Kapitel 13

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Ich stand unter der Dusche und ließ mir das Wasser über den Körper laufen. Ich hatte mir die ärztliche Erlaubnis eingeholt, dass ich mich mit einem wasserfesten Pflaster nicht der Gefahr aussetzte, der Wundheilung im Weg zu stehen. Ich konnte es einfach nicht mehr lassen. Das zwei geteilte Waschen, immer um meine Bauchwunde herum, hatte mich schon sehr genervt. Um so mehr genoss ich es jetzt, einfach nur da zu stehen, dass Wasser auf meine Haut prasseln zu lassen und den Dreck an Emotionen von mir ab zu waschen. Ich hatte die Augen geschlossen. Gedanken schossen mir quer durch den Kopf. Bilder. Wieder diese verdammten Bilder. Ich sah Franzi, Kelly, wie sie ihre Waffe auf sie gerichtet hielt und Andrea, wie sie abdrückt. Ganz knapp an Franzi vorbei. Ganz knapp an Franzi vorbei. Zum ersten Mal mogelte sich dieses Bild in mir hervor. Ich riss die Augen wieder auf, wie im Schock und atmete hektisch. Ich hielt mich an der Duschwand fest. Es war verdammt knapp. Hatte sie gewusst, was sie da tat? Hatte sie das Risiko in kauf genommen, Franzi ebenfalls zu verletzten? Mein Bauch zog sich zusammen. Ein stechender Schmerz machte sich breit. Hatte sie deshalb so sehr darauf gebrannt, dass wir miteinander reden? Um von sich selbst ab zu lenken? Ich sah sie vor mir. Die Andrea, wie ich sie kennen gelernt hatte. Das Bild verfinsterte sich, als hätte jemand Ketchup darauf verteilt. War es das, was sie eigentlich beschäftigte? Es ging gar nicht um Kelly. Was Andrea tatsächlich beschäftigte war, dass sie um ein Haar eine unschuldige mit in den Tod gerissen hätte. Das war es, darum ging es eigentlich. Ich war plötzlich mehr als überzeugt von diesem Gedanken und er wurde zu einem unumstößlichen Mantra. Ich musste mich von dieser Frau fern halten. Nicht ich hatte ein Problem, sie hatte es. „Miststück." murmelte ich vor mich hin. „Wer?" Ich fuhr zusammen. Ich war nicht allein und hatte es nicht bemerkt. „Wer ist ein Miststück?" fragte es wieder. „Franzi?" fragte ich und vergewisserte mich, dass ich nicht träumte. Sie steckte ihren Kopf hinter den Vorhang und blickte vorwitzig herein mit Zahnpasta verschmiertem Mund. „Ast du mi ni gehört?" fragte sie, während sie versuchte, sich nicht an dem Schaum im Mund zu verschlucken. „Nein, ich war in Gedanken." gestand ich. „Mo-ent." sagte sie und verschwand. Ich hörte, wie sie sich den Mund ausspülte. Im Nu blickte sie wieder hinter den Vorhang. „Wer ich ein Miststück?" fragte sie noch einmal. Sie lächelte dabei so verschmitzt, dass sie mich unversehens wieder zu guter Laune brachte. „Ach vergiss es einfach. Ich dachte grade an Kelly. Einfach vergessen." log ich und fand mich selbst merkwürdig dabei. Ich belog meine Frau, aber es war nur eine Notlüge, ein kleines Flunkern. „Bei dem Anblick, kein Problem." schnurrte sie und mich zu sich. „Babe, ich liebe dich." schoss es aus mir raus und ich küsste sie innig. „Mmmh. Lecker." grinste sie. Ich musste lächeln. „Ich dich auch." gestand sie und küsste meinen Bauch. Mir schoss es sofort einmal quer durch den Körper. „Nicht Schatz, meine Wunde." versuchte ich sie von ihrem vermeintlichen Vorhaben ab zu halten. Mir war gerade so gar nicht danach. „Eil dich, wir müssen in einer halben Stunde los." erklärte sie mir und mich überfiel eine Unlust. Ich hätte noch Stunden unter der Dusche Stehen können. Aber ich fügte mich und trocknete mich ab.

Als ich die Treppe runter kam, standen die beiden schon geschniegelt und gestriegelt vor mir. „Ich fahre, wenn du nichts dagegen hast. Dann komme ich nicht in Versuchung." schlug Sandrine vor. „Einverstanden." stimmte ich zu und drückte ihr die Autoschlüssel in die Hand.

Im Restaurant angekommen, saßen da schon Madlin und ihr Mattew in vertiefte, verliebte Blicke. Ich musste schmunzeln, dass sie uns noch gar nicht bemerkt hatten. Erst als wir an den Tisch traten trennten sich ihre Blicke und wir wurden herzlich begrüßt. „Wo ist Ron?" fragte Sandrine. „Hier." antwortete er hinter uns. „Hey, Zuckerpuppe." begrüßte er Sandrine und in diesem Moment fand ich es nur all zu schade, dass aus ihnen kein Paar werden würde. Aber eine Freundschaft schien sich da deutlich an zu kündigen. Mir war schon im Studio aufgefallen, dass sie sich gut verstanden hatten. „Heute Solo unterwegs?" fragte ich neugierig, hatte ich doch in Erinnerung, dass es da einen Liebsten gegeben hatte. „Ach komm, Themawechsel." tat er ab und erntete sofortige Zustimmung von Sandrine. Die beide setzten sich nebeneinander und vertieften sich in ein Männer-sind-scheiße Gespräch. Ich musste kichern. Ich war mir sicher, alle beide würden anders reden, wenn sie erst einmal wieder jemanden hatten. Franzi saß rechts von mir und Matthew zu meiner linken. „Wie geht es dir?" fragte er mich sehr direkt und ich war versucht, mein Misstrauen ihm gegenüber aus zu packen. Er war immer noch Journalist und hatte nur aus diesem Grund Madlin angesprochen. Aber dann sah ich Madlins Strahlen und dachte mir, ich habe nichts zu verbergen. Sie sah so glücklich aus. Heute Abend sollte das Misstrauen im Schrank bleiben. Ich griff Franzis Hand, die sich bei den beiden Singles unters Gespräch gemengt hatte. Wir hackten unsere Finger ineinander und tauschten einen liebevollen Blick, bevor wir uns wieder unseren Gesprächspartnern zu wanden. „Danke, mir geht es wirklich gut." sagte ich. Er nickte: "Das sieht man." „Erzähl mal, für welche Zeitung arbeitest du?" forderte ich ihn auf. „Ich arbeite nicht fest. Ich bin Freiberufler und verkaufe an den am besten bietenden oder werde gebucht, wenn es um brisante Stories geht." lachte er und zwinkerte mir zu. „So, so, also um so Stories wie Franzis und meine?" fragte ich provokant. „Normalerweise ja, aber ihr seit raus aus dem Rennen." antwortete er kess. Ich zog eine Augenbraue hoch. „Wir sind raus? Wie kommts?" Er legte ein Pokerface auf und sagte: „Nun sagen wir, wegen emotionaler Befangenheit." Darauf nahm er Madlins Hand und küsste sie. Ich musste lachen. „Ach so." zwinkerte ich den beiden zu. Sadrine und Ron lachten und scherzten um die Wette und ich war wirklich beruhigt, sie so fröhlich zu sehen. Ein Kellner trat an unseren Tisch mit einem Tablett Sektgläser, gefolgt von einer Kellnerin, die einen gefüllten Sektkühler hielt. „Ihr lieben, einen Sekt zur Feier des Abends." erklärte Madlin, die mal wieder alles genauestens organisiert hatte. „Für mich bitte ein Wasser." warf Sandrine ein. „Keinen Sekt?" hakte Madlin noch einmal nach. „Nein, wirklich nicht." antwortete sie voller Überzeugung und ihre Blicke kreuzten sich mit meinen und Franzis. Ja, es war gut, dass sie sich dazu entschieden hatte. Es zeigte einen ersten Schritt dahin, etwas zu verändern. Als alle mit einem Glas versorgt waren, kündigte Madlin eine Rede an. „Ich möchte heute mit euch anstoßen auf eine erfolgreich, aber auch sehr durchwachsene Drehzeit. Es wird natürlich noch eine offizielle Abschlussfeier mit allen geben, aber es war mir wichtig, mit euch zu sein, ohne Rummel und Presse. Wir haben viel durch gemacht. Vor allem du Shelly und auch Franzi blieb nicht verschont. Ich möchte mich bei euch entschuldigen. Ich habe euch übel mitgespielt, weil ich nicht annähernd so viel Courage habe wie ihr. Ich bin heute unendlich dankbar, dass ihr euch durch gesetzt habt und ich eingesehen habe, dass ich sehr dumm war. Dann diese entsetzliche Pressekonferenz, die einen großen Schatten über uns geworfen hatte. Aber auch da sind wir durch gekommen. Ich ziehe meinen Hut vor eurer Unermüdlichkeit, trotz allem was passiert ist. Die Serie ist erfolgreicher den je und ich freue mich, dass es weiter gehen wird und wir noch viele gemeinsame Termine und Drehtage erleben werden. Ich bin stolz, für einen so tollen Menschen wie dich, liebe Shelly, arbeiten zu dürfen. Und ich bin unglaublich stolz auf deine Nominierung für den diesjährigen leo award. Wenn du ihn nicht verdient hast, wer dann? Ich danke euch, dass es euch gibt und es bleibt mir nur noch eines zu sagen: Auf uns, Prost." Wir stießen einander an und ich kam nicht umhin, selbst sehr stolz zu sein, auf das, was wir geschaffen hatten. „Ohne dich, Madlin, würde nichts der gleichen möglich. Ich danke dir von Herzen für deinen Glauben an mich und deinen Einsatz." bedankte auch ich mich und wurde kurz aus meinem Gedanken gerissen, als die Tür auf ging und ausgerechnet Andrea das Restaurant betrat. In Begleitung eines Kollegen trat sie an die Theke und ich hoffte, dass sie mich nicht erblickte. Ich war wirklich sauer auf sie und der Gedanke, der sich in mir ausgebreitet hatte, war sofort wieder präsent. Sie war bewaffnet, was mir zeigte, dass sie im Dienst war. Sie sah sich um und natürlich erblickte sie auch uns. Sie winkte mir zu und sagte ein nicht hörbares „Hallo." Außer mir hatte sie keiner bemerkt. Ich nutze es und entzog sie meinem Blick ohne weiter auf sie zu reagieren. Aus dem Augenwinkel musste ich natürlich beobachten, was da passierte. Der Kellner reichte den beiden verpacktes Essen, dass sie offenbar bestellt hatten. Ich konnte sehen, dass sie immer wieder meinen Blick suchte. Ich blieb eisern. „Hey, bald werden wir unsere Kleider auswählen für die Preisverleihung." brachte ich mich geschäftig ins Gespräch. „Oh ja, ich habe schon ein paar wirklich schön Stücke ausgesucht." stimmte Madlin mit ein. „Was meist du, Matthew, welche Farbe wird mir wohl besser stehen? Grün oder ein tief dunkles blau?" Seine Antwort bekam ich nicht mehr mit. Andrea stand an der Tür und hatte sie zum Gehen geöffnet. Sie blieb stehen und blickte enttäuscht und fragend in meine Richtung. Ich war geradezu in diese stählerne Tiefe ihrer Augen geraten. Ich musste mich ruckartig wieder loseisen und blickte wieder zu Matthew, während sie und ihr Kollege das Restaurant verließen. Kontrollieren sah ich zu Franzi, die vertieft war in eine Gespräch mit Sandrine und Ron. Und auch Madlin hatte sich ein geklingt. Nur Matthews aufmerksamen Blick war der Moment nicht entgangen. Ich konnte seine Journalistenaugen glitzern sehen. Ich hoffte inständig, dass er tatsächlich nicht über uns berichten würde. „Und wie wird es nun sein." fragte er. „Was?" fragte ich etwas peinlich berührt. Hatte ich den Faden unseres Gespräches doch tatsächlich völlig verloren. „Na das Kleid? Ich bin für dunkel blau." sagte er und zwinkerte mir beruhigend zu. „Ja, ich auch." antwortete ich und versteckte mich hinter meinem Sektglas.

Ich brauchte eine Weile, um Andrea aus meinen Gedanken zu verbannen. Es gelang mir und wir feierten bis tief in die Nacht. Sandrine hatte keinen Tropfen getrunken und ich und Franzi zeigten uns solidarisch und tranken, bis auf das eine Glas, keinen weiteren Schluck.

©lialight

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