdem die Soße soweit fertig ist, mache ich mich daran Nudeln zu kochen. Gerade als ich umrühren will, legen sich zwei Arme um meine Hüften und ich spüre wie Harry sein Kinn auf meiner Schulter ablegt.

"Riecht gut.", murmelt er dann und drückt sein Gesicht an meinen Hals. "Ist auch gleich fertig. Kannst du Teller auf den Tisch stellen?", ich schalte den Ofen aus als ich sein leichtes Lachen höre.

"Ich meinte dich, aber essen ist auch gut.", seine Lippen berühren kurz meine Wange, ehe er von mir ablässt und anfängt den Tisch zu decken. Ich bin froh, dass er im Moment abgelenkt ist und nicht sieht wie die röte in mein Gesicht schießt.

"Wir sollten mal kochen lernen.", bemerkt Harry während dem essen lachend. "Vermutlich. Jedes mal Tomatensoße könnte auf Dauer etwas langweilig werden.", Stimme ich ihm zu. "Etwas.", seine Stimme wird wieder leiser und ich spüre sofort, dass irgendetwas nicht stimmt.

"Was ist los?", ich greife nach seiner Hand, die auf dem Tisch liegt um seine Aufmerksamkeit wieder auf mich zu lenken. "Nur ein bisschen Kopfschmerzen.", murmelt er vor sich hin und legt seinen Kopf in seiner freien Hand ab. Ich suche in einem der schränke nach einer Kopfschmerz Tablette und gebe sie ihm zusammen mit einem Glas Wasser, welches er dankend annimmt.

"Du solltest dich ausruhen.", befehle ich ihm dann schon fast, immerhin sagte Dr. Marten er solle viel schlafen und sich ausruhen. "Ja Frau Doktor.", salutiert er lachend und steht mit mir gemeinsam vom Tisch auf. Er hilft mir noch abzuräumen, bevor er mir einen Kuss auf die Stirn drückt und die Küche verlässt.

Das Lächeln in meinem Gesicht wird bei seiner Geste nur noch breiter. Schon die letzten Tage über, hat er mich immer wieder ohne vorwahung oder Anlass geküsst. Sei es nur kurz auf die Wange oder die Stirn er hat es getan und jedes Mal fliegen mehr Schmetterlinge in meinem Bauch umher.

Meine Gedanken schweifen an den ersten Tag, den er hier verbracht hat zurück. Wir sind morgens gemeinsam aufgewacht, er hatte seine Arme um mich und ich war an seine Brust gepresst. Er ist zurückgewichen als er mich gesehen hat, wusste nicht wo er ist und was er hier macht. Geschweigedenn wusste er wer ich war. Tränen standen in meinen Augen, aber ich wusste und weiß es noch immer, dass er nichts dafür kann, er macht das nicht absichtlich. Den ganzen Tag über hat er sich immer wieder bei mir entschuldigt, ist nicht mehr von meiner Seite gewichen.

Als ich ihn dann im Badezimmer auf dem Boden fand, in der Ecke, Knie an die Brust gezogen und weinend, hat es mir das Herz auf der Brust gerissen. Ich konnte und wollte ihn nicht so sehen. Die nächsten Tage ist er immer vor mir aufgestanden. Er hat es nicht zugegeben aber auch wenn er es dachte, ich habe nicht geschlafen.

Ich war wach als er erschrak und nicht wusste wo er ist, ich war wach als er mich ansah und nicht wusste wer ich bin, ich war auch wach, als er seine Notizen gelesen hat und ich war auch wach, als er sich wieder neben mich gelegt hat.

Immer wieder hat er mir gesagt, es wäre okay wenn er nach Hause gehen würde, dass es ihm gut ginge und er mir nicht auf die Nerven gehen wollte. Ich habe gesagt, ich möchte ihn nicht alleine lassen weil ich mir dann zu viele sorgen um ihn machen würde.

Natürlich mache ich mir sorgen um ihn aber der Hauptgrund, wieso ich ihn hier haben will, weil ich seine Anwesenheit mag. Ich mag es neben ihm aufzuwachen und einzuschlafen und auch wenn wir einfach nur reden. Ich mag es. Ich mag ihn.

Als ich am Badezimmer vorbeigehe, höre ich, dass das Wasser läuft und Harry wohl gerade Duschen ist. Seine Stimme kann man nur gedämpft durch die Wände hören und doch weiß ich, dass er gerade 21 Guns von Green Day singt.

Ich liebe seine Stimme. Ich liebe es wie rau und tief sie ist und trotzdem so warm und zärtlich. Ich liebe es, wie sie höher wird, wenn er sich über etwas aufregt oder voller Freude etwas erzählt und ich liebe es auch wenn sie leise ist und noch rauer und tiefer als sonst.

Ich setze mich an meinen Schreibtisch, der vor Heften und Bücher kaum mehr zu sehen ist und arbeite etwas an meinen Uniunterlagen. Schritte näheren sich meinem Zimmer und als ich mich umdrehe, sehe ich Harry nur mit einem Handtuch um die Hüften in der Tür stehen. Er kommt immer weiter auf mich zu und bleibt kurz vor mir stehen. Er hält mir eine Hand entgegen und zieht mich auf die Beine, als ich danach greife.

Wir stehen Brust an Brust und unsere Gesichter sind nur Millimeter weit entfernt. Unser Atem trifft sich und vermischt sich mit der uns umgebenden Luft. "Du sollst dich hinlegen.", meine Stimme ist nur mehr ein flüstern und noch immer bricht unser Blickkontakt nicht ab. "Kommst du mit?", auch seine Stimme ist leise und es ist mir in diesem Moment egal, ob er nur ein Handtuch trägt, als ich ihn Richtung Bett ziehe.

Paranormal | H.S. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt